Diese beiden wollen auf dem Wurstmarkt den Ton angeben

Versmold. Auf dem Produktionsgebäude in Loxten prangt nach wie vor gut sichtbar der bekannte Schriftzug: Reinert. In großen, roten Lettern geschrieben. Auf den Fahnen am Werkstor flattern dagegen längst zwei weitere Namen mit: Kemper und &bdquo;The Family Butchers". Aus Blau ist dort Rot geworden. Auf dem Schild unter den drei Fahnen stehen nicht mehr die Namen der H & E-Unternehmensgruppe, sondern jene, die zur TFB-Holding gehören. Die große Sommerwurst aber ist geblieben – jeder muss beim Gang aufs Werksgelände an ihr vorbei. Darauf ist man oben in der ersten Etage im Besprechungsraum nach wie vor stolz. Die Sommerwurst, eines der Flaggschiffe. Eine Marke, die ihren Platz in der Fleischtheke und im SB-Regal behauptet und die für das Selbstverständnis des Familienbetriebes steht – auch wenn das Umfeld immer schwieriger wird. Markt wird sichweiter konsolidieren Damals noch eine kleine Hofmetzgerei, heute Deutschlands zweitgrößter Hersteller von Fleisch- und Wurstwaren. Auf dem Kurs, den man 90 Jahre nach Gründung des Loxtener Fleischwarenbetriebes einschlägt, weht ein schärferer Wind: Druck vom Handel, Druck vom Verbraucher, Imageprobleme und nicht zuletzt die enorme Preisentwicklung. &bdquo;Es gibt keinen Kostenfaktor, der nicht gestiegen ist", sagt Roland Verdev, einer der neuen CEOs. Mit guten und verlustfreien Prozessen will man dem in der großen Unternehmensgruppe begegnen. Partner des Handels und zugleich Partner der Landwirte sein. &bdquo;Es gibt viele kleine Unternehmen, die aus unserer Sicht dauerhaft dem Markt mit seinen Anforderungen und Vorgaben nicht standhalten werden", gibt Thomas Winnemöller eine Einschätzung. Zusammen mit Roland Verdev steht er seit Sommer an der Spitze von &bdquo;The Family Butchers". In einem sich konsolidierenden Marktumfeld will TFB ein entscheidendes Wörtchen mitreden, wenn nicht gar den Ton angeben. Lange Tradition Im Herbst 2019 mischen die beiden Unternehmer Hans-Ewald Reinert und Dr. Wolfgang Kühnl mit ihren Fusionsplänen die Branche auf und machen der Konkurrenz, allen voran der mächtigen Zur-Mühlen-Gruppe um Clemens Tönnies, eine Ansage. Kurz darauf kommt grünes Licht von den Kartellbehörden. Zwei Familienunternehmer mit langer Tradition agieren fortan unter dem Dach der TFB-Holding. Der Zusammenschluss der Familienfleischer ist seit Sommer abgeschlossen. Er bedeutet personelle Veränderungen. Die geschäftsführenden Gesellschafter Reinert und Kühnl fokussieren sich auf die Weiterentwicklung und langfristige Planung der Unternehmensziele. Roland Verdev und Thomas Winnemöller übernehmen als Chief Executive Officers die Verantwortung. Beide sind 55 Jahre alt, beide kennen das Fleischerhandwerk von der Basis und beide haben zuvor in verantwortlicher Position in den jeweiligen Unternehmen gearbeitet. Integrationsprozess kommt gut voran Roland Verdev stammt aus Duisburg und lernt dort den Beruf des Fleischers. Schon in der Ausbildung merkt er, dass ihm der Bereich Vertrieb/Verkauf besonders liegt. &bdquo;Es hat mir Spaß gemacht, hinter der Ladentheke zu stehen", erinnert er sich. Später arbeitet er bei der Rewe Dortmund als Leiter Verkaufsberatung, bevor er 2008 ins Unternehmen Reinert wechselt und dort in verschiedenen Positionen Verantwortung übernimmt. Seit dem 1. Juli ist er als CEO für Vertrieb/Marketing/Zentrale Dienste und Finanzen zuständig. Technik/Produktion und Supply Chain Management fallen in den Zuständigkeitsbereich von Thomas Winnemöller. In seiner Heimat Osnabrück absolviert er eine Fleischerlehre, studiert Lebensmitteltechnologie in Lemgo und arbeitet nach seinem Diplom 1994 in Produktionsverantwortung in verschiedenen Betrieben. 2016 wechselt Winnemöller zum Nortruper Unternehmen Kemper. Nun der Aufstieg zum CEO. Lesen Sie auch: So wenig Fleischer wie noch nie: "Berufsstand muss wieder zu Ehren kommen" Mit diesen personellen Veränderungen schließt TFB den Integrations- und Verschmelzungsprozess nach der Fusion ab – etwas früher als geplant. Mit &bdquo;Route 2022" hatte das Unternehmen seinerzeit das Synergieprogramm überschrieben, dazu gehört die Spezialisierung der acht Werke. 2.400 Mitarbeiter arbeiten für TFB, die zuletzt einen Jahresumsatz von 733 Millionen Euro erwirtschafteten. Fürs laufende Jahr erwartet TFB &bdquo;leicht rückläufigen Umsatz bei steigendem Absatz". Anbau für zehn Millionen in Rumänien In den nächsten Jahren sollen gruppenweit jährlich jeweils zweistellige Millionenbeträge investiert werden, um Standorte weiterzuentwickeln; zudem ist am rumänischen Werk ein Anbau für zehn Millionen Euro geplant. Personell will TFB wachsen, wenngleich es im klassischen Fleischerhandwerk schwierig ist, Mitarbeitende zu finden. &bdquo;Fleischer ist ein ehrbarer Beruf", betont Roland Verdev dennoch. In Loxten sind 600 Kräfte beschäftigt. Rohschinken, Bärchenstreich und Salamispezialitäten werden an diesem Standort unter anderem produziert. Die Sommerwurst ist ihrer Heimat also treu geblieben – bei aller Veränderung. Die beiden neuen Geschäftsführer gehen davon aus, dass die bekannte Reinert-Salami auch in Zukunft eine wichtige Rolle spielen wird. &bdquo;Die Scheibe Wurst aufs Brot hat nach wie vor ihre Daseinsberechtigung", sagt Thomas Winnemöller. Die Fleisch- und Wurstwarenhersteller müssten dennoch auf sich ändernden Ernährungsgewohnheiten reagieren. TFB steckt &bdquo;viel Energie" in die Entwicklung von Produkten, die anderen Verzehr-Anlässen Rechnung tragen, etwa Snacks und Menükomponenten. Flexitarier im Fokus Dabei rückt auch der Flexitarier in den Fokus der Wurst-Experten. Also jene Menschen, die zwar nicht ganz auf Fleisch und/oder tierische Produkte verzichten möchten, ihren Konsum allerdings einschränken und nur bestimmte Qualitäten essen. &bdquo;Diese Gruppe wächst stetig", so Winnemöller. TFB wolle dazu beitragen, diesen Markt zu bedienen. Vegetarier und Veganer nimmt das Unternehmen ebenso ins Visier. Dafür wurde eigens die Sparte &bdquo;Plantly" gegründet. Für Hans-Ewald Reinert ist es der zweite Anlauf, Wurst ohne Fleisch auf den Markt zu bringen. 2015 stieg der Unternehmer bei &bdquo;Like Meat" ein – ein gutes Jahr später wieder aus. Man wolle sich auf die Kernkompetenzen konzentrieren, hieß es damals. Nun heißt die Marschroute, sich breiter aufzustellen. &bdquo;Wir müssen uns mehr diversifizieren", geben die neuen CEOs aus. Lesen Sie auch: Die Bratwurst dieser 17-Jährigen begeistert sogar TV-Koch Ralf Zacherl Fleisch sei nach wie vor ein hochwertiges Nahrungsmittel. Aber: &bdquo;Wenn der Preis für Aufschnitt manchmal nur noch im Centbereich liegt, ist unsere Ware gefühlt nichts mehr wert. Große Mengen für kleine Preise: Wurst und Schinken sind immer noch gefragt, werden aber zu selten hinterfragt", schreibt TFB in einer Unternehmensbroschüre. Der massenhafte Konsum habe zu wachsender Gleichgültigkeit dem Produkt gegenüber geführt. TFB nennt es &bdquo;Wurst-Dilemma". Das Unternehmen will zurück zu mehr Wertschöpfung und Achtung für das Produkt – und dabei alle Konsumenten in den Blick nehmen, unabhängig vom Geldbeutel. &bdquo;Tierwohl gibt es nicht zum Nulltarif" Mit den Produkten der Linie &bdquo;Herzenssache" setzt TFB den Schwerpunkt auf die Themen Tierwohl und gesunde Ernährung. Das Fleisch kommt von Schweinen, die antibiotikafrei aufgezogen werden und bessere Haltungsbedingungen vorfinden. &bdquo;Das Thema Tierwohl ist nicht von uns erfunden worden, aber wir sind stolz, dass wir mit Impulsgeber sind", sagt Roland Verdev. Das Unternehmen habe ein großes Interesse daran, den Ansprüchen der Landwirtschaft gerecht zu werden. &bdquo;Immer unter der Prämisse der Wirtschaftlichkeit", betont Verdev. Landwirte bräuchten Planungssicherheit, um in mehr Tierwohl zu investieren. &bdquo;Der Rahmen muss von der Politik geschaffen werden." Die Produkte von Herzenssache erfüllen die Kriterien von Haltungsform 4. Der Absatz stagnierte zuletzt. Letztlich entscheide der Verbraucher, wie sich die Marke entwickelt. &bdquo;Mehr Tierwohl gibt es nicht zum Nulltarif", sagt Winnemöller.

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