Ärger um Vorzeigeprojekt: Mitarbeitende verklagen Versmolder Unternehmerin

Versmold Die Online-Präsenz des Loxtener Gesundheitskiosks mutet vielversprechend an. Sportlich gekleidete Menschen kommen dem Betrachtenden da auf einer grünen Wiese entgegengelaufen. Das Ganze flankiert vom Slogan &bdquo;Klara – miteinander – gesund – vor Ort". &bdquo;Einfach kommen" Der Gesundheitskiosk soll nicht nur digitale Angebote bündeln, sondern auch stationäre machen. Das Angebot basiere &bdquo;auf dem Walk-In-Prinzip ohne vorherige Anmeldung", heißt es auf der Website – &bdquo;einfach ohne Anmeldung kommen". Gründerin und Geschäftsführerin Michaela Wierzbinski erklärt: &bdquo;Kommunen haben auch die gesamtgesellschaftliche Aufgabe, die ländliche medizinische Versorgung zu stärken: mit Versorgung, Vorsorge und unterstützenden Aufgaben." Feierlich eingeweiht Mit diesem Ansatz wurde der ehemalige Loxtener Dorfladen zum Gesundheitskiosk umgebaut und im vergangenen Juni feierlich eingeweiht. Neben Michaela Wierzbinski und Uwe Borchers vom Projektpartner &bdquo;Zentrum für Innovation in der Gesundheitswirtschaft" (ZIG) aus Bielefeld waren damals auch der stellvertretende Landrat Thorsten Schmolke und Bürgermeister Michael Meyer-Hermann gekommen, um das rote Band zu durchtrennen. Ein Leuchtturmprojekt für die Region sollte hier seinen Anfang finden, gefördert mit Landesmitteln. Türen meist zu Doch waren die Türen des Kiosks in den vergangenen Monaten fast immer geschlossen. An der gläsernen Tür, die zumindest einen Blick in den Raum mit Empfangstheke und &bdquo;Klara"-Aufsteller ermöglicht, war ein Zettel angebracht. Wer Informationen wollte, konnte demnach eine 0800er-Nummer anrufen. Eigentlich sollten hier Gesundheitskurse stattfinden, immer Ansprechpartner vor Ort sein – ein lebendiges Dorfzentrum eben, in dem die Menschen irgendwann sogar Brötchen hätten kaufen können. Projektpartner schwärmt Der Projektpartner ZIG schwärmt auf seiner Website vom Klara-Team, zu dem &bdquo;unter anderem zwei Ökotrophologinnen und ein Fitnesstrainer gehören". Fragen und Wünsche der Bürger könnten &bdquo;ab sofort persönlich und direkt" gestellt werden, lässt sich Geschäftsführerin und Gründerin Michaela Wierzbinski im Artikel zitieren. Klagen laufen Doch hinter den Kulissen liegt die Unternehmerin gleich mit mehreren Mitarbeitenden im Clinch. Sowohl die Assistentin der Geschäftsführung als auch der Fitnesstrainer und die Ökotrophologinnen haben gekündigt, die Zusammenarbeit mit einer weiteren Honorarkraft ist ebenfalls beendet. Löhne blieben aus Der Grund ist in allen Fällen der gleiche: Die Mitarbeitenden warteten auf Geld, hatten teilweise für Monate keinen Lohn erhalten. Dem &bdquo;Haller Kreisblatt" liegen Unterlagen über Termine vor dem Arbeitsgericht Bielefeld vor. Demnach ist Wierzbinski in zwei Fällen dazu verurteilt worden, Löhne zu zahlen – hier belaufen sich die Gesamtforderungen auf mehr als 15.000 Euro. Zu den Terminen ist die Versmolder Unternehmerin nicht erschienen, weshalb das von ihr repräsentierte Unternehmen &bdquo;H1 Gesundheitskiosk gUG" jeweils Versäumnisurteile kassierte. Gegen eines hat sie Einspruch eingelegt. Urteile in Abwesenheit Auch in einem dritten Fall erschien Wierzbinski nach HK-Informationen nicht vor Gericht. Unterdessen hat der Anwalt eines Mitgliedes aus dem Mitarbeitenden-Team ein Zwangsvollstreckungsverfahren in Gang gesetzt und will unter anderem mögliche Bankguthaben pfänden lassen. Bei zwei anderen der vier betroffenen Mitarbeitenden habe man die Gehälter mittlerweile bezahlt, teilt Wierzbinski dem HK mit. Strafrechtliche Vorwürfe Ein ehemaliges Teammitglied hatte zudem recherchiert, ob für seine Tätigkeit Renten- und Sozialversicherungsbeiträge abgeführt wurden – und daraufhin Klage eingereicht. Am 10. Februar gab es vor dem Arbeitsgericht den Gütetermin: Es geht um fehlende Zahlungen von Lohnsteuern und Sozialversicherungsbeiträgen. Streitwert: mehr als 26.000 Euro. Keine Auskunft vor Gericht Diesmal nahm Michaela Wierzbinski den Termin wahr, ohne Rechtsbeistand. Richter Dr. Fabian Boensch wollte von der Versmolderin wissen, was sie zu den Vorwürfen sage. &bdquo;Ich möchte heute keine Auskünfte erteilen und auch keine Entscheidung herbeiführen", antwortete Wierzbinski. Sie habe &bdquo;vor einigen Tagen" einen Anwalt beauftragt. Richter spricht Klartext Der Richter erwähnte, dass in der Sache parallel auch ein Strafverfahren laufe und wandte sich dann direkt an die Beklagte: &bdquo;Es ist nicht ohne, Beiträge zur Renten- und Sozialversicherung nicht abzuführen. Meine Hoffnung ist, dass Sie jetzt einen Rechtsbeistand haben, der Ihnen sagt, wie die Lage aussieht." Es wird in der Sache nun also zum Kammertermin kommen. Bewegte Vita Michaela Wierzbinski hat als Unternehmerin eine bewegte Vita vorzuweisen. So war sie bis 2010 Geschäftsführerin der Pharma Vertrieb Versmold GmbH mit Sitz an der Schützenstraße in Versmold. Das Unternehmen wurde dann in &bdquo;PVN-Pharma-Vertrieb Nord" umbenannt und unter der Regie ihres Mannes Josef Wierzbinski nach Hamburg umgesiedelt – 2013 folgte die Insolvenz. Dichtes Netzwerk Die Liste der Unternehmen, für die Michaela Wierzbinski bis heute Verantwortung trug, ist lang: Geschäftsführerin der &bdquo;Nelsan GmbH & Co. KG – Drogerie und Sanitätshaus für zu Hause", Geschäftsführerin der &bdquo;Pro Medical Pharma Großhandels GmbH & Co. KG", Geschäftsführerin der &bdquo;Nelsan Beteiligungs GmbH & Co. KG", Geschäftsführerin der &bdquo;EWA Logistik GmbH & Co. KG", um nur einige zu nennen. Das Netzwerk ist mittlerweile so groß wie schwer durchschaubar. Weitere Unternehmen Heute führt Wierzbinski die &bdquo;H1 Gesundheitskiosk gUG", ebenso wie ein weiteres Unternehmen: &bdquo;Mariposa", das digitale Gesundheits- und Präventionszentrum. Hier bietet Michaela Wierzbinski, gemeinsam mit ihrem Partner Hans Dittrich aus der Reisebranche, laut Website digitale Sprechstunden, Präventionsangebote und &bdquo;besondere Reisen" an. Pläne mit Betriebskita Die Versmolderin war auch schon in anderen Sektoren aktiv. So wollte sie 2007 mit einem Träger eine Betriebskita eröffnen – die Pläne zerschlugen sich. 2016 unternahm sie einen neuen Anlauf – diesmal unter eigener Regie. Ein Investor sollte die Kita bauen, eine &bdquo;gemeinnützige GmbH" sie betreiben – wieder plante Wierzbinski Rückenwind aus der Wirtschaft. Doch sie erhielt den Zuschlag der Versmolder Politik nicht. Portal nicht aktiv Im Dezember 2020 ging Wierzbinski dann mit dem Portal &bdquo;Together Digital" online. Online-Kurse, Live-Streams, kreative Angebote – die Plattform sollte im ersten Pandemie-Winter gesellschaftliches Leben aufrechterhalten und zukunftsweisende Angebote auch im Gesundheitswesen machen. Betreiber der Website war schon damals der H1 Gesundheitskiosk, Projektpartner auch hier das ZIG. Mit Fördermitteln 15.000 Euro Förderung bekam Michaela Wierzbinski aus dem Landesprogramm &bdquo;Vital.NRW", die Mittel hatte der Verein LAG GT8 an Land gezogen, ein Zusammenschluss acht heimischer Kommunen. Dessen Vorsitzender ist übrigens Bürgermeister Michael Meyer-Hermann. Nach einigen Aktionen zum Anfang ist auf dem Portal seit etwa zwei Jahren kaum mehr etwas passiert. Ankündigungen von Michaela Wierzbinski, es im Zuge des Startes von &bdquo;Klara" wiederzubeleben, wurden bislang noch nicht umgesetzt. Nun soll es am 19. März um 15 Uhr eine Auftaktveranstaltung für die Gründung einer Ehrenamtsplattform geben. Ab 15 Uhr, &bdquo;bei Kaffee und Kuchen", verspricht die Website. Reinert nimmt Stellung Besitzer der Dorfkiosk-Immobilie und damit Vermieter von Michaela Wierzbinski ist der heimische Unternehmer Hans-Ewald Reinert. Er nahm auf Anfrage des &bdquo;Haller Kreisblatts" kurz Stellung zum Stand des Projektes: &bdquo;Ich beurteile das Konzept des Gesundheitskiosk im ehemaligen Loxtener Dorfladen grundsätzlich positiv. Es war die Grundlage für das Zustandekommen der Mietvereinbarung mit der Gesundheitskiosk gUG." Da zwischen den Vertragsparteien Vertraulichkeit vereinbart worden sei, könne er keine Auskünfte über Details der Vereinbarung geben. &bdquo;Als Vermieter wünsche ich aber natürlich Frau Wierzbinski Erfolg bei der Umsetzung ihres Konzeptes." Auftrag verloren Mit ihrer Marke &bdquo;bonovito" war Michaela Wierzbinski im betrieblichen Gesundheitsmanagement auch beim Unternehmen TFB engagiert, dessen Mitbesitzer Hans-Ewald Reinert ist. Diese Zusammenarbeit &bdquo;ist im vergangenen Jahr vorläufig ausgelaufen", lässt Reinert auf Anfrage mitteilen. Genauer gesagt geschah das im September, nur einen Monat, bevor Michaela Wierzbinski bei &bdquo;Klara" die Notbremse zog. Das sagt Detmold Was aber bedeutet all das für ein Projekt, das in nicht unerheblichem Maße mit öffentlichen Geldern gefördert wurde? Gemäß Zuwendungsbescheid fördere das Land das Projekt mit 176.000 Euro aus seiner Dorferneuerungsförderung, teilt die Bezirksregierung auf Anfrage des &bdquo;Haller Kreisblatts" mit. Das entspreche einem Anteil von 65 Prozent, die übrigen 35 Prozent – also 95.000 Euro der veranschlagten Gesamtsumme von 271.000 Euro – muss die Unternehmerin selbst aufbringen. &bdquo;Der Betrieb ist nicht Teil der Förderung. Es werden keine laufenden Kosten gefördert", heißt es aus Detmold. Mittel an Zweck gebunden Die Bezirksregierung habe im Sommer 2022 eine Begehung in Loxten gemacht und sich davon überzeugt, dass der Kiosk eingerichtet sei. Damit sei der Verwendungsnachweis erbracht. Allerdings müsse der Antragstellende &bdquo;den Zweck für einen gewissen Zeitraum aufrecht erhalten", heißt es in der Antwort weiter: für zwölf Jahre bei Bauten und baulichen Anlagen ab Fertigstellung. &bdquo;Sollte der Zweck nicht über die entsprechende Dauer aufrecht erhalten werden, würden Mittel anteilig zurückgefordert", teilt die Bezirksregierung mit. Fragen der Haftung Bedeutet im Klartext: Klara muss seine Arbeit dauerhaft nachweisen, sonst drohen Michaela Wierzbinski noch Rückforderungen der an sie gezahlten Gelder. Der H1 Gesundheitskiosk hat übrigens die Rechtsform einer gUG. Das bedeutet, dass er einen gemeinnützigen Zweck verfolgt – und dass die Haftung auf das Betriebsvermögen der Gesellschaft beschränkt ist. Es sei denn, die Geschäftsführerin hat sich im Rahmen ihrer Position strafbar gemacht oder ihre Pflichten missachtet.

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