Nein zum Streaming: Werthers Politiker wollen nicht im Netz zu sehen sein

Werther. Sich über Politiker und deren Entscheidungen zu beschweren, ist nicht nur in Sozialen Netzwerken gang und gäbe. Den Satz &bdquo;die machen doch sowieso, was sie wollen“ hört man auch in Fernsehbeiträgen oder im Bekanntenkreis. Dabei soll Politik transparent sein, sodass Bürgerinnen und Bürger verfolgen können, was in Parlamenten, Räten und Ausschüssen passiert. Im Bundestag werden Parlamentssitzungen schon lange live übertragen, im Landtag kann man Ausschusssitzungen im Internet folgen. Und auch in den Stadtparlamenten in Bielefeld und Gütersloh können Stadtrats- und Ausschusssitzungen zu Hause am Bildschirm oder auf dem Smartphone verfolgt werden. Warum nicht also auch in Werther? Das dachten sich die Freien und stellten in der jüngsten Sitzung des Haupt- und Finanzausschusses den entsprechenden Antrag. Ganz bewusst nicht darauf, direkt über das Streamen von Sitzungen zu entscheiden, sondern zunächst erst einmal nur, um Angebote einzuholen, was die nötige Technik überhaupt kosten solle. Einblicke in gelebte Demokratie &bdquo;Es ist ein zweischneidiges Schwert“, räumte Jan-Holm Sussiek (Die Freien) bei der Begründung des Antrags ein. Denn auf der einen Seite wolle man natürlich nicht gerne zusätzliche Ausgaben produzieren. Andererseits sei es gerade in den aktuellen Zeiten wichtig zu sehen, dass es in Werther gelebte Demokratie gebe. Bereits vor elf Jahren hatten die Freien einen entsprechenden Antrag gestellt, der damals abgelehnt wurde. Seinerzeit habe es auch noch keine entsprechenden Präzedenzfälle gegeben, so Sussiek. Aber man wolle auch den Menschen ermöglichen, die politischen Beratungen zu verfolgen, die nicht so mobil seien. Und wer glaube, dass Politik hinter verschlossenen Türen stattfinde, könnte sich so vom Gegenteil überzeugen. &bdquo;Es ist zumindest den Versuch wert, mal Informationen einzuholen, was so etwas kosten würde“, schloss Sussiek seine Begründung. Fraktionen sorgen sich um Diskussionskultur In der CDU-Fraktion sei man skeptisch, ob man das überhaupt wolle, sagte deren Vorsitzender Ralf Eckelmann. &bdquo;Einige haben es nicht gerne, live im Netz übertragen zu werden.“ Möglicherweise könne ein Livestream die Diskussionskultur verändern oder manche Lokalpolitiker würden dann gar nichts mehr sagen, befürchtete er. Uwe Gehring von der UWG hegte genau die gegenteilige Befürchtung. &bdquo;Wenn man mal beobachtet, wie ausführlich im Rat diskutiert wird, solange die Presse dabei ist, und wie schnell es im nicht-öffentlichen Teil geht - dann könnten sich live übertragene Sitzungen ziemlich in die Länge ziehen“, sagte er. Und wies darauf hin, dass schon jetzt die Türen des Ratssaals jedem offen stünden - &bdquo;und es sind sehr wenige, die zugucken.“ Auch die SPD zeigte sich nicht begeistert. &bdquo;Der Antrag kommt zur Unzeit“, sagte Georg Hartl. Und vermutete, dass die Zahl der Menschen, die Livestreams aus dem Rathaus verfolgten nicht im Verhältnis zu den Kosten stehe. Ehrenamtler können selbst entscheiden Thorsten Schmolke von den Grünen schloss sich den Bedenken seiner Kollegen und Kolleginnen an und verwies auch auf die rechtliche Lage. &bdquo;Sobald ein Ratsmitglied gegen eine Übertragung ist, hat sich das erledigt“, sagte er. &bdquo;Hier hat jeder die Gelegenheit vorbeizukommen und selbst zuzusehen.“ &bdquo;Rechtlich gibt es seit der Pandemie neue Ausführungsregeln“, erläuterte Bürgermeister Veith Lemmen. Während bei hauptamtlichen Politikerinnen und Politikern streamen seitdem vereinfacht sei, sei es im Bereich von ehrenamtlicher Politik weiter zustimmungspflichtig. Dabei gehe es um eine Abwägung von Grundrechten. Auf der einen Seite das öffentliche Interesse an den Entscheidungswegen in der Politik, auf der anderen Seite die Freiheit der Mandatsausübung. Er selbst werde als hauptamtlicher Bürgermeister bezahlt und &bdquo;ich wäre einer von der Sorte, da kann man immer eine Kamera draufhalten“, so Lemmen. Bei den ehrenamtlichen Stadtratsmitgliedern empfinde das aber jeder anders. Politiker stehen für Öffentlichkeit Jan-Holm Sussiek zeigte sich enttäuscht von der ablehnenden Haltung der übrigen Ratsmitglieder, zumal es ja zunächst nur um eine Kosteneinholung ginge. &bdquo;Wir haben ein Mandat der Öffentlichkeit und sollten deshalb auch für Öffentlichkeit sein. Ich hätte mir mehr Bereitschaft gewünscht, sich auf den Weg zu machen.“ Einen Unterstützer fand er lediglich in Olaf Wöhrmann (UWG). &bdquo;Streaming könnte helfen, Demokratie in die Breite zu bringen“, sagte er. &bdquo;Wir sind ja gewählt, um unsere Meinung in die Öffentlichkeit zu tragen.“ Zudem habe jeder Abgeordnete ein Tablet vor sich, über das man möglicherweise auch Sitzungen übertragen und auf Wunsch sein Gesicht ausschalten könnte“, regte er an. Trotzdem wurde der Antrag abgelehnt mit zehn Nein-, zwei Ja-Stimmen und zwei Enthaltungen.

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