Ära in Werther endet: Inhaber-Ehepaar gibt Gastronomie im Bergfrieden auf

Werther. &bdquo;Wir haben beschlossen, unsere Gastronomie zum 30. Juni nächsten Jahres einzustellen.“ Als Cornelia Wulfmeier diesen Satz ausspricht, ist sie sichtbar angefasst. Sie und ihr Mann Dirk sitzen am Kachelofen in der gemütlichen Bauernstube, in der Generationen von Wertheranern gegessen, getrunken und gefeiert haben. Doch damit soll im kommenden Sommer Schluss sein. &bdquo;Wir haben die Entscheidung lange vor uns hergeschoben“, sagt Cornelia Wulfmeier. Denn sie und ihr Mann wollten nie, dass sie diejenigen sind, die in vierter Generation das Haus schließen. Allerdings sind die Gründe dafür nur allzu verständlich: &bdquo;Es ist lange bekannt, dass unsere beiden Töchter den Bergfrieden nicht übernehmen wollen“, erzählt Cornelia Wulfmeier. Zwar sagt sie nicht, wie sehr sie dies bedauert, beschreibt aber, wie viel Arbeit mit einem Restaurant- und Hotelbetrieb verbunden ist. &bdquo;80-Stunden-Wochen oder mehr sind bei uns die Regel, nicht die Ausnahme.“ Ab 6.30 Uhr geht es mit dem Frühstück für die Hotelgäste los und endet an Wochenenden bei größeren Feierlichkeiten irgendwann mitten in der Nacht. &bdquo;Und der Hotelbetrieb läuft ja an sieben Tagen in der Woche.“ Selbst wenn also das Restaurant Ruhetag hat - &bdquo;wir haben nie frei“. Hoher Preis für Dienst an den Gästen Cornelia und Dirk Wulfmeier haben trotzdem immer mit Liebe und Herzblut ihren Bergfrieden geführt und tun dies bis heute. &bdquo;Wir lieben und leben unseren Beruf. Sonst ginge es auch nicht“, sagen sie. Und erzählen von vielen schönen Momenten, von Geburten, Hochzeiten und Trauerfeiern, zu denen sich ganze Generationen von Wertheranern in ihrem Haus getroffen haben. Sie erzählen aber auch, dass 40 Jahre im Dienste der Gäste ihren Preis hatten: &bdquo;Unsere eigene Familie musste oft hintenan stehen“, sagt Cornelia Wulfmeier. Ihre Kinder seien irgendwie zwischen Großeltern und Stammgästen aufgewachsen. Auch wenn sie als Eltern immer vor Ort und ansprechbar für die beiden Mädchen waren - spontan am Wochenende wegfahren, einen Ausflug oder eine Woche Urlaub machen oder sich mit Freunden treffen war einfach nicht möglich. Und auch die Angestellten hätten den Betrieb oft vor ihre eigenen Familien gestellt, kann Cornelia Wulfmeier gar nicht ausdrücken, wie wichtig ihr die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sind. &bdquo;Wir haben ein ganz wunderbares Team. Du musst die Leute nur anschauen, und sie wissen, was zu tun ist. Das ist einfach toll.“ Stundenpensum herunterfahren Neun Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sind aktuell im Bergfrieden beschäftigt. Vor gut einer Woche haben Wulfmeiers ihnen von den Schließungsplänen berichtet. &bdquo;Für viele war es ein Schock.“ Auch wenn sie natürlich um die allgemein schwierige Situation in der Gastronomie wissen. Nicht nur, was den Personalmangel angeht. &bdquo;Die Situation ist ja mit den Jahren immer kritischer geworden“, beschreibt Cornelia Wulfmeier, die auch die Sorge umtreibt, was passiert, wenn sie, ihr Mann oder jemand aus dem Team einmal ernsthaft krank würde. &bdquo;Denn wir werden ja auch nicht jünger“, sagt Cornelia Wulfmeier. Sie sei jetzt 60, ihr Mann 62 Jahre alt. &bdquo;Irgendwann mussten wir diesen Schritt gehen und entscheiden, wie wir unser Stundenpensum herunterfahren können.“ Alles begann mit einem landwirtschaftlichen Betrieb Und nein, die Entscheidung der Bundesregierung, den Mehrwertsteuersatz in der Gastronomie ab nächstem Jahr wieder anzuheben, sei nicht ausschlaggebend für ihre Entscheidung gewesen. &bdquo;Trotzdem war die Nachricht für uns ein Schlag“, sagt das Ehepaar, wohl wissend, dass die Zeiten für die Gastronomie nicht leichter werden. Entsprechend sehen sie überhaupt keine Chance, dass jemand Fremdes ihren Betrieb übernimmt. In vierter Generation führen Dirk Wulfmeier und seine Frau jetzt das Restaurant mit angeschlossenem Hotelbetrieb. Angefangen hatte alles vor fast 150 Jahren, als August Wulfmeier in Isingdorf eine kleine Landwirtschaft aufbaute. Um 1900 kam ein bäuerliches Geschäft hinzu, 1916 wurde aus dem Hof mit der Bauernstube eine Milchwirtschaft - die Gastronomie war geboren. &bdquo;Mitte der 1930er Jahre hat mein Großvater die Vollkonzession erhalten und einen eigenen Hotelbetrieb mit ein paar Zimmern aufgebaut“, blickt Dirk Wulfmeier zurück. Es folgten der Anbau des großen Saals 1965 und der Umbau der Gaststube 1984, mit dem der Betrieb fast 200 Sitzplätze anbieten konnte. Im nächsten Sommer wird also eine Ära in Werther zu Ende gehen. Bis zum 30. Juni 2024 werden Cornelia und Dirk Wulfmeier ihren Betrieb wie gewohnt weiterführen. Am 1. Juli wird der Restaurantbetrieb dann eingestellt. Es wird keine Mittags- und Abendkarte und keine Feierlichkeiten mehr geben, auch kein spontanes Bewirten von Wanderern, wie es häufig in der Vergangenheit vorkam. Vorfreude auf die Zeit mit Enkel Anton So ganz drehen Wulfmeiers den Schlüssel allerdings nicht um. Beerdigungskaffeetrinken soll es weiterhin geben, genau wie das Frühstück zur Sonnenaufgangswanderung im September. Und auch das Hotel mit seinen 15 Zimmern bleibt weiterhin geöffnet. &bdquo;Allerdings als Garni-Betrieb nur noch mit Frühstück“, sagt Cornelia Wulfmeier. Vielleicht werde man die größeren Zimmer auch als Appartements an feste Mieter vergeben. Das stehe aber noch nicht fest. &bdquo;Denn natürlich kostet ein so großes Haus auch dann Geld, wenn es leer steht. Und das macht natürlich keinen Sinn“, sagt das Ehepaar. Auch wenn jetzt erst einmal das Vorweihnachtsgeschäft auf sie zukommt und sie bis zum nächsten Sommer alle Hände voll zu tun haben werden: Ein bisschen freuen sich Cornelia und Dirk Wulfmeier auf die Zeit nach dem 30. Juni. Die sie dann auch für ihren eineinhalbjährigen Enkelsohn Anton haben werden, der inzwischen mit seiner Familie im Bergfrieden lebt. &bdquo;Dass wir ihn hier aufwachsen sehen können, ist für uns ein echtes Geschenk.“

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