Erfolge, Fehler, Ziele: Versmolds Bürgermeister gibt klare Antworten

Michael Meyer-Hermann (36) ist seit 2014 Versmolds Bürgermeister. Sein sechstes Jahr im Amt wird ein besonderes, denn er stellt sich erstmals zur Wiederwahl. Im HK-Gespräch blickt er auf knifflige Monate zurück – und verrät, wer sein schärfster Kritiker ist.

Von seinem Büro aus hat Bürgermeister Michael Meyer-Hermann derzeit den besten Blick auf seine aktuell größte Baustelle. Die Innenstadtsanierung soll Versmold ein neues Gesicht verpassen – bis dahin verlangt sie den Bürgerinnen und Bürgern auch einiges ab. | © Marc Uthmann

Marc Uthmann
02.01.2020 | 02.01.2020, 05:02

Größter Ärger 2019

„Es hat mich geärgert, dass sich die Dinge beim Breitbandausbau so verzögert und wir jetzt erst konkrete Baufortschritte haben. Es hat sich gezeigt, dass man hartnäckig bleiben und immer wieder auf das Thema aufmerksam machen muss. Wenn man nicht ständig bei der Telekom und den Ansprechpartnern auf Bundes- und Landesebene auf der Matte steht, bewegt sich nicht viel.“

Bewegendster Moment 2019

Beruflich waren das für mich die Feierlichkeiten rund um das Jubiläum 300 Jahre Stadtrechte. Vor allem das große CJD-Konzert auf der Bühne vor der Sparkassen-Arena mit 1.000 Zuschauern war ein besonderer Moment. Mein besonderer Dank gilt allen, die auf ganz unterschiedliche Weise dieses Jubiläumsjahr mitgestaltet haben. Privat gibt es mit unserer vierjährigen Tochter und unserem zweieinhalb Jahre alten Sohn ohnehin viele Bewegendes. In diesem Jahr hat mein bester Freund geheiratet, ich durfte Trauzeuge sein und meine Kinder haben Blumen gestreut – das war schön.“

Größte Überraschung 2019

„Wie sich die Fleischwarenindustrie gerade entwickelt, ist schon eine Überraschung – aber keine schöne. Diese Krise hält schon lange an, was uns Sorgen macht. Denn nach wie vor sind wir stark geprägt von der Fleischwarenindustrie. Dass in Reinert und Kemper jetzt zwei Familienunternehmen fusioniert haben, ist darauf nicht die schlechteste Antwort. Klar wird es Veränderungen geben – aber so können Arbeitsplätze vor Ort gesichert werden. Bei aller Kritik der vergangenen Jahre: Nölke ist das nach der Übernahme durch Zur Mühlen auch gelungen. Gleichzeitig ist die Krise für uns als Stadt aber auch ein Signal, uns um einen breiteren Branchenmix zu bemühen.“

Größter Fehler 2019

„Das ist natürlich eine knifflige Frage. Meine Frau Saskia könnte Ihnen da ganz sicher sofort etwas zu sagen. Es ist gut, dass ich zu Hause so eine kritische Begleiterin habe. Da sprechen wir häufig über die aktuellen Themen und darüber, was in der Zeitung steht. Und wenn wir aus ihrer Sicht die falschen Schwerpunkte setzen, bekomme ich das durchaus mitgeteilt.“

Größte Erfolge 2019

„Dass wir ein neues Feuerwehrgerätehaus in Hesselteich bekommen haben. Und trotz allen oben beschriebenen Ärgers: Dass der Breitband-Ausbau für unsere Außenbereiche und die Gewerbegebiete jetzt läuft. Unsere Baugebiete am Hohlweg und in Bockhorst vermarkten sich gut. Letzteres ist nicht nur schön und jetzt durch die A 33 noch näher an Bielefeld dran, sondern einfach auch preislich attraktiv. Wo gibt es sonst Bauland für 99 Euro pro Quadratmeter? Aktuell haben wir schon wieder 70 Interessenten für einen innerstädtischen Bauplatz. Mein Anspruch ist nicht: Wir machen nix! Also werden wir versuchen, weitere Baugebiete zu entwickeln, es laufen Gespräche und Verhandlungen. Dabei macht es immer Sinn, an vorhandene Strukturen anzuschließen.“

Herausforderung 2020

„Das bleibt zweifelsohne die Innenstadt-Baustelle. Der zweite Abschnitt in der Münsterstraße, der im März beginnen soll, wird deutlich sensibler. Drei Monate Vollsperrung – das ist schwierig. Wir müssen mit der Kaufmannschaft daran arbeiten, dass die Kunden trotzdem kommen und uns entsprechende Aktionen überlegen. Aber allen Kritikern entgegne ich: Zum einen hätten wir in den nächsten Jahren eh grundlegend sanieren müssen, da es durch den schlechten Untergrund bereits zu vielen Absackungen in den Fahrbahnen gekommen ist. Zum anderen ist es das gemeinsame Ziel, ein modernes Zentrum mit hoher Aufenthaltsqualität sowie genügend Raum für alle Verkehrsteilnehmer – Fußgänger, Radfahrer und Autos – zu schaffen. Hierfür gibt es jetzt Fördermittel. Niemand weiß, ob dies in Zukunft auch noch so wäre.“

Größtes Ziel 2020

Natürlich ist es mein Ziel, 2020 Bürgermeister zu bleiben. Und die Planungen für den Wahlkampf laufen parallel – allerdings haben die Bürgerinnen und Bürger sicher nicht ein halbes Jahr Lust darauf. Bis zum Sommer gilt es also erst einmal, Wahlkampf in den Hintergrund zu stellen und Projekte voranzubringen. Wie zum Beispiel den Rathaus-Anbau. Wenn die Stadt ihre eigenen Arbeitsbedingungen verbessert, wird das natürlich schnell hinterfragt. Aber wir wollen ein moderner, familienfreundlicher Arbeitgeber sein: Das gibt es allein schon durch Teilzeitmodell mehr Raumbedarf, hinzu kommen zusätzliche kommunale Aufgaben – und die Digitalisierung wird erst einmal Personal binden, ehe sie zu mehr Effizienz führt. Und selbst wenn wir Verwaltungsprozesse digital abbilden können, wollen wir immer noch ein Rathaus sein, in dem man Menschen erreicht. All das braucht Platz.“

Bauchweh-Projekt 2020

„Sie spielen auf den Stadtring an. Ziel bleibt es, mit den Flächeneigentümern eine Lösung im Einvernehmen zu finden. Das ist besser, als es auf eine Klage ankommen zu lassen, die das Projekt noch weiter verzögert. Es gab Gespräche und wir werden den Faden 2020 wieder aufnehmen – natürlich möchte ich diese Straße in der nächsten Wahlperiode bauen. Auch die gewerbliche Entwicklung ist ein schwieriges Thema. Wir setzen auf einen dritten Bauabschnitt des Interkommunalen Gewerbegebietes, innerstädtisch haben wir Flächen entlang der Rothenfelder Straße, der Laerstraße und des Stadtrings gemeldet – hier gäbe es kleinere Flurstücke für Erweiterungen. Natürlich müssen wir sparsamer mit Flächen umgehen – aber zugleich der nächsten Generation wirtschaftlichen Gestaltungsspielraum hinterlassen. Dafür müssen heute bereits die Weichen gestellt werden.“