Wurst-Markt neu verteilt: So beurteilen Versmolder Betriebe ihre Zukunft

Versmold. Sinkende Nachfrage, Kampf um die Kostenkontrolle und zermürbende Verhandlungen mit den Handelskonzernen - die großen Spieler in der Fleisch- und Wurstwarenbranche stehen ohnehin schon gehörig unter Druck. In dieser Situation hat ein Bericht der &bdquo;Lebensmittelzeitung“ das Potenzial, die Nervosität zu erhöhen. Denn demnach könnte ausgerechnet einer der Handelsriesen die Lage weiter verschärfen. Was will Lidl? Das Branchenblatt berichtet von Plänen bei Lidl, einen Teil seiner Fleisch- und Wurstwaren aus den eigenen Fleischwerken der Konzernschwester Kaufland zu beziehen. Das hat Lidl laut &bdquo;Lebensmittelzeitung“ bestätigt. Kaufland habe entsprechend in Automatisierung investiert und könne nun mehr und günstiger produzieren. Damit wolle Lidl auf einem zunehmend umkämpften und unruhigen Markt Beschaffungsrisiken reduzieren. Das Fachblatt diagnostiziert, dass Lidl damit weitere Mengen aus dem ohnehin für die klassischen Hersteller schrumpfenden Markt abziehe - und dass vor allem der Versmolder Hersteller TFB davon betroffen sei. Liefere er doch 60 Prozent seines Volumens an den Handelsriesen. Es habe Streit um Konditionen gegeben, Lidl drohe mit erhöhtem Bezug bei Kaufland - TFB suche bereits Alternativen. Wo steht TFB? Für das mitten im Restrukturierungsprozess steckende Unternehmen, das bereits zwei Fabriken geschlossen hat, wären das allerdings schlechte Nachrichten. Auf Anfrage des &bdquo;Haller Kreisblatts“ teilt das Unternehmen in einer Stellungnahme zunächst einmal jedoch ganz allgemein mit, dass man bereits Anfang 2023 begonnen habe, &bdquo;die Produktionskapazitäten der Marktentwicklung anzupassen“. Wie berichtet hatte der neue TFB-Chef Georg Hürth angekündigt, die jährliche Tonnage von 121.000 auf 97.000 zu senken. &bdquo;Im Zuge der laufenden Transformation ist eine Anpassung unumgänglich, um das Unternehmen auf die notwendige Agilität auszurichten und die Grundlage zu schaffen, um die Wertschöpfung sowie Organisation mit maximaler Zukunftsorientierung weiterzuentwickeln“, heißt es im TFB-Statement. &bdquo;Die Transformationspläne verlaufen planmäßig und werden bis Ende 2026 fortgesetzt. Bisher wurden alle relevanten Ziele und Kennzahlen erreicht. Angesichts eines rückläufigen Marktes und zahlreicher struktureller Herausforderungen bleibt die Situation anspruchsvoll.“ Warum weist der Konzern den Bericht zurück? Die Berichterstattung der &bdquo;Lebensmittelzeitung“ sieht man beim zweitgrößten Fleisch- und Wurstwarenhersteller Deutschlands, der unter anderem in Loxten (früher als &bdquo;Reinert“) produziert, sehr kritisch. Sie beruhe lediglich auf &bdquo;Insider“-Behauptungen, und hier vor allem im Bereich Fleisch im SB-Bereich, den man gar nicht bediene. &bdquo;Das angeblich von Insidern behauptete strukturelle Umschwenken im Wurstbereich wurde gegenüber TFB eindeutig dementiert.“ Worauf setzt Stockmeyer? Beim zum Heristo-Konzern gehörenden Traditionshersteller Stockmeyer in Füchtorf an der Versmolder Ortsgrenze gibt man sich auf Anfrage des &bdquo;Haller Kreisblatts“ gelassen: &bdquo;Wir erwarten keine nennenswerten Auswirkungen auf unser Geschäft durch die Aktivitäten von Kaufland“, betont Geschäftsführer Guido Vienenkötter. Stockmeyer habe sich seit Jahrzehnten auf die Herstellung von Rohwurst wie Salami spezialisiert. &bdquo;Unsere Kernsortimente sehen wir von der aktuellen Entwicklung nicht betroffen. Vor diesem Hintergrund erwarten wir weder eine sinkende Auftragslage noch Auswirkungen auf die Arbeitsplätze.“ Die Stockmeyer-Absätze seien stabil und entwickelten sich erfreulich gut. &bdquo;Wir investieren am Standort Füchtorf kontinuierlich in die Zukunftsfähigkeit unseres Unternehmens.“ Wie sieht sich HN Produktion aufgestellt? Das einstige Versmolder Traditionsunternehmen Nölke wurde von der Tönnies-Tochter Zur Mühlen aufgekauft und firmiert seit einigen Jahren unter &bdquo;HN Produktion“. Auch an der Ziegeleistraße reagiert man mit Blick auf den wachsenden Einfluss der Kaufland-Werke gelassen: Mit &bdquo;qualitativ hochwertigen Produkten und starken Marken“ sehe man sich gut aufgestellt. Wie die gesamte Branche stehe natürlich auch die Zur-Mühlen-Gruppe vor großen Herausforderungen. &bdquo;Der starke Kostendruck im vergangenen Jahr war durch hohe Energiekosten und Personalkostensteigerungen geprägt. Wir haben uns jedoch im letzten Jahr durch umfangreiche Maßnahmen schlank gemacht und sind damit fit für die Zukunft aufgestellt“, berichtet Zur-Mühlen-Chef Axel Knau. Zentrale Erfolgskriterien seien dabei die Spezialisierung der eigenen Produktionsbetriebe, der Fokus auf Regionalität und die gleichbleibend hohe Qualität. &bdquo;Wir sind Marktführer in einigen Segmenten“, betont Knau selbstbewusst. Was erwarten die Zur-Mühlen-Verantwortlichen? Bei Zur Mühlen sehe man die aktuelle Situation nicht grundsätzlich als Krise, sondern vielmehr als Momentum, in dem sich jedes einzelne Unternehmen hinterfragen müsse, um sich für die Zukunft aufzustellen. &bdquo;Deutschland ist im In- und Ausland für seine gute Wurst bekannt und wird es auch in Zukunft sein. Hier wird wahrscheinlich die beste und nachhaltigste Landwirtschaft der Welt betrieben. Die Kleinstrukturiertheit der deutschen Höfe und die Familienbetriebe sind ein enormer Wettbewerbsvorteil“, so Knau, der allerdings auch Chef des Marktführers ist. Der wachse in einem sich konsolidierenden Markt. &bdquo;Daher sind wir immer auf der Suche nach Fachpersonal in allen Bereichen.“ Warum ist Wiltmann nicht alarmiert? In Unruhe versetzen die aktuellen Berichte auch Ingmar Ingold, Geschäftsführer des Peckeloher Traditionsbetriebes Wiltmann, nicht. &bdquo;Für den Wurstmarkt in Deutschland ist die vertikale Integration durch den Lebensmitteleinzelhandel nichts Neues. Schon heute sind die Fleischwerke des Handels die größten Produzenten von Fleisch- und Wurstwaren.“ Auch die Diversifikation in der Beschaffung sei schon lange gängige Praxis des Handels: &bdquo;Es ist grundsätzlich nicht gewünscht, dass Produkte oder gar ganze Produktgruppen ausschließlich von einem Lieferanten kommen. Das handhaben wir in unserem Einkauf nicht anders.“ Wo finden die Peckeloher in der aktuellen Lage etwas Positives? Ingmar Ingold dreht den Spieß sogar um: &bdquo;Um einseitige Abhängigkeiten zu verringern, aber auch um preislich und qualitativ wettbewerbsfähig zu bleiben, wird Lidl bei den betroffenen Produkten und Produktgruppen weiterhin auf mehrere Lieferanten setzen.“ Demnach würden keine Mengen aus dem Wurstmarkt abgezogen, sondern lediglich neu verteilt; &bdquo;dies wiederum nicht ein für alle Mal, sondern immer wieder aufs Neue“, so der Wiltmann-Geschäftsführer, der noch zu bedenken gibt: &bdquo;Die Kaufland-Fleischwerke dürften zum jetzigen Zeitpunkt auch nur begrenzt Kapazitäten frei haben. Die Aufschaltung als zusätzlicher Lieferant wird mithin nicht von jetzt auf gleich, sondern schrittweise erfolgen.“ Mit direkten Auswirkungen auf Wiltmann rechnet Ingold nicht; &bdquo;das hängt auch mit unserem Produktportfolio zusammen“. In welcher Lage steckt die Branche generell? Zur allgemeinen Lage der Fleisch- und Wurstwaren-Industrie gibt Ingmar Ingold auf HK-Anfrage eine Einschätzung ab: &bdquo;Die Branche leidet seit Langem unter Überkapazitäten, was die Weitergabe von Mehrkosten erschwert. Der Schritt von Lidl könnte ein erster Vorbote dafür sein, dass ein solches Überangebot nicht in Stein gemeißelt ist und der Handel seine Beschaffungsstruktur im Blick behalten muss.“ Zugleich wertet der Unternehmer den Schritt aber auch als klares Bekenntnis: &bdquo;Lidl glaubt an die Zukunft von Fleisch und Wurst, allen allzu pauschalen öffentlichen Unkenrufen zum Trotz. Zum einen soll die Versorgungssicherheit in diesen bedeutsamen Warengruppen gewährleistet werden. Zum anderen will man die Transformation der Warengruppen Fleisch und Wurst aktiv selbst gestalten, unter anderem hin zu einem größeren Anteil von Fleisch aus höheren Tierwohlstufen.“ Beides solle nicht zuletzt über direkte Verträge der Fleischwerke mit den deutschen Landwirten sichergestellt werden. &bdquo;Ich sehe also in der aktuellen Entwicklung auch manch Positives.“

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