Kein Kuchen im Advent: Bossert in Werther stellt Café-Betrieb zeitweise ein

Werther. 60 Sitzplätze gibt es im Café Bossert. Eigentlich. Seit Corona hat Familie Kröger die Sitzordnung etwas aufgelockert, so dass hier aktuell um die 45 Gäste Platz nehmen können. Das Angebot wird gut angenommen. Einkehren für ein schönes Stück Kuchen oder das wöchentliche Treffen mit guten Freunden. Oder bei traurigen Anlässen auch für ein Beerdigungskaffeetrinken. Doch ab dem 1. Advent ist damit zunächst einmal Schluss. Die Inhaber haben sich entschieden, die Reißleine zu ziehen. Nicht, weil sie es wollen. Sondern weil sie die enorm gestiegenen Energiekosten dazu zwingen. "Wir haben lange im Familienrat überlegt, was wir machen können", erzählt Juniorchef Patrik Kröger. Er gibt offen zu, dass niemandem die Entscheidung leicht gefallen ist. "Aber was bleibt uns für eine Wahl?" Die Bäckerei und das angeschlossene Café beziehen wie die allermeisten Haushalte in Werther Erdgas. "Aktuell sind die Preise fünfmal höher als vor dem Ukraine-Krieg", beklagt Patrik Kröger. Beim Strom sehe es nicht viel besser aus. "Es sind horrende Kosten. Und für uns gibt es keine Alternative." Der Backofen müsse laufen, acht bis zehn Stunden am Tag, von morgens um 4 bis mindestens mittags um 12 Uhr. Mindestens genauso energieintensiv ist die Reifekammer, der Raum, wo die Teige bei unter 10 Grad fast 24 Stunden lang gehen können. "Dieser Raum muss immer temperiert sein, auch am Wochenende", so Kröger. Ein Abstellen und damit Einsparen von Energiekosten sei also nicht möglich. Auch Rohstoffpreise steigen Als ob das nicht schon schlimm genug wäre, sind auch die Rohstoffpreise erheblich gestiegen. "Für Mehl zahlen wir aktuell das Doppelte, für Zucker ebenfalls, für Butter das eineinhalbfache", erläutert Kröger. Da ließe sich auch nicht sparen, denn man wolle den Kunden schließlich gute Produkte liefern. Wo also dann sparen, wenn die Kostensteigerungen nicht 1:1 auf die Preise für die Backwaren umgelegt werden sollen? Da haben Seniorchef Günther Kröger, seine Frau Ursula und Sohn Patrik nur eine Lösung gesehen: das Café. Denn es ist teuer, den rund 65 Quadratmeter großen Raum mit den beiden Fensterfronten zu heizen. Und zwar egal, ob an einem Tag viele Gäste kommen oder nur wenige. "Natürlich könnte man den Raum statt auf 22 Grad auf 19 oder 20 Grad herunterfahren. Aber dann ist es doch nicht gemütlich, hier zu sitzen", sagt Patrik Kröger. Und weil sich überhaupt nicht absehen lässt, wie weit sich die Preisspirale noch nach oben dreht, hätten er und seine Eltern beschlossen, das Café vorübergehend zu schließen. Die Sache hat noch einen zweiten Grund: Corona. "Wir wissen nicht, wie sich die Pandemie in diesem Winter entwickelt. Aber vermutlich werden die Zahlen wieder deutlich ansteigen." Patrik Kröger sagt ehrlich, dass er es sich nicht erlauben könne zu riskieren, dass sich seine Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter durch den Cafébetrieb anstecken und dann möglicherweise auch die Bäckerei lahmlegen. "Wir sind ein kleiner Betrieb und hatten in diesem Herbst schon einen Corona-Ausbruch. Das hat mir eigentlich gereicht." Adventsausstellung statt Café-Betrieb Ungenutzt bleibt der Raum allerdings nicht. "Stattdessen werden wir hier eine Adventsausstellung aufbauen", kündigt Patrik Kröger an. Bis Oktober sei es draußen so warm gewesen, dass niemand - auch er nicht - Lust auf Weihnachtsplätzchen wie Lebkuchen, Pfeffernüsse oder Spekulatius gehabt habe. Doch jetzt, wo das Wetter schmuddeliger werde, würden die Sachen gut nachgefragt. Dem will Familie Kröger unbedingt begegnen und sie im Café angemessen präsentieren. "In der Bäckerei war es dafür eigentlich immer zu eng." Und vielleicht, so seine Hoffnung, ließen sich darüber auch neue Kunden gewinnen. Lesen Sie auch: Schock über Aus von Wietes Wirtshaus: "Für uns ist das eine Katastrophe" "Natürlich ist uns klar, dass wir mit den Preisen niemals mit den Supermärkten oder Discountern mithalten können", sagt Patrik Kröger. Ein Brot oder eben zu dieser Jahreszeit eine Packung Spekulatius oder Pfefferkuchen habe ihren Preis, weil es echtes Handwerk ist. "Aber unsere Sachen stopft man vermutlich auch nicht in sich hinein, sondern isst sie mit Genuss." Seine Hoffnung ist, dass die Energiekrise bei vielen Bürgerinnen und Bürgern die Erkenntnis bringt, dass der verschwenderische Umgang mit Ressourcen so nicht weitergeht. "Wenn wir lernen, Dinge wieder bewusster zu genießen, hätte die Sache zumindest etwas Positives." Trotzdem sind Patrik Kröger und seine Eltern bemüht, nach Möglichkeiten Ausschau zu halten, wo sich Energie einsparen lässt. "Erstes Semester BWL: Kosten reduzieren, Preise anheben." Er muss selbst lachen. "Nein, im Ernst: Wir haben eine Brennwertheizung eingebaut und für den großen Backofen gerade erst neue Steine angeschafft." Sie sind die Unterlage für alles Backwerk und speichern die Hitze besser als die alten. "Und wir haben die Ofenbelegung noch einmal verbessert, um die Wärme optimaler auszunutzen und nichts zu verschenken." Das heißt, dass der Ofen auf 270 bis 280 Grad hochgefahren wird und zunächst die dunklen Brote gebacken werden. Danach folgen bei 240 Grad die Weizenbrote, bei 230 Grad die Brötchen, bei 190 bis 200 Grad Hörnchen und Rosinenbrötchen und bei 160, 170 Grad schließlich die Plätzchen. Mit der letzten Restwärme werden dann noch die Körner für den nächsten Tag in Wasser eingeweicht. Schließung zunächst bis Ende des Jahres Bei allen Erkenntnissen ist Patrik Kröger Realist und weiß, dass das Schlimmste vermutlich noch bevorsteht - wenn nämlich die ersten vollen Abrechnungen für Gas und Strom ins Haus flattern. "Denn Hand aufs Herz: Wer kontrolliert derzeit schon täglich seinen aktuellen Energieverbrauch?" Daher ist für ihn klar, dass an der Schließung des Cafébetriebs kein Weg vorbeigeht. Gelten soll dies zunächst bis Ende des Jahres. "Danach sehen wir weiter."

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