Nur die Queen war länger im Job: Versmolder nach 67 Jahren im Ruhestand

Versmold. Die Superlative für Friedrich Stockkamp könnten gar nicht größer sein. Ihn, den alle nur liebevoll &bdquo;Fritken“ nennen, als Urgestein zu bezeichnen, ist fast noch zu tief gegriffen. Der 85-Jährige ist der Inbegriff für Konstanz beim Vollpappen-Hersteller Wenner im Versmolder Industriegelände. Nach 67 Jahren im Betrieb macht Stockkamp Schluss - mit reichlich Tränen. Reden, das ist nicht so seins. &bdquo;Früher war viel mehr Handarbeit. Das würde doch heute keiner mehr machen“, sagt Stockkamp. Es sind wenige Worte, die er an diesem Vormittag spricht. &bdquo;Fritken“ ist einer, der anpackt, der Ordnung liebt und der wie kein Zweiter mit dem Familienbetrieb im Industriegelände verwoben ist. Jeder der Kollegen beim Traditionsbetrieb hat seine eigene Geschichte mit dem Senior. Sie alle unterbrechen ihre Arbeit, um ein Spalier zu stellen. Friedrich Stockkamp geht gerne durch. Nicht nach draußen, sondern an die gedeckte Kaffeetafel. Wenner-Geschäftsführer Enrico Corallo lädt ihn ein. &bdquo;Du darfst immer wieder auf einen Kaffee hierherkommen.“ Versmolder hat berührende Geschichte Corallo ist es auch, der als Erster das Wort ergreift. Das Reden übernehmen an seinem letzten Arbeitstag andere für Friedrich Stockkamp. &bdquo;Was war das für eine Zeit, als du hier angefangen bist?“, fragt der Geschäftsführer - und liefert die Antwort selbst: &bdquo;Deutschland war nach dem Wunder von Bern Fußball-Weltmeister und Konrad Adenauer Bundeskanzler.“ Es war der 14. Juni 1957 als der damals 17-jährige Friedrich Stockkamp beim Vollpappen-Spezialisten anheuerte. Lange Bewerbungsphasen gab es damals nicht. Firmengründer Friedrich Wenner bot ihm eine Stelle an und Stockkamp kam - um zu bleiben. Corallo rechnet vor: Seitdem hat Friedrich Stockkamp 17.557 Arbeitstage absolviert. &bdquo;Ich habe Chat-GPT gefragt, ob je ein Mensch mehr Arbeitstage geleistet hat. Als Antwort kam nur Queen Elisabeth.“ Die britische Monarchin hatte bis zu ihrem Tod 18.417 Tage. Wenner prüft derzeit, ob die Verdienste des betagten Versmolders im Guinnessbuch der Rekorde eingetragen werden können. Wirklich rekordverdächtig findet der langjährige Geschäftsführer Stephan Potthoff-Wenner die Leistung des Neu-Rentners - nicht nur im beruflichen Sinne. &bdquo;Du bist dem Tod mehrfach von der Schippe gesprungen“, würdigt Potthoff-Wenner und erinnert sich an das Jahr 1996. &bdquo;Da hat es ihn zerrissen.“ Der Grund: Alkohol. Tränen fließen beim Abschied An einem Arbeitstag lag Friedrich Stockkamp plötzlich auf dem Boden im Betrieb. Er musste ins Krankenhaus, seine Sucht schien ihn zu diesem Zeitpunkt eigentlich völlig niedergestreckt zu haben. Die Ärzte hatten Stockkamp schon aufgegeben - er sich selbst aber nicht. &bdquo;Das ist der Beleg dafür, dass man alles schaffen kann, wenn man es vom Kopf her will“, würdigt Potthoff-Wenner. Der Versmolder machte eine Entziehungskur und schaffte den Absprung. Er engagiert sich seit seiner Erfahrung bei den &bdquo;Blaukreuzlern“, um auch anderen Mut zu machen und aufzuklären. &bdquo;Deine Lebenskraft ist wirklich bewegend“, sagt Potthoff-Wenner. Aber die Kräfte schwinden nun doch so langsam. Die tägliche Arbeit fällt dem 85-Jährigen immer schwerer. &bdquo;Jetzt mache ich erst einmal gar nichts“, sagt er und vergießt dabei eine Träne. Der Abschied fällt ihm sichtlich schwer. &bdquo;Ich hänge an der Firma, als wäre es meine eigene“, hat Stockkamp zu seinem 50-jährigen Jubiläum gesagt. Das war im Juni 2007. Daran hat sich auch viele Jahre später nichts geändert. &bdquo;Eigentlich können wir uns den Betrieb ohne dich auch gar nicht vorstellen“, sagt Enrico Corallo und bekräftigt noch einmal seine Einladung an &bdquo;Fritken“. Der wird Friedrich Stockkamp sicherlich nachkommen - auch wenn er nun nicht mehr jeden Tag bei &bdquo;seinem“ Betrieb sein muss.

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