Nach 101 Jahren: Versmolder Traditionsbetrieb bekommt neuen Inhaber

Versmold. An der Berliner Straße 1 - mit Blick auf den Schweinebrunnen als Versmolds Wahrzeichen - wird ein neues Kapitel aufgeschlagen. Die Veränderung ist bereits sichtbar: Ein neues Firmenschild weist darauf hin: &bdquo;Weil in jedem Abschied auch ein Neuanfang steckt ...“, steht dort seit August, und darunter der neue Name: Aus dem Beerdigungsinstitut Husemann & Sohn wird &bdquo;Schwarz & Sohn“. Mehr noch: Nicht nur der 101 Jahre alte Familienbetrieb wird verkauft, sondern das ganze Areal in bester Innenstadt-Lage. Die Verträge sind zwar noch nicht abschließend unterzeichnet, doch der Notartermin steht, die Parteien sind sich einig und gehen nun vorab an die Öffentlichkeit. Denn die Gerüchteküche brodelt, so schildert es Noch-Inhaber Rolf Husemann. &bdquo;Neulich hat jemand angerufen und gefragt, ob wir noch arbeiten“, sagt er. Andere erzählen, dass er ganz aufhöre. Momentan spürt der erfahrene Bestatter eine gewisse Zurückhaltung, was er auf die bevorstehenden Veränderungen und die Unsicherheiten in der Bevölkerung zurückführt. Dabei bleibt vieles in gewohnter Weise bestehen. &bdquo;Im Grunde genommen ändert sich nichts, nur der Name“, sagt Maik Schwarz, der sich künftig innerhalb der Unternehmerfamilie Schwarz um den Bereich Bestattungen kümmert. Zusammen mit Rolf Husemann, der als leitender Angestellter weiterhin wichtiger Ansprechpartner für die Kunden ist. Das wird in den kommenden Jahren noch so bleiben, nach und nach wird der 71-Jährige kürzertreten. Seine langjährige Erfahrung gepaart mit frischen Ideen des neuen Eigentümers sollen den Traditionsbetrieb in die Zukunft führen. Eine Nachfolgeregelung innerhalb der Familie gab es nicht. Umso erleichterter ist Rolf Husemann, dass er mit seinem bisherigen Mieter eine Lösung gefunden hat. Neuer Inhaber richtete früher Luxus-Yachten ein Gründer Matthias Schwarz blickt auf einen spannenden beruflichen Werdegang. Der gebürtige Bielefelder wuchs in Werther auf und lernte Tischler. Als junger Erwachsener kam er beruflich viel herum. Unter anderem war er auf der Meyer-Werft im Schiffsinnenausbau tätig. Zu seinen Projekten zählten bekannte Großliner wie &bdquo;MS Europa“ und &bdquo;MS Astor“. Durch die internationalen Reedereikunden kümmerte er sich weltweit um Projekte. Matthias Schwarz erzählt von Privat-Yachten in Saudi Arabien und Penthouse-Wohnungen am Broadway. Irgendwann wurde der Tischler sesshaft und konnte - mit dem finanziellen Polster der bisherigen beruflichen Tätigkeit im Rücken - zwei Jahre lang Vollzeit die Meisterschule besuchen sowie den Betriebswirt des Handwerks nachlegen. Beruflich zog es den Familienvater schließlich nach Spenge zu einem namhaften Polstermöbel-Produzenten. Dort kreuzten sich irgendwann die Wege von Matthias Schwarz und Oliver Steiner. Nach der Insolvenz des Arbeitgebers machten sich beide selbstständig - unabhängig voneinander, aber räumlich zusammen. 2010 folgte der Umzug ins Versmolder Zentrum an die heutige Adresse. Oliver Steiner konzentriert sich seit zwei Jahren auf seinen Standort in Halle - Matthias Schwarz übernahm das Gebäude der Tischlerei an der Berliner Straße in Versmold komplett. Wobei der Begriff Tischlerei nicht mehr richtig passend ist, wie der Chef sagt. &bdquo;Eigentlich machen wir Altbausanierungen“, erklärt er. Der 61-Jährige verbindet dabei sein Know-how als Tischlermeister mit seinen Erfahrungen aus dem Innenausbau und aus der Möbelbranche und kümmert sich um das Gesamtpaket von der Entkernung bis zur Übergabe der schlüsselfertigen Immobilie. Matthias Schwarz koordiniert die Baustelle, übernimmt viele Tätigkeiten selbst und holt sich bei Bedarf Partnerbetriebe aus anderen Gewerken dazu. Einrichtungshaus in der Versmolder Innenstadt Wie das Ergebnis aussehen kann, zeigt der Unternehmer gerne an seinem persönlichen Musterhaus in Werther, der Wohnadresse der Familie. Einen Eindruck bekommen Interessenten aber auch in Versmold. 2022 ergab sich die Möglichkeit, das Ladenlokal am Marktplatz anzumieten, in dem zuvor das &bdquo;Haller Kreisblatt“ mit Geschäftsstelle und Redaktion vertreten war. Ursprüngliche Idee war es, dort die Vielfalt des Innenausbaus zu zeigen. Tischlermeister Schwarz wollte verschiedene Raum-Ideen präsentieren und Stücke, &bdquo;die nicht von der Stange sind“. Die Nachfrage der Kunden hat dazu geführt, dass mehr und mehr ein Einrichtungshaus entstanden ist, wo auch viele Dekorationsgegenstände aus Holz zu bekommen sind. Das Schaufenster, in dem viel Schönes zu sehen ist, tut der Innenstadt jedenfalls gut. &bdquo;Es hat sich so verselbstständigt“, schildert der 61-Jährige. Seine Ehefrau Jutta Schwarz kümmert sich um diesen Bereich des Familienbetriebes. Die klassische Tischlerei in der Werkstatt zum Parkplatz hin liegt federführend in den Händen eines angestellten Tischlermeisters. Wenngleich Matthias Schwarz schon viele Immobilien zum schicken Wohnen im höheren Preissegment umgebaut hat, sein Sohn Maik Schwarz betont: &bdquo;Es muss nicht alles exklusiv sein.“ Mehr Service rund um die Beerdigung Der 30-Jährige zeichnet für das neue Standbein, das Beerdigungsinstitut, verantwortlich. Der gelernte Holzmechaniker kam eher zufällig zu der Tätigkeit. &bdquo;Ich hätte nicht gedacht, einmal Bestatter zu werden“, sagt er. Vor zwei Jahren habe ihn Rolf Husemann erstmals gebeten, einmal zu helfen, quasi unter Nachbarn. Mit anzupacken bedeutete bei einem Bestatter eben nicht, einen Schrank anzuheben, sondern einen Toten umzubetten. Berührungsängste hatte Maik Schwarz nicht. Immer mal wieder half er Rolf Husemann. &bdquo;Es ist ein vielfältiger Beruf“, findet dieser. Die beiden sind mit der Zeit ein gutes Team geworden und können zu zweit mehr Service rund um die Trauerfeier anbieten, als einer alleine. Die Geschäftsräume hat Familie Schwarz bereits umgestaltet. Aus dem dunklen Flur ist ein heller, freundlicher Raum geworden. Hingucker ist das maßgefertigte Regal mit Beleuchtung, in dem verschiedene Urnen ausgestellt werden. Von dort geht es weiter in den Abschiedsraum, der mit viel Holz gestaltet wurde. Einiges hat sich bereits an der Traditionsadresse getan, weiterer Umbau ist geplant. Mit dem Verkauf des Unternehmens endet nach 101 Jahren zwar die Geschichte des Familienbetriebes Husemann. Gleichzeitig schließt sich ein Kreis. Denn einst war es eine kleine Tischlerei an der Mittelstraße, mit der Heinrich Husemann, Großvater des heutigen Inhabers, begonnen hatte. Damals war es üblich, dass Bestatter und Tischlereien Hand in Hand arbeiteten. 1962 erfolgte der Umzug an die Berliner Straße. Rolf Husemann lernte ebenfalls Tischlermeister, konzentrierte sich aber irgendwann auf Beerdigungen und vermietete die Tischlerei. Künftig ist alles wieder in einer Hand - in Händen der Familie Schwarz.

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