Borgholzhausener Tierarzt schlägt Alarm: Nachwuchskrise bedroht Praxen

Borgholzhausen. Wer bei Felix Bathe ins Büro kommt, wird von Molle und Timmie freudig empfangen. Die 14-jährige Jack-Russel-Dame und ihr neunjähriger Sohn sind die Feelgood-Manager der Tierarztpraxis an der Schulstraße gegenüber dem Rathaus. Timmie legt sich gleich zu Füßen des Gastes von der Zeitung. Molle schaut sich die Sache aus sicherer Entfernung aus ihrem Sessel aus an. Das gemütliche Bild, das Molle in dem Moment abgibt, täuscht: Trotz ihres fortgeschrittenen Alters ist die Terrierdame äußerst agil. Wenn ihr Herrchen über seinen Beruf spricht, ist ihm die Begeisterung anzumerken. Felix Bathe ist ein Tierarzt mit Leib und Seele. Und doch macht er sich Sorgen um den Zustand seiner Profession. &bdquo;Ich sehe mich als aussterbende Gattung“, sagt er und vergleicht sich mit einem Landarzt in der Humanmedizin. &bdquo;Es gibt extreme Nachwuchsschwierigkeiten“, sagt Felix Bathe. Lesen Sie zum Thema: Bekannter Bielefelder Tierarzt verkauft seine Praxis Tatsächlich strebten die jungen Veterinäre und Veterinärinnen eher in die großen Praxen und Kliniken. Die werden heute oft von großen und vor allem finanzstarken Anbietern wie Anicura, Evidensia und Altano geführt. Anicura etwa betreibt die Tierklinik in Bielefeld-Heepen. Borgholzhausener Tierarzt sieht Nachwuchsproblem mit Sorge Eine Selbstständigkeit wie Felix Bathe sie 1998 in Borgholzhausen wagte, als er die Praxis von Dr. Martin Pohlmann übernahm, sei in vielen Lebensplanungen dagegen nicht mehr vorgesehen. Die Folge: Kleine Tierarztpraxen in kleinen Städten suchten vergeblich nach Nachfolgern. Erst kürzlich schloss Sebastian Cichowski in Dissen seine Praxis. Auch die Praxis Niedick in Harsewinkel fand keinen Nachfolger. Kunden und Kundinnen von Bathes ehemaligen Kollegen fragen nun auch in der Schulstraße nach, ob Hund, Katze oder Hamster hier behandelt werden könnten, berichtet der Borgholzhausener Tierarzt. &bdquo;Ich sehe das mit Sorge“, sagt Felix Bathe zum Nachwuchsproblem in der Veterinärmedizin. &bdquo;Wir kommen im ländlichen Bereich in eine Unterversorgung.“ Gehe es so weiter, werde künftig vor Ort die &bdquo;schnelle Hilfe“ fehlen. Für viele sei es aber schwierig, zügig nach Bielefeld, Herford oder Bramsche zu kommen, wo sich große Tierkliniken befänden. Ganz davon abgesehen, dass eine Behandlung für den vier- oder zweibeinigen Liebling in den großen Einrichtungen wegen der medizintechnischen Ausrüstung oft deutlich teurer sei als in der kleinen Praxis um die Ecke. &bdquo;Die Leute zahlen da oft horrende Summen“, sagt Bathe. Was könnte dem Trend entgegenwirken und den Tierarztberuf im Ländlichen wieder attraktiv machen? Felix Bathe kann sich eine Landarztquote bei Studierenden vorstellen, die es in NRW in der Humanmedizin bereits gibt. Angehende Ärzte und Ärztinnen verpflichten sich dabei, nach ihrem Studium eine Weiterbildung anzuhängen, die auf den Hausarztberuf vorbereitet. Borgholzhausener Tierarzt will seinen Beruf noch jahrelang ausüben Zudem verpflichten sich Bewerber und Bewerberinnen vertraglich dazu, mindestens zehn Jahre als Arzt oder Ärztin in Regionen zu arbeiten, in denen eine Unterversorgung an Ärzten besteht oder droht. Die Gegenleistung des Landes: Über die Landarztquote wird ein Teil der Studienplätze in NRW vergeben, so auch an der Universität Bielefeld. Für Felix Bathe bedarf es dieser Anreize selbstverständlich nicht mehr und hätte es wahrscheinlich nie bedurft. &bdquo;Weil der Beruf so vielseitig ist, werde ich ihn noch jahrelang ausüben“, ist er überzeugt. Vom Hamster bis zum Pferd kümmern sich die Tiermedizinische Fachangestellte Marie Jäschke und er um alle tierischen Patienten. Klar, der Dokumentationsaufwand sei groß geworden. &bdquo;Doch das integriere ich ins Tagesgeschäft“, sagt Bathe. Auch interessant: Neue Tierärztin verstärkt Team in Steinhagen Dann wird der Borgholzhausener Tierarzt noch einmal deutlich: &bdquo;Dass ich weggehe, ist ein Gerücht“, sagt er. Hintergrund des Gerüchts ist sehr wahrscheinlich, dass direkt neben seiner Praxis an der Schulstraße seit Monaten gewerbliche Räume zur Vermietung stehen, für die sich aber noch keine Nachnutzung ergeben hat. Diese Räumlichkeiten sind aber nicht Bestandteil der Borgholzhausener Tierarztpraxis. Tierarzt stellt klar: Meine Praxis bleibt erhalten &bdquo;Drei Firmen waren da zuletzt sehr kurzfristig drin“, sagt Bathe: eine Tierphysiotherapie, ein Nagelstudio und eine Hundefriseurin. Lang gehalten habe sich niemand, was der Tierarzt im Fall der Physiotherapie und der Hundefriseurin sehr bedauert. Schließlich hätte das jeweilige Angebot gut von der benachbarten Tierarztpraxis profitieren können – und umgekehrt auch. Zuletzt gab es so viele Irritationen um das vermeintliche Ende der Tierarztpraxis, dass Bathe und Jäschke sich veranlasst sahen, draußen und drinnen an der Eingangstür zwei rote Schilder aufzuhängen. Die weisen die Besucher und Besucherinnen darauf hin, dass die Praxis selbstverständlich erhalten bleibe. Das Mietgesuch beziehe sich lediglich auf die Nachbareinheit. Molle und Timmie wird es freuen. Sie sind gern bereit, sich für das Foto mit Felix Bathe und Marie Jäschke auf den Behandlungstisch zu begeben. Kurz nur setzen sich die beiden Jack Russel Terrier. Dann will Timmie auch schon die Handykamera des Fotografen inspizieren. Die Verabschiedung ist genauso freudig wie der Empfang.

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