Auferstanden aus Beeten: Steffen Rosen in Werther erfindet sich völlig neu

Werther/Bielefeld. Man kann es genau sehen, wie gut Joachim Steffen die Nachricht tut, die in dieser E-Mail steckt. Körperlich wie seelisch. Der 55 Jahre alte Inhaber von Steffen Rosen an der Grenze zwischen Werther und Bielefeld-Deppendorf hat im Pressegespräch 90 Minuten zuvor offen und ausführlich über sich, seinen Familienbetrieb, das schreckliche Jahr 2023 sowie eine mögliche Zukunft gesprochen. Dabei wirkte er sehr nachdenklich und teils schwer getroffen von einer Situation, die er sich in seinen schlimmsten Träumen nicht hätte ausmalen können. Mit dem Öffnen der elektronischen Post richtet sich sein Körper jedoch auf, seine Wangen straffen sich und seine Mundwinkel formen ein Lächeln. Das erste in den zurückliegenden eineinhalb Stunden. Joachim Steffen liest die E-Mail von der Bezirksvertretung Dornberg laut vor. Sie endet dem Sinn nach mit den Sätzen: Die Verwaltung begrüßt seine Pläne und Ideen und fordert ihn auf, für sein Grundstück und die Ländereien einen Antrag auf Nutzungsänderung zu stellen. "Das ist wunderbar", reagiert Steffen: "Ich kann gute Nachrichten wirklich gebrauchen. Jetzt habe ich eine Perspektive und kann meine neue Zukunft entwickeln." Das sind große Worte - doch bei Joachim Steffen haben sie ihre Berechtigung. Der Züchter hat fürchterliche Zeiten hinter sich. Ein Schädling zerstörte alle seine Rosen, seine gesamte Existenzgrundlage. Der kalifornische Blütenthrips ist klein - Gewitterwürmchen ähnlich. Das gelblich-braune Mini-Insekt aus Nordamerika zog mit den neuen Setzlingen in Steffens Gewächshäuser ein und fraß sich erbarmungslos durch die mehr als 50 Rosen-Sorten. Beim Gang durch die Pflanzungen auf den rund 4.000 Quadratmetern stockt dem Besucher der Atem. Tausende Rosen sind kaputt, nur noch Abfall. Die Blüten lassen ihre Köpfe hängen, ihre charakteristische rote Farbe ist verblichen. Eine Versicherung für so einen Totalschaden gibt es nicht. Neues Geschäftsmodell steht auf drei Säulen "Es sieht jetzt zusätzlich schlimm aus, weil wir die Rosen nicht mehr bewässern", sagt Joachim Steffen. Mittlerweile habe er sich an den Anblick gewöhnt. Im Sommer, so räumt er ein, seien aber schon einige Tränen geflossen - besonders bei Vater Norbert, der vor mehr als 50 Jahren den Betrieb gegründet hat. Ist das jetzt das Ende von Steffen Rosen? "Auf gar keinen Fall", erwidert Joachim Steffen. Er gibt sich resilient: "Wir mussten in all den Jahren immer kämpfen. Mal war es eine neue Heizung, mal neue Technik, dann die Energiekrise - irgendwas war immer." Aber: "Wir haben stets alle Krisen und Herausforderungen gemeistert." Zum Thema: Profi liefert Chansongenuss Deshalb geht der 55-Jährige künftig nun andere Wege und erfindet sich kurzerhand noch einmal neu. Auf drei Beinen soll Steffen Rosen demnächst stehen. An erster Stelle bleibt das Rosen- und Blumen-Geschäft. Gezüchtet wird weniger, verkauft aber weiterhin. "Um es nochmal ganz deutlich zu sagen: Wir verkaufen weiter Blumen", betont Steffen: "Die Leute können gerne kommen." Zu diesem Zweck hat er seine Öffnungszeiten ausgeweitet. Das Geschäft ist während der Saison von April bis Oktober von 9 bis 17 Uhr geöffnet. Zusätzlich gibt es nun einen Selbstbedienungs-Kühlraum, in dem sich die Kunden ganzjährig und täglich mit Rosen und frischen Schnittblumen (z. B. Inka-Lilien oder Bartnelken) versorgen können. Bezahlt wird bar oder mit EC-Karte. Solidarische Landwirtschaft ab Januar 2024 Außerdem wird auf etwa 2.000 Quadratmetern ab Januar 2024 die Vielfaltsgärtnerei "Rosen&Fenchel" ihre Pforten öffnen. Inspiriert von den Prinzipien einer Solidarischen Landwirtschaft (SoLaWi) bietet das Konzept nicht nur frische Produkte, sondern auch Einblicke in die Arbeitsweise einer nachhaltigen Gärtnerei. Etwa 50 Teilhaber können ab sofort Anteile an dem Gemüsebau-Projekt erwerben, sie finanzieren mit ihrem Monatsbeitrag eine regionale und ökologische Gärtnerei und erhalten dafür, was gerade so wächst: zum Beispiel Auberginen, Zucchini oder Fenchel. Kopf hinter diesem Projekt ist Apu Ahrens (41) aus Bielefeld. Die gebürtige Hamburgerin arbeitet momentan in einer SoLaWi in Steinhagen. Sie hofft jetzt auf neue Interessenten aus Werther und dem Nordwesten Bielefelds. "Nicht nur Gemüsekulturen sind uns ein Anliegen, sondern auch kulturelle Veranstaltungen und Bildungsangebote sollen Platz finden in unserer Vielfaltsgärtnerei", sagt sie. Dritter Schwerpunkt in der neuen Zukunft von Steffen Rosen soll der "Kleingarten Rosenfleck" werden. Joachim Steffen stellt sich das wie folgt vor: "Zwischen Rosen, Wiesen, Feldern und Wald bieten wir Hobbygärtnern einen Platz auf unserem Land an, damit sie selbst Obst- und Gemüseanbau betreiben und gleichzeitig einen Rückzugsort aus dem Alltag gestalten können. Vielleicht mit einer kleinen Gartenlaube oder einem Tiny House. Die Leute können sich ein Stück Urlaub im Alltag holen." Steffen will dazu Parzellen verpachten. "Grünes Licht" für den "Kleingarten Rosenfleck" Für diesen letzten Punkt sprach er vor ein paar Tagen bei der Bezirksvertretung in Dornberg vor. Um den "Kleingarten Rosenfleck" ins Leben rufen zu dürfen, benötigt der Landwirt nämlich "Grünes Licht" von Politik und Verwaltung, weil hier momentan noch die Belange von landwirtschaftlichen Flächen sowie Bauland und/oder Gewerbeflächen kollidieren. Die E-Mail von der Bezirksvertretung bestärkt Joachim Steffen in der Hoffnung, dass er auf dem richtigen Weg ist. Auf dem Weg in eine ganz neue Zukunft. Weitere Informationen gibt es auf der Website von Steffen-Rosen.

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