Abriss im Zentrum von Versmold: Ex-Hotelchef blickt auf besondere Jahre

Versmold. Karl-Heinz Feldmann ist sicherlich kein Mensch, den man als hadernd oder gar griesgrämig bezeichnen würde. Fröhlich begrüßt er den Gast in seinem schmucken kleinen Anbau, den er sich als Alterssitz hat bauen lassen. Im Haupthaus an der Wiesenstraße sollen die Enkel die Regie führen. Feldmann schenkt Kaffee ein, sprudelt vor Gesprächsfreude und erzählt von seinem abwechslungsreichen Leben. Und als die Sprache auf eines der intensivsten Kapitel kommt, da ist der 84-Jährige klar und ehrlich. &bdquo;Als ich vom Abriss gehört habe, da kam eine Menge Wehmut in mir hoch.“ Karl-Heinz Feldmann spricht vom schrittweisen Verschwinden des einst so renommierten Altstadthotels aus dem Stadtkern, vom Abriss eines Hauses, das schon seit 200 Jahren für große Gastfreundschaft stand - elf davon unter der Regie von Karl-Heinz Feldmann. Aktuelle News bekommen Sie täglich über den WhatsApp-Kanal des HK Mit so einem Ende der gastronomischen Geschichte dieses Familiensitzes hatte Feldmann 1983 wohl niemals gerechnet: &bdquo;Ich war doch froh, dass ich das Hotel an die Familie Nagel verkaufen konnte.“ Speditionsunternehmer Kurt Nagel hatte geplant, dass seine Tochter Anke den Betrieb - künftig als &bdquo;Altstadthotel“ - führen sollte. Für Karl-Heinz Feldmann war der Verkauf die einzige Chance, den Bestand seines Elternhauses und zugleich eines der traditionsreichsten Versmolder Gastronomiebetriebe zu retten. Nachdem seine Frau ihn 1978 verlassen hatte, musste Feldmann den Laden alleine schmeißen und noch drei Kinder erziehen. &bdquo;Ich ging spätnachts zu Bett und musste am frühen Morgen wieder aufstehen“, erinnert sich Feldmann und stellt dazu eine zeitgemäße Diagnose: &bdquo;Der Burnout stand vor der Tür.“ Einziger Ausweg in dieser Lage war der Verkauf - und zugleich hoffte der Hotelier und Küchenmeister, damit auch die Zukunft des Hauses gesichert zu haben. Geschichte der Traditionsadresse beginnt um 1736 Dass sein Herz daran hing, hatte Feldmann über viele Jahre und eigentlich vor dem eigenen Aufstieg zum Chef bewiesen. &bdquo;Nach Ausbildung und Bundeswehr habe ich 1966 schon einmal versucht, einzusteigen. Aber mit meinem Vater war es schwer.“ Ewald Feldmann wollte noch selbst bestimmen, wo es langging. Zu viel für den Sohn, der den elterlichen Betrieb 1967 wieder verließ und fünf Jahre ein Hotel in Bad Berleburg leitete. &bdquo;Ich war gerade als Koch viel unterwegs“ - darauf ist Feldmann heute noch stolz. 1972 waren es schließlich die Eltern, die ihren Sohn wieder zurückholen wollten - und ihn diesmal auch machen ließen. Es war der Start für die siebte Generation des Hauses Feldmann. Alles begann um 1736, als Johann Heinrich Feldmann aus Enger nach Versmold kam, &bdquo;Brüggemanns Stätte“ in Versmold übernahm und eine Landwirtschaft aufbaute - so hat es Karl-Heinz Feldmann aus einer Familienchronik zusammengetragen. In der vierten Generation erhielt das Haus seinen Charakter als Gastronomiebetrieb: Der gelernte Bäcker August Feldmann machte sich selbstständig und baute eine Bäckerei und Gastwirtschaft auf, schon 1883 richtete er fünf Fremdenzimmer ein: die Geburtsstunde des späteren Hotels Feldmann. Schauspieler Götz George war Gast in Versmold Karl-Heinz Feldmanns Eltern Anni und Ewald bildeten die sechste Generation und übernahmen das Hotel schon vor dem Ausbruch des Zweiten Weltkrieges. Sie bauten die Gaststätte endgültig zu einem Hotel aus. Und ihr Sohn hegte vor allem kulinarisch große Ambitionen - &bdquo;mit dem Restaurant machten wir den größten Umsatz“, erinnert sich Karl-Heinz Feldmann. Am Wochenende kamen die Versmolder Bürger und speisten, bis zu 90 Essen gingen da abends raus. &bdquo;Wir hatten 70 Plätze im Restaurant, auf der Diele und in der Gastwirtschaft.“ Hinzu kamen 21 Zimmer mit 26 Betten. Immerhin zehn Mitarbeitende hatte das Haus zu besten Zeiten. Gerne erinnert sich Karl-Heinz Feldmann an die bekannten Größen, die bei ihm erlesen speisten - wie etwa Schauspieler Götz George: &bdquo;Der wurde von den Frauen gefeiert - ein echter Pfiffikus. Aber bei uns ganz normal, ohne irgendwelche Allüren.“ Zu einer Olympiareiterin aus den USA, die im Hotel Feldmann logierte, hielt Feldmann noch Jahrzehnte Kontakt und besuchte sie später auf ihrem Gestüt in London. Klar war ihm allerdings schon damals: &bdquo;Der Familienbetrieb lebt vom Einsatz der Familie.“ Zudem steckte Feldmann 400.000 D-Mark in die Sanierung des Hauses. Das bedeutete Druck, aber die schöne Zeit möchte der Gastronom bis heute nicht missen. Er lehnt sich im Sessel zurück, lächelt, und sagt: &bdquo;Wenn meine Frau nicht gegangen wäre, hätte ich weitergemacht.“ Doch stattdessen war Feldmann aufgrund der vielfältigen Aufgaben irgendwann nur noch &bdquo;zerrissen“, wie er es beschreibt. Und bekennt: &bdquo;Die Entscheidung zum Verkauf hat mich befreit.“ Hotel-Abriss lässt Wehmut aufkommen Er wechselte nach dem Ende als Hotelchef in die Produktentwicklung, beriet später in verschiedenen Funktionen die Gastronomie: &bdquo;Ich bin bis zum Schluss immer bereit für Veränderungen gewesen - und auch das Verschwinden von Dingen hat mich noch nie sehr betrübt.“ Den Abriss des Altstadthotels verfolgte Feldmann auch neugierig - um festzustellen, dass dieser dann doch etwas mit ihm machte: &bdquo;Es wurde ganz viel in mir wach. Auch wenn ich heute weiß, dass es solche Hotels an Standorten wie Versmold mittlerweile schwer haben - die Endgültigkeit dieses Verschwindens lässt schon Wehmut aufkommen.“ Doch Karl-Heinz Feldmann bleibt ein fröhlicher Mann. Und bekräftigt darum schon im nächsten Satz: &bdquo;Ich habe die Dankbarkeit der Gäste immer als besonders erlebt.“ Und dieses Geschenk wird der Versmolder Gastronom immer bei sich behalten.

Meistgelesen

Inventar gestohlen: Überschuldete Pächter räumen Bielefelder Restaurant aus

Nach Abriss: Bäckerei-Ära in Versmold ist nun endgültig Geschichte

Innenstadt-Anwohner in Versmold beklagen heftige Erschütterungen

Zurück aus Rom: Gymnasiasten aus Versmold erleben eine besondere Reise