Versmold. In allen Lebensbereichen sollen die Kontakte minimiert werden, um das Infektionsgeschehen weiter zu senken. Zuletzt rückte dabei die Arbeitswelt verstärkt in den Fokus. Zunächst befristet bis zum 15. März gelten deshalb nun neben den bisherigen Arbeitsschutz- und Hygieneregeln weitere Vorgaben. Vom zuständigen Bundesministerium heißt es zu Tätigkeiten, die grundsätzlich in Heimarbeit zu leisten sind: „Arbeitgeber sind verpflichtet, Homeoffice anzubieten. Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer sollten das Angebot annehmen, soweit sie können."
Berlin regelt in seiner aktuellen Corona-Arbeitsschutzverordnung zudem, dass bei gemeinsamer Nutzung von Räumen pro Person zehn Quadratmeter zur Verfügung stehen müssen. Feste Arbeitsgruppen sowie das Tragen von medizinischen Gesichtsmasken sind ebenso vorgeschrieben. Das HK hat sich bei Versmolder Betrieben umgehört, wie sich der Arbeitsalltag geändert hat und wo es möglicherweise hakt.
Kolbe-Coloco
Mit etwa 175 Mitarbeitenden zählt die Spezialdruckerei Kolbo-Coloco zu den größeren Arbeitgebern in Versmold. 45 Büroarbeitsplätze kommen nach Angaben von Geschäftsführer Stefan Klinksiek grundsätzlich für Homeoffice in Frage. Der Großteil der Belegschaft ist bei der Ausführung seiner Tätigkeit an den Betrieb im Industriegelände gebunden. „Einen Drucker kann ich nicht ins Homeoffice schicken." Und beispielsweise auch bei einem Teamleiter einer technischen Abteilung, dessen Arbeitsplatz in erster Linie am Schreibtisch ist, sei Arbeit Zuhause durch die Nähe zum Fertigungsprozess nicht so einfach umzusetzen.
Kolbe-Coloco hat sich dennoch schon im Laufe des vergangenen Jahres auf den Weg gemacht, um die Homeoffice-Quote zu erhöhen. „Dort, wo es möglich ist, investieren wir in mobile Arbeitsplätze", sagt Stefan Klinksiek. So können 15 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter ihren Laptop samt Dockingstation bei Bedarf entweder im Büro oder Zuhause nutzen. Allein 27.000 Euro hat Kolbe an der Stelle investiert.
Einige der frei gewordenen stationären PCs wurde derart umgerüstet, dass sie mit WLAN-Stick oder Karte zu Hause ebenso nutzbar sind. Inzwischen sind bei mehr als der Hälfte der homeofficetauglichen Arbeitsplätze die Voraussetzungen geschaffen, was nicht heißt, dass jeden Tag 25 Mitarbeiter ausschließlich zu Hause aus arbeiten. Bei Kolbe erfolgt dies rollierend je nach Bedarf, Bereitschaft und Möglichkeit der Kolleginnen und Kollegen. „Wir haben zum Beispiel Mitarbeiter, die wohnen in Regionen mit schlechter Internetverbindung", nennt der Geschäftsführer eine Hürde von Homeoffice.
Friedrich Wenner
Ein Großteil der Arbeitsplätze beim Vollpappen-Verarbeitungswerk Wenner sind in der Fertigung und Verarbeitung, nur 15 Prozent im Kaufmännischen. Homeoffice ist dort theoretisch schon seit längerem möglich. „Jeder, der es eingerichtet haben wollte, hat es bekommen – schon vor Corona", sagt Geschäftsführer Stephan Potthoff-Wenner. Der Bedarf ist allerdings überschaubar und so kommen nach wie vor die meisten Mitarbeiter ins Büro. Nach den Neuregelungen aus Berlin habe er extra noch einmal eine Abfrage gemacht. Die Meinung des Wenner-Personals: „Wenn es eben möglich ist, bitte kein Homeoffice", schildert der Chef.
Und hat dafür Verständnis. „Die hohe Zufriedenheit unserer Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter ist uns wichtig", sagt Potthoff-Wenner. Für viele Arbeitnehmer seien der Alltag im Betrieb und das kollegiale Miteinander wichtig. Anstatt die Bürokräfte ins Homeoffice zu schicken, setzt die Friedrich Wenner GmbH auf das Hygienekonzept, zu dem inzwischen auch regelmäßige Schnelltests und FFP2-Masken gehören.
Um Kontakte zu reduzieren und Abstände besser einhalten zu können, wurden Arbeitsabläufe in anderen Abteilungen angepasst. Bei Wenner wird momentan generell im Zwei-Schicht-Betrieb gearbeitet; auf Leiharbeiter verzichtet man im Industriegelände. Stephan Potthoff-Wenner formuliert das oberste Ziel: „Der Betrieb muss am Laufen bleiben."
SO Handel
Großen Bedarf der Belegschaft nach Homeoffice hat man auch bei der SO Handelsgesellschaft an der Speckstraße nicht ausmachen können. Dort, wo umsetzbar und gewünscht, mache man es möglich, sagt Vertriebschef Carsten Schlink. Allerdings sei dies nur für eine begrenzte Anzahl der 100 Arbeitsplätze überhaupt eine Option und auch nicht jeder Bürojob sei problemlos von Zuhause zu erledigen. „Der Vertriebler muss ins Lager laufen und der Einkauf arbeitet eng mit der Wareneingangsprüfung zusammen", nennt Schlink Beispiele.
Das Unternehmen setzt deshalb auf Maskenpflicht und Hygienekonzept. Seit Jahresbeginn bietet SO der Belegschaft alle 14 Tage zudem Schnelltests an. „Jeder nimmt das Angebot wahr. Das zeigt die Verantwortung des Einzelnen seinen Kolleginnen und Kollegen gegenüber."
Nagel-Group
Bereits im vergangenen Jahr hat die Nagel-Group ihren kaufmännischen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern die Möglichkeiten für das mobile Arbeiten von zu Hause erweitert – und dafür notwendiges technisches Equipment beschafft. Der Anteil an Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern, die diese Möglichkeit wahrnehmen, sei enorm angestiegen, heißt es von Pressesprecher Julian Mester. „Dort, wo die betriebliche Notwendigkeit für eine Anwesenheit erforderlich ist, wird eine rotierende Anwesenheit organisiert."
Der Gesundheitsschutz der eigenen Mitarbeiter und die Lebensmittelversorgung der Bevölkerung seien für das Unternehmen die „wichtigsten Leitmotive in der Corona-Pandemie". Dies gelinge durch ein umfangreiches Präventionskonzept mit Abstandsregeln, konsequenter Maskenpflicht und das Angebot von Schnelltests. „Wir setzen zudem rund 300 interne Corona-Scouts ein, um unsere Maßnahmen in unseren Standorten regelmäßig zu überprüfen und weiter zu verbessern", teilt Julian Mester mit.
TFB – Reinert
In der Fleischwarenbranche arbeitet man seit der Tönnies-Krise im Sommer unter besonderer Beobachtung und verschärften Hygiene-Bedingungen. Die neuen Vorgaben aus Berlin sieht man bei The Family Butcher (Reinert) deshalb gelassen. Die geforderten Schutzvorkehrungen seien ohnehin Standard. „Homeoffice wird schon lange praktiziert", sagt Sprecher Uwe Kohrs mit Blick auf Bürotätigkeiten. Die Quote liegt demnach bei 50 Prozent, umgesetzt im flexiblen System. Dadurch konnten Einzelarbeitsplätze geschaffen werden. Wo dies nicht möglich ist, sorgen Plexiglaswände für Schutz.
Insgesamt ist es Bestreben, eine Infektion der Mitarbeitenden zu verhindern. Wöchentlich kann sich das Personal aus der Verwaltung, zwei Mal wöchentlich die Kräfte aus der Produktion testen lassen. Etwa 20.000 Euro lässt sich die TFB-Gruppe das pro Woche an allen ihren Standorten kosten. Das Risiko soll so gering wie möglich gehalten werden. „Wenn die Produktion still stehen würde, wäre das teurer."
Stadt Versmold
150 Mitarbeitenden hat die Stadt insgesamt, circa 100 in Verwaltungsarbeitsplätzen. „Davon kommt für viele leider keine Heimarbeit in Betracht, da diese beispielsweise in Schulen, der Stadtbibliothek, im Bürgerbüro mit direktem Kundenkontakt, Standesamt oder im Ordnungsamt tätig sind", teilt Fachbereichsleiter Carsten Wehmöller mit. Von den dann verbleibenden etwa 70 Personen nutzen aktuell bis zu 30 komplett oder zeitweise die Möglichkeiten, von zu Hause aus zu arbeiten. Dafür musste die Stadt in Laptops und VPN-Zugänge investieren. Unabhängig von der Corona-Zeit: „Das Angebot von Arbeiten im Homeoffice nimmt auch schon aufgrund der Einstellung als familienfreundlicher Arbeitgeber für uns einen hohen Stellenwert ein."
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