VersmoldDrohkulisse Rathaus - Mitarbeiter leben immer häufiger in Angst

Die Stadt Versmold hat es mit aggressiven Menschen zu tun, die Grenzen überschreiten. Ein Sicherheitsdienst bleibt nötig. Die Fahndung am Dienstag sorgt für zusätzliche Sorgen.

Marc Uthmann

Die Stadt kann im Rathaus auf zusätzlichen Schutz nicht verzichten. - © Tasja Klusmeyer
Die Stadt kann im Rathaus auf zusätzlichen Schutz nicht verzichten. © Tasja Klusmeyer

Versmold. Als der 35-jährige Mann nach seinem Brandanschlag auf ein Polizeiauto noch auf der Flucht war, ließ Ordnungsamtsleiter Thomas Tappe die Haupttür des Rathauses schließen. Denn der Täter hatte wohl nicht nur wiederholt Stress mit der Polizei, sondern lag auch im Dauerclinch mit der Stadtverwaltung. Seine Ausfälle hatten schon mehrmals bedrohliche Ausmaße angenommen, berichtet Tappe.

Seit ziemlich genau einem Jahr arbeitet nun der Angestellte eines Sicherheitsdienstes im Eingangsbereich des Rathauses, nachdem die Stadt erstmals Probleme mit dem Mann hatte, der offenbar unter psychischen Problemen leidet. Der 35-jährige Algerier ist nach Deutschland geflüchtet, besitzt wohl keine Bleibeperspektive und flog schon aus mehreren Übergangswohnheimen, weil er immer wieder Stress mit den Mitbewohnern hatte.

Mittlerweile lebte er in einem Wohnwagen in Loxten – tauchte aber mehrfach am Rathaus auf, randalierte und akzeptierte auch das schließlich ausgesprochene Betretungsverbot nicht. „Hier geht es auch um Drohungen im persönlichen Bereich gegen Rathausmitarbeiter", verdeutlicht Thomas Tappe die Brisanz der Lage. Die wiederholten Attacken sorgten bei seinem Team für Verunsicherung.

„Situation wäre hier schon eskaliert"

Die Stadt handelte und hat seither den Mitarbeiter des Sicherheitsdienstes im Eingangsbereich postiert. Und dessen Anwesenheit ist leider auch weiterhin nötig, wie der städtische Personalchef Carsten Wehmöller betont. Denn aktuell gibt es sechs Personen, die aufgrund ihres aggressiven Verhaltens das Rathaus nicht mehr betreten dürften. „Und sie haben das Verbot auch gerechtfertigt, indem sie zwischenzeitlich wieder Radau gemacht haben", sagt Wehmöller. „Ohne die Präsenz des Sicherheitsdienstes wären Situationen hier schon eskaliert." Die Gründe für die Ausraster sind breit gefächert, häufig stehen sie im Zusammenhang mit der Lebenssituation geflüchteter Menschen. „Das reicht vom Krankenschein, der nicht ausgestellt wird, über Leistungen und Fragen der Unterbringung bis hin zur Arbeitserlaubnis", sagt Carsten Wehmöller. „Mit den weitaus meisten Menschen, die zu uns gekommen sind, haben wir gar keine Probleme."

Dafür setzen einige wenige dem Rathaus umso mehr zu. Nach den Ursachen gefragt, kann Carsten Wehmöller auch nur mutmaßen: „Natürlich kommt Frust auf, wenn aus dem vermeintlichen Aufenthalt im Übergangswohnheim nach und nach eine Dauerlösung wird." Doch das rechtfertige natürlich keinesfalls Attacken gegen Rathausmitarbeiter. Übrigens würden durchaus auch Menschen gegen die Verwaltung aggressiv, die nicht zu den Geflüchteten zählten.

Die Stadt hat reagiert – auch baulich. „Die Gänge, die zu den Büros des Sozialamtes führen, sind mit einer Tür gesichert. Dort wiederum gibt es eine Gegensprechanlage und einen Notfallknopf, den die Mitarbeiter drücken können, falls sich jemand plötzlich reindrängen will", erklärt Wehmöller.

Alarmknöpfe wurden bereits benutzt

So einen Knopf, um Alarm zu geben, haben die Beamtinnen und Beamten schon länger auch in ihren Büros. Sie können reagieren, wenn ein Gespräch zu eskalieren droht. „Und diese Knöpfe wurden benutzt", betont Wehmöller.

Carsten Wehmöller sieht großen Bedarf, sein Rathaus-Team zu schützen. Foto: Stadt Versmold - © Stadt Versmold
Carsten Wehmöller sieht großen Bedarf, sein Rathaus-Team zu schützen. Foto: Stadt Versmold (© Stadt Versmold)

Rund 30.000 Euro hat die Stadt investiert, zusätzlich bietet sie Deeskalationstraining und Selbstverteidigungskurse an. „Am besten kommt so eine Situation gar nicht zustande", sagt Wehmöller. Doch die Erfahrung zeigt: Nicht immer lässt sie sich vermeiden. Thomas Tappe hat derweil angekündigt, bei der Polizei nachzuhaken, was mit dem geschnappten Täter passiert: „Sollte der schnell wieder auf freien Fuß kommen, müssten wir das wissen."

Der Mitarbeiter des Sicherheitsdienstes bekommt jetzt übrigens zusätzliche Aufgaben im Rathaus: Er wird auch für Empfang und Service eingearbeitet. „Unsere Mitarbeiterin am Infopoint ist in Ruhestand gegangen, so dass Gelegenheit bestand. Und der Kollege hat auch nach weiteren Tätigkeiten gefragt", sagt Carsten Wehmöller – und schiebt nach: „Er macht gute Arbeit."

Täter liegt im psychiatrischen Krankenhaus

Die Polizei hat Hintergründe zum Tathergang vom Dienstag veröffentlicht. Die Beamten waren gegen kurz vor 14 Uhr auf Schreie am Busbahnhof Brüggenkamp aufmerksam geworden. Der 35-Jährige beschimpfte und beleidigte Passanten und dann auch die Polizisten.

Als er daraufhin in Gewahrsam genommen werden sollte, trat der Mann und schlug um sich. Dabei verletzte er drei Polizeibeamte. Er riss sich los, rannte davon und kletterte auf einen Pkw. Als er von diesem herunterspringen wollte, verletzte er sich an einem Zaun.

Die Fahndung verlief zunächst erfolglos, dann tauchte der 35-Jährige erneut vor der Wache auf und warf den Brandsatz. Der Streifenwagen wurde stark beschädigt, brannte aber nicht aus. Es entstand ein Sachschaden von rund 10.000 Euro.

Nach seiner Flucht wurde der Mann schließlich festgenommen und ein Ermittlungsverfahren eingeleitet. Aufgrund seiner Verletzungen durch den Sprung von dem Auto wurde der Täter in ein reguläres Krankenhaus eingewiesen.

Mittlerweile wurde er in ein psychiatrisches Krankenhaus verlegt. Was anschließend mit dem Mann passiert, konnte die Polizei auf Anfrage des HK noch nicht beantworten.

Der jüngste Anschlag auf das Polizeiauto könnte letztlich als Sachbeschädigung verbucht werden – allerdings hat der 35-Jährige mittlerweile eine lange Latte an Vergehen auf seinem Kerbholz. Unter anderem hat er auch schon einen Mitbewohner in einer Unterkunft mit dem Messer attackiert.

Möglich, dass ihm auf diesem Weg schwerere strafrechtliche Konsequenzen als bisher drohen.

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