Schmerzhafter Umbruch: Versmolder Druckerei Kolbe muss Krise bewältigen

Versmold. Eines wird bei diesem Gespräch im Versmolder Industriegelände, wo die traditionsreiche Druckerei Kolbe Coloco ihren Sitz hat, schnell deutlich: Es ist kein Platz für Schönfärberei. Geschäftsführer Stefan Klinksiek und sein neuer Produktionsleiter Matthias Gerloff haben sich für Klartext entschieden. Zu viel ist in den vergangenen Monaten passiert, zu viele schmerzhafte Entscheidungen haben das Unternehmen erschüttert. Kolbe verliert bei Werbemitteln Die Krise, in der Kolbe Coloco steckt, lässt sich an so vielen Zahlen belegen. &bdquo;Wir haben seit dem Ausbruch der Corona-Pandemie bis 2023 allein im Werbemittel-Bereich 2,7 Millionen Euro jährlichen Umsatz verloren“, sagt Klinksiek. &bdquo;Viele Rahmenverträge, die wir mit Kunden hatten, waren hinfällig. Heute haben sich zahlreiche Unternehmen anders orientiert und agieren gerade in der konjunkturellen Krise mittlerweile sehr vorsichtig.“ Versmolder bei Nachhaltigkeit gefordert Kolbe ist traditionell im Bereich der sogenannten Bogenprodukte sehr stark: Dabei werden einzelne Bögen des gewünschten Mediums ein- oder zweiseitig bedruckt. Ideal für individuelle Anforderungen, spezielle hochwertige Produkte gerade im Werbemittelbereich. Doch zum einen schlägt gerade in diesem Segment die Kundenzurückhaltung durch, zum anderen werden die Produkte für den &bdquo;Point of Sale“ oft auf Kunststoff gedruckt. Strengere gesetzliche Vorgaben &bdquo;Da erwarten die Verbraucher und damit auch unsere Kunden mittlerweile nachhaltige Lösungen“, so Klinksiek. Recycling mit den Anforderungen an das Produkt und zugleich der Wirtschaftlichkeit zu verbinden sei allerdings extrem komplex und binde viele Ressourcen. &bdquo;Zumal wir uns auch mit zunehmend strengeren gesetzlichen Vorgaben etwa bei den Rohstoffen von Farben auseinandersetzen müssen“, erklärt der Geschäftsführer. Druckindustrie leidet weiter Kolbe ist in der Krise nicht allein, wie die aktuellsten Zahlen des Bundesverbandes Druck und Medien (bvdm) aus Juli 2024 dokumentieren. Der Umsatz von Betrieben mit mehr als 50 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern sei 2023 um durchschnittlich 4,1 Prozent rückläufig - und das nach einem Minus von 7,2 Prozent 2022. Viele Betriebe blieben in der Krise auf der Strecke - ihre Zahl sank 2023 um 4,5 Prozent auf 6.545. Kolbe mit zu geringer Auslastung Wie ernst die Lage auch bei Kolbe ist, skizziert Stefan Klinksiek: &bdquo;Wir hatten bereits vor Corona Überkapazitäten in der Verwaltung im Bereich Bogenprodukte. Mit der Kurzarbeit im Zuge der Pandemie konnten wir die Personalsituation allerdings stabil halten.“ Auch ein Großauftrag mit viel Handarbeit, bei dem Teams aus den Büros unterstützten, sicherte die Auslastung nach Aussage des Geschäftsführers zumindest etwas ab. Aber im Anschluss sei die Krise durchgeschlagen. &bdquo;Wir haben seit 2017 einen Rückgang der Verwaltungstätigkeit um rund 40 Prozent - das bedeutet rein rechnerisch eine Überkapazität von 20 Mitarbeitenden.“ Harter Schnitt mit Stellenabbau Die Verantwortlichen entschieden sich für einen harten Schnitt mit dem Ziel, 14 Arbeitsplätze in der Verwaltung einzusparen. &bdquo;Das haben wir in einer Mitarbeiterversammlung im Sommer kommuniziert. Wir wollten die Bereitschaft zum Wechsel in den Produktionsbereich ausloten - gerade bei Mitarbeitenden, die früher dort gearbeitet haben und dann ins Büro gewechselt sind. Und andernfalls über Aufhebungsverträge sprechen“, so Klinksiek. &bdquo;Das hat natürlich für Unruhe im Unternehmen gesorgt“, bekennt der 53-Jährige. Einkauf beim Mutterunternehmen zentralisiert Was wiederum auch zu Eigenkündigungen von Mitarbeitenden führte - &bdquo;sodass wir unter dem Strich 16 Arbeitsplätze in der Verwaltung weniger haben“. 150 Menschen sind aktuell bei Kolbe Coloco beschäftigt - vor wenigen Jahren waren es noch 200. Der Einkauf wurde mittlerweile beim Norderstedter Mutterunternehmen Persiehl zentralisiert. &bdquo;Ansonsten agieren wir weiterhin relativ selbstständig“, so der Geschäftsführer. Geschäftsführer über &bdquo;schmerzhafte“ Entscheidung Klinksiek selbst ist seit 1993 im Unternehmen. &bdquo;Natürlich waren diese Entscheidungen schmerzhaft für mich“, gibt er offen zu. Zumal der Wechsel von Mitarbeitenden in die Produktion nicht funktionierte und die vermehrten Kündigungen jetzt auch im kaufmännischen Bereich wieder ein Loch reißen. So steht Kolbe Coloco vor der paradoxen Situation, direkt nach einem Abbau der Belegschaft wieder Mitarbeitende zu suchen: für den Druck ohnehin, aber womöglich auch für die Verwaltung. Neue Produktionsleiter mit klarer Analyse Vor diesem Hintergrund wird klar, dass Matthias Gerloff eine große Herausforderung angenommen hat. Der 50-jährige Versmolder kehrt in verantwortlicher Position zu seinem Heimatunternehmen zurück. 1990 begann er als Lehrling im Siebdruck bei Kolbe, wechselte nach der Bundeswehr in die Rollenabteilung und machte seinen Meister. 2013 nahm Gerloff eine Herausforderung als Produktionsleiter bei TOM Systemdruck in Greven an, erlebte dort eine Insolvenz und den wiederholten Verkauf des Unternehmens mit - ehe Ende des vergangenen Jahres die Kontakte zu Kolbe wieder intensiver wurden. Der verheiratete Vater von zwei Kindern ist in seiner Analyse sehr klar: &bdquo;Wir haben hier viele Baustellen und es herrscht zum Teil auch Unzufriedenheit aufgrund der neuen Strukturen.“ Zahl der Aufträge steigt wieder Zugleich stehe Kolbe vor der Herausforderung, eine erfreulicherweise wieder steigende Zahl an Aufträgen abzuarbeiten: &bdquo;2025 kommt einiges auf uns zu“, bekräftigt Gerloff. Auf ein Team, das einige Drucker mehr gebrauchen könnte. &bdquo;Wir haben zuletzt nicht eine Bewerbung bekommen“, sagt Matthias Gerloff. &bdquo;Zu einem gewissen Teil werden wir auch intern qualifizieren müssen.“ Großkunde handelt Kolbe runter Denn das Unternehmen versucht sich gerade bei den sogenannten A-Kunden mit mehr als 100.000 Euro Jahresumsatz breiter aufzustellen. &bdquo;Zuletzt hat uns ein wichtiger Abnehmer runtergehandelt. Da wurde das Projekt plötzlich europaweit ausgeschrieben, wir hatten 28 Wettbewerber. Jetzt liefern wir die gleichen Umfänge mit weniger Umsatz“, berichtet Stefan Klinksiek. Jahresumsätze sinken Dieses Spiel will sich die Traditionsdruckerei aber nicht regelmäßig aufzwingen lassen. &bdquo;Wir machen nicht mehr jedes Geschäft. Das geht an die Werthaltigkeit“, so Klinksiek. &bdquo;Es gibt Preise, mit denen sind wir einfach nicht überlebensfähig“, kommentiert auch Matthias Gerloff das Wettbieten. Und so nimmt man im Industriegelände sinkende Jahresumsätze in Kauf. Waren es 2017 in einem allerdings auch außergewöhnlich guten Jahr 31,5 Millionen Euro, erwirtschaftete Kolbe 2023 noch 25 Millionen Euro. Etikettengeschäft macht Mut Mut macht das Geschäft mit den Rollenetiketten, also &bdquo;alles, was für den industriellen Bereich in der Warenauszeichnung benötigt wird“, wie Klinksiek erklärt. Hier erwirtschaftete Kolbe zuletzt eine Million Euro Jahresumsatz mehr und wird auch 2025 wohl weiter wachsen. Das Unternehmen schaffte eigens eine neue Maschine an. Noch fehlt die zugehörige Stanze, &bdquo;aber sie soll noch im Oktober in Betrieb gehen“, hofft Matthias Gerloff. Angesichts einer 90-prozentigen Auslastung der bestehenden Rollendruck-Maschinen sei das auch nötig. Maschinenpark verändert sich Im Bogenbereich hat Kolbe hingegen eine Maschine verkauft. &bdquo;Wir erwarten künftig geringere Auftragsvolumen, aber der Bereich wird wichtig bleiben. Er trägt zehn Millionen Euro zum Jahresumsatz bei“, betont Klinksiek. Mit digitaler Unterstützung will die Druckerei hier noch wettbewerbsfähiger werden. Unternehmen braucht Wir-Gefühl Es gibt also positive Ansätze, nun ist es an Geschäftsführer Stefan Klinskiek, Produktionsleiter Matthias Gerloff, dem kaufmännischen Leiter Christian Sievers und Vertriebsleiter Frank Rodefeld, diese auch zu vermitteln. &bdquo;Was wir hinter uns haben, war bitter, aber nötig“, sagt Stefan Klinksiek. &bdquo;Jetzt müssen wir ein neues Wir-Gefühl aufbauen.“

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