Wie ein Schweinestall in Versmold zum modernen Tiny House wird

Versmold. Die frühere Hofstelle in Hesselteich liegt ziemlich versteckt hinter hohen Bäumen und vielen Büschen. Vom Frankfurter Weg aus ist das Wohnhaus kaum zu sehen. Nur eine kleine Zufahrt, an der ein Briefkasten steht, deutet darauf hin, dass es hier zu einem Grundstück geht. Ein schmaler Weg aus Kopfsteinpflaster führt zwischen viel Grün zum Gebäude. Eine Klingel gibt es nicht, stattdessen einen Türklopfer. Wolfgang Beuge öffnet die Tür und nimmt mit ins große Wohnzimmer. Früher war hier ein Kuhstall. Dort, wo sich heute sein Büro befindet, stand ein Pferd. 1985 hat der Versmolder die Hofstelle gekauft und fast fünf Jahre lang umgebaut. Zum großzügigen Wohnhaus mit viel Platz für Kinder, Hund und all das, was das Familienleben mit sich bringt. Heute wohnt der 70-Jährige zusammen mit seinem erwachsenen Sohn in dem früheren Bauernhaus – aber nicht mehr lange. Sein Sohn zieht nach Osnabrück. &bdquo;Und ich ziehe in den Schweinestall“, sagt der Hesselteicher mit einem Schmunzeln. Tiny House in Versmold soll zeigen: Weniger ist mehr An seinem Computer sitzend öffnet Wolfgang Beuge Foto-Dateien, die dokumentieren, wie das einst landwirtschaftlich genutzte Gebäude in den vergangenen Jahren zu Wohnraum wurde. Der Umzug in das Tiny House, das bäuerlichen Charme und nachhaltiges Wohnen verbindet, steht bald an. Vorab gewährte Wolfgang Beuge mit dem Büro &bdquo;Spooren Architekten und Partner mbB“ aus Gütersloh jetzt allen Interessierten einen Einblick in sein Mini-Haus. Wohnen im Altkreis Halle: Versmolder Familie lebt ihren ungewöhnlichen Wohn-Traum Anlass war der Tag der Architektur. 156 Wohnhäuser, Quartiere, Gärten und Grünanlagen in 80 Städten und Gemeinden in ganz NRW standen am Wochenende 28./29. Juni unter dem Motto &bdquo;Vielfalt bauen!“ offen. Das Gütersloher Architekturbüro beteiligte sich unter anderem mit dem Umbau des Schweinestalls im Versmolder Ortsteil und wollte zeigen: &bdquo;Weniger ist mehr“. Die Besonderheiten: Reduktion der Wohnfläche, Verwendung des Bestands und Schaffung eines hocheffizienten Gebäudes. Die Planung hat 2020 begonnen, an die Umsetzung ging es ab 2022. Allein der Genehmigungsprozess zur Umnutzung des landwirtschaftlichen Gebäudes in Wohnraum hat sich über ein Jahr gezogen. Auch die Baustelle im Außenbereich bedeutete einige Herausforderungen. &bdquo;Ich habe großen Respekt vor dem Betonmischerfahrer“, erinnert sich Wolfgang Beuge an die Tücken bei der Erreichbarkeit des Grundstücks. Bald leben drei Generationen auf dem Hesselteicher Hof Möglichst viel der ursprünglichen Bausubstanz wurde beim Umbau erhalten: 120 Jahre alte Ziegel, Mauerwerk und Holzbalken. Errichtet wurde der Hof 1902, aus diesem Jahr stammt auch der Schweinestall als kleines Gebäude neben dem Haupthaus. Landwirtschaft wird auf der Hofstelle allerdings sehr lange nicht mehr betrieben. Schon als Wolfgang Beuge dort in den 1980er-Jahren einzieht, werden Kuh oder Schwein dort nicht mehr gehalten. Der frühere Stall dient der Familie über Jahrzehnte als Garage, Werkstatt und Abstellfläche. &bdquo;Es hat sich viel angesammelt“, sagt Wolfgang Beuge. Sechs Motorräder zum Beispiel, außerdem Teile des Kultautos Ente. &bdquo;Die wollte ich, wenn ich Rentner bin, zusammenbauen“, erzählt der 70-Jährige. Doch der Plan für den Schweinestall ändert sich, als seine Tochter vor einigen Jahren den Wunsch äußert, zusammen mit ihrer Familie in absehbarer Zeit aus dem großen Berlin wieder zurück aufs Land zu wollen. Spätestens zur Einschulung des ersten Kindes soll dies soweit sein. &bdquo;Die Idee hat eine Umzugskette in Gang gesetzt“, sagt Wolfgang Beuge, der sich freut, bald mit den beiden Enkeln auf dem Hof zu leben. &bdquo;Ein absoluter Glücksfall“, findet der Versmolder. &bdquo;Dicht beieinander, aber mit Abstand“, betont er. Beide Parteien unter einem Dach, das hätten alle nicht gewollt. Umzug ins Tiny House muss gut durchdacht werden Und so kommt es, dass Wolfgang Beuge das große Wohnhaus der jungen Familie überlässt – und selbst ins Tiny House zieht. Ein paar Meter weiter auf dem Grundstück, und doch ist es eine große Veränderung. Besser gesagt: eine deutliche Verkleinerung. 43 Quadratmeter statt 289. Die größte Herausforderung für Wolfgang Beuge: Er muss erst mal kräftig ausmisten. Über die Jahrzehnte hat sich im Wohnhaus einiges angesammelt. Bilder, Bücher, Dekoration, Klamotten, Mobiliar, viele Erinnerungsstücke – ein ganzes Familienleben eben. &bdquo;Man muss sich von lieb gewonnenen Sachen trennen“, sagt der 70-Jährige und gibt zu, dass ihm das schwerfalle. &bdquo;Viele Sachen haben eine Geschichte.“ Lesen Sie auch: Haller (20) ersteigert Haus in Versmold und will es selbst umbauen Nur drei Möbelstücke ziehen mit ins Tiny House, das aus einer Wohnküche, einem kleinen Schlafzimmer und einem Bad besteht. Dazu eine Empore, die etwas Staufläche bietet. Keinen Keller oder Dachboden, wie es viele Menschen gewohnt sind. Ein Anbau dient als Technik- und Abstellraum. Versmolder empfindet Ausmisten auch als Befreiung Platz für die Musikanlage zum Beispiel ist in der Wohnküche nicht. &bdquo;Weil die Boxen zu groß sind.“ Gleiches gilt für die vielen Bilder, die zurzeit an den Wänden hängen. Ob das TV-Gerät mit seinen Maßen mit kann – Wolfgang Beuge weiß es noch nicht. Vielleicht guckt er künftig am Tablet fern. &bdquo;Das geht ja auch.“ Über jeden Einrichtungsgegenstand, jedes Gerät, denkt er genau nach. Wie viele Töpfe und Teller braucht es wirklich? Was ist ihm im Alltag wichtig, was verzichtbar? Die Küchenzeile ist Hauswirtschaftsraum zugleich. Dort müssen Staubsauger, Vorräte und Waschmaschine untergebracht werden. Statt eines Backofens hat sich der Hesselteicher für eine Heißluftfritteuse entschieden. Sie ist kleiner, um ein weiteres Beispiel für minimalistisches Wohnen zu geben. Wichtig ist ihm, dass eine kleine Spülmaschine Platz hat. Den Wunsch nach einem Gasherd wiederum hat er nicht umgesetzt, die Gasflasche hätte zu viel Platz gekostet. Urlaub im Tiny House am See: Besondere Ferien-Anlage in Versmold Wolfgang Beuge ist froh, so sagt er, dass er für die vielen Entscheidungen lange Zeit hatte und sie im Umbauprozess immer wieder neu überlegen konnte. &bdquo;So konnte ich Fehler vermeiden.“ Durch den Umzug und die deutliche Verkleinerung sei er zum Aufräumen und Aussortieren gezwungen, was er sonst vermutlich nie in diesem Umfang gemacht hätte. &bdquo;Es ist auch eine Befreiung“, sagt er und freut sich – bei allem Abschiedsschmerz – auf den neuen Lebensabschnitt. Er möchte den Umzug nicht als Einschränkung, sondern als Veränderung sehen – und anderen Motivation sein, auch im Alter noch einmal den Mut zu Neuem zu haben. &bdquo;Ich möchte hier möglichst lange selbstbestimmt leben.“ Versmolder Tiny House im Schweinestall wird langsam wohnlich Nach und nach prüft Wolfgang Beuge sein neues Zuhause auf Alltagstauglichkeit. Um ein Gefühl zu bekommen, um langsam heimisch zu werden. &bdquo;Ich habe schon Kaffee gekocht und Wäsche gewaschen“, erzählt er. &bdquo;Einfach, um es mal auszuprobieren.“ Seinen 70. Geburtstag im vergangenen Sommer hat er als Baustellen-Party gefeiert, die gezeigt hat, dass doch einige Leute ins Mini-Haus passen, wenn man denn etwas zusammenrückt. Sieh dir diesen Beitrag auf Instagram an Ein Beitrag geteilt von Architektenkammer NRW (@architektenkammernrw) Das Sofa fehlt aktuell noch, der Esstisch ist nur eine Zwischenlösung. In etwa vier Wochen möchte Wolfgang Beuge einziehen, damit im Wohnhaus nebenan die Handwerker für den Umbau loslegen können. Nach und nach wird das Tiny House wohnlicher. Wolfgangs Beuges Name steht bereits auf einem Schild neben der Haustür – ein Geschenk seiner Tochter. Und daneben hängt ein weiteres Schild, das er von seiner vierjährigen Enkeltochter bekommen hat. Klar, wer hier wohnt: &bdquo;Opa“. Sicherlich werden die Kleinen, wenn sie aus Berlin nach Hesselteich gezogen sind, öfter dort klopfen und sich zusammen mit ihrem Großvater sauwohl im früheren Schweinestall fühlen. Aktuelle News bekommen Sie täglich über den WhatsApp-Kanal des HK

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