Werther trauert um klugen Kopf, streitbaren Geist und Friedenspreisträger

Werther. Jeder in Werther kennt den Hof Overbeck und das Venghauss’sche Haus. Doch nur die wenigsten wissen, dass es beide Häuser ohne Dr. Lutz Hoffmann schon lange nicht mehr gäbe. Wie kaum ein anderer hat sich der studierte Theologe und Sozialwissenschaftler für den Erhalt historischer Gebäude eingesetzt, nicht zuletzt den &bdquo;Höllenkotten“ in Theenhausen, in dem er selbst wohnte. Jetzt ist der Gründer der UWG und der Blotenberg-Initiative im Alter von 89 Jahren nach langer Krankheit gestorben. Lutz Hoffmann war jemand, der sich hartnäckig für eine Sache starkmachen konnte. Dabei zögerte er nicht, auch unbequeme Wege zu gehen. Das galt für private ebenso wie für öffentliche Anliegen. Und von denen gab es eine Menge. Lutz Hoffmann wird 1935 in Weida in Thüringen als ältester von vier Geschwistern geboren. Seine Kindheit ist geprägt von den Schrecken des Zweiten Weltkriegs. Nach schwierigen Kriegsjahren, in denen er viele Male umziehen muss und in Wuppertal ausgebombt wird, folgt eine entbehrungsreiche Nachkriegszeit. Zum Studium der katholischen Theologie von 1955 bis 1960 zieht es ihn zunächst nach Bonn, dann nach München und schließlich nach Paderborn. Vom Pfarrer in die Lehrerausbildung Von 1960 bis 1970 wirkt er als Geistlicher in Oberhausen, Duisburg und Essen und beginnt dann, seinem Interesse für sozialwissenschaftliche Fragen zu folgen. Von 1970 bis zu seiner Pensionierung im Jahr 2000 ist er an der Universität Bielefeld tätig, zuletzt als akademischer Oberrat im Zentrum für Lehrerausbildung. Schwerpunkte seiner wissenschaftlichen Tätigkeit sind die deutsche Einwanderungspolitik und die Widerstände der deutschen Bevölkerung gegen die Integration vornehmlich türkischstämmiger Gastarbeiter. Seiner Meinung nach beruht die Feindschaft gegenüber den Fremden nicht auf Erfahrung, sondern auf dem Bestreben nach einer eigenen kollektiven Identität durch die Fixierung auf eine Gegenidee. Viele seiner Ansätze bringt Lutz Hoffmann zu Papier. Zu seinen wichtigsten Publikationen gehören: &bdquo;Die unvollendete Republik. Zwischen Einwanderungsland und deutschem Nationalstaat“ (Köln 1990) und &bdquo;Das deutsche Volk und seine Feinde. Die völkische Droge - Aktualität und Entstehungsgeschichte“ (Köln 1994). Zudem ist Lutz Hoffmann Mitverfasser von &bdquo;Soziologie der Ausländerfeindlichkeit: zwischen nationaler Identität und multikultureller Gesellschaft“ (Weinheim/Basel 1984). Mit dem Friedenspreis ausgezeichnet Sein Einsatz zur Völkerverständigung wird belohnt: 1997 erhält Lutz Hoffmann den Muhammad-Nafi-Tschelebi-Friedenspreis, einem Preis zur Förderung des Dialogs zwischen Religionen, Traditionen und Kulturen, der seit 1990 jährlich vom Zentralinstitut Islam-Archiv-Deutschland an Nichtmuslime verliehen wird. In den 1970er-Jahren erwirbt Lutz Hoffmann in Theenhausen einen fast 200 Jahre alten Kotten und macht aus ihm in Eigenleistung ein wahres Schmuckstück. Der Name &bdquo;Höllenkotten“ hat nach eigener Recherche nichts mit der Unterwelt zu tun, sondern geht im Wortstamm auf die Bezeichnung &bdquo;Halde“ zurück, was früher eine Anhöhe bezeichnete. Die Geschichte seines eigenen Hauses veröffentlicht er ebenso in einem kleinen Buch wie die des Venghauss’schen Hauses. Denn während Lutz Hoffmann noch auf seiner privaten Baustelle werkelt, setzt er Ende der 1970er-Jahre alles daran, auch das damals wenig ansehnliche Fachwerkgebäude im Zentrum Werthers vor dem Abriss zu bewahren. Eine &bdquo;Bruchbude“ wird zum Schmuckstück Warum er nach eigenen Worten &bdquo;einen Narren an dem Haus“ gefressen hat, kann Lutz Hoffmann seinerzeit im Gespräch mit dem &bdquo;Haller Kreisblatt“ nicht einmal sagen. Allerdings hat er ausreichend Fantasie sich vorzustellen, wie das Gebäude nach einer Sanierung einmal aussehen könnte. Er rettet das von bösen Zungen als &bdquo;Bruchbude“ und &bdquo;Schandfleck“ titulierte Haus vor dem Abriss, heute zählt es zu den schönsten der Stadt. Ein ähnliches Schicksal hätte den Hof Overbeck ereilt, hätten sich Lutz Hoffmann und einige Mitstreiter nicht für die historische Hofstelle ins Zeug gelegt. Die Stadt will es abreißen, um den Blotenberg zu bebauen. Lutz Hoffmann schließt sich 2012 mit Gleichgesinnten zur Bürgerinitiative Blotenberg zusammen, um den Abriss des Hofes und die Bebauung des Areals zu verhindern. Letzteres schafft er nicht, doch der Hof wird unter Denkmalschutz gestellt und bleibt erhalten. &bdquo;Es war eine aufreibende Zeit“, erinnert sich Vorstandsmitglied Ursula Reinsch. Lutz Hoffmann sei ein kluger Kopf gewesen, der sich für viele Belange vor Ort engagiert und viel Gutes bewirkt habe. &bdquo;Gut, dass es in Werther jemanden wie ihn gab. Wir trauern um einen politischen Weggefährten und Freund.“ Mit Pfeife und Besonnenheit die Wogen geglättet Da kann sich Uwe Gehring von der UWG nur anschließen. 1979 ist Lutz Hoffmann Gründungsmitglied der Wertheraner Unabhängigen und schafft bei der Kommunalwahl zusammen mit sechs Mitstreitern gleich den Sprung in den Rat. Eines seiner Themen: der Denkmalschutz. &bdquo;Ich erinnere mich noch gut, als mich Lutz Hoffmann 1982 ansprach, ob ich nicht auch mitmachen will“, blickt Uwe Gehring zurück. Er hat an Lutz Hoffmann vor allem dessen Art geschätzt: &bdquo;Wenn es bei internen Sitzungen mal hitzig wurde, hat er seine Pfeife gestopft und mit großer Besonnenheit versucht, die Wogen zu glätten. Und das ist ihm auch gelungen.“ Lutz Hoffmann starb bereits am 6. Oktober. Die Trauerfeier findet am 15. November in der Friedhofskapelle in Werther statt. Er hinterlässt eine Lebensgefährtin, drei erwachsene Kinder und zwei Enkel. Ihnen gehört unser Mitgefühl.

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