So baut sich Steinhagens neuer Pfarrer eine Instagram-Gemeinde auf

Steinhagen. Wie oft pro Tag er in sein Handy schaut? Marcel Friesen startet zunächst ein Ausweichmanöver: &bdquo;Na ja, das ist mein Diensthandy, über das ich erreichbar sein muss und in das ich auch berufliche Nachrichten tippe.“ Dann schiebt er lachend hinterher: &bdquo;Okay, meine Frau schimpft oft, wenn ich das Handy in der Hand habe. Also vermutlich muss die Antwort lauten: zu oft.“ Am 1. April hat Marcel Friesen, der zuvor Vikar in Werther war, seinen Probedienst als Pfarrer begonnen. 50 Prozent seiner Stelle sind dem Kirchenkreis Halle zugeteilt. Die anderen 50 Prozent ist er in der evangelischen Kirchengemeinde Steinhagen beschäftigt, wo sich Pfarrerin Dagmar Schröder bekanntlich nach 26 Jahren in den Ruhestand verabschiedet hat. Das Handy gehört tatsächlich zu seinen Arbeitsutensilien. Denn der 32-Jährige will auch über Facebook und Instagram die Menschen erreichen. Auf Insta hat er mit Dienstantritt in Steinhagen einen neuen Account eingerichtet, den er passenderweise &bdquo;himmel.kram“ getauft hat. &bdquo;Himmel-Kram“, das sind auf Friesens Kanal Fotos vom Antrittsbesuch bei Bürgermeisterin Sarah Süß ebenso wie fromme Sinnsprüche und Einblicke in den Alltag eines Pfarrers. In einem Clip, den er erst vor wenigen Tagen hochgeladen hat, erzählt der neue Pfarrer zum Beispiel, welche Gedanken ihm vor seiner ersten Beerdigung auf dem Steinhagener Waldfriedhof durch den Kopf gehen. Anders als bei einer Predigt hat der Sinnfluencer auf Instagram nur wenig Zeit, um seine Botschaften unters Volk zu bringen. Damit kommt er klar. &bdquo;Ein liturgischer Gottesdienst hat einen ganz anderen Rahmen. Aber natürlich kann man auch unter einer Minute von Gott reden“, findet Marcel Friesen. Instagram-Gemeinde will täglich angesprochen werden Die Online-Strategie des Pfarrers geht auf. &bdquo;Ich bin über Instagram schon mit Menschen hier aus dem Ort in Kontakt gekommen. Auf dem Steinhagen-Tach am Sonntag haben mich mehrere Besucher darauf angesprochen. Die Leute finden das cool“, erzählt Marcel Friesen. Aktuell folgen dem Pfarrer immerhin schon 350 Menschen auf seinem relativ jungen Account. Friesen hat sich in die Materie eingearbeitet: &bdquo;Der Algorithmus ist mein Kollege. Ich muss mich mit anderen Accounts aus Steinhagen vernetzen und regelmäßig Inhalte posten. Nur so kann ich mir eine Basis aufbauen.“ Dabei gehe es ihm keineswegs darum, so viele Follower wie möglich einzusammeln. &bdquo;Meine Zielgruppe mit himmel.kram ist Steinhagen. Ich will mit dem, was ich da mache, nicht viral gehen“, stellt er klar. Lesen Sie auch: Versmolder feiern Mega-Erfolge im Internet – und diesen Promis gefällt’s Natürlich kennt der neue Pfarrer, der Vater von zwei Kindern ist, auch die Schattenseiten von Social Media. &bdquo;In den sozialen Netzwerken herrschen andere Kommunikationsregeln. Der Ton, der dort angeschlagen wird, ist manchmal unmöglich. Vor allem in manchen Facebook-Gruppen“, weiß er. Auch die Art der veröffentlichten Inhalte sei mitunter problematisch. &bdquo;Polarisierung und extreme Inhalte erzeugen besonders viel Aufmerksamkeit und verbreiten sich in diesen Medien darum besonders schnell“, warnt Marcel Friesen. &bdquo;Das haben der Algorithmus und der Populismus gemein.“ Dennoch überwiegen seiner Meinung nach die Vorteile von Insta und Co. Sieh dir diesen Beitrag auf Instagram an Ein Beitrag geteilt von Marcel Friesen (@himmel.kram) &bdquo;Es geht doch darum, die besten Wege zu finden, um möglichst viele Menschen zu erreichen“, ist der Pfarrer überzeugt. Vor allem in der Corona-Krise haben die Kirchen in diesem Punkt dazugelernt. Auch die evangelische Kirchengemeinde in Steinhagen nutzt seitdem digitale Wege, um mit den Gemeindegliedern in Kontakt zu bleiben. Steinhagens neuer Pfarrer erprobt andere Gottesdienst-Formate Das Sonntagsvideo, das zu jener Zeit entstand, gibt es bis heute. Zweimal pro Monat werden Gottesdienste aufgezeichnet und ins Netz gestellt, wo sie jederzeit bequem von zu Hause aus abgerufen werden können. Eines dieser Videos hat auch Pfarrer Friesen bereits aufgenommen. Es ist seit vier Tagen online und wurde bereits 213 Mal angeklickt. So viele Menschen saßen an dem Sonntag nicht in der Dorfkirche. Lesen Sie auch: Finanznot: Sogar über die Steinhagener Dorfkirche wird jetzt diskutiert Trotzdem will der 32-Jährige nicht nur Follower und Klicks zählen. &bdquo;Ich habe ja noch so um die 30 Dienstjahre vor mir. Darum möchte ich natürlich auch, dass die Kirchen wieder voller werden“, erzählt Marcel Friesen. Chancen dafür sieht er vor allem in alternativen Gottesdienst-Formaten. Denn alles, was mit Gemeinschaft zu tun habe, sei attraktiv für Menschen. Handy hin, Insta her. Darum soll es im Herbst einen ersten Funk-Gottesdienst in Werther geben, in dem Musikstudierende zeitgenössische Funk-Musik spielen. &bdquo;Texte über Gott und die Welt“ will Pfarrer Friesen beisteuern. Ein anderes Projekt, an dem Marcel Friesen derzeit arbeitet, ist ein Podcast. Der studierte Theologe, der im Fach Altes Testament promoviert hat, möchte mit seinem ehemaligen Professor aus Göttingen künftig regelmäßig über alttestamentarische Themen plaudern. &bdquo;Damit decken wir eine Nische ab und wenden uns eher an ein Fachpublikum, aber auch an interessierte Laien“, kündigt Marcel Friesen an. Pfarrer verrät, welcher Band er auf Instagram folgt Auf die Frage, welchen Instagram-Accounts der Pfarrer aus privatem Interesse folgt, fällt ihm sofort ein ganz bestimmter Kanal ein. &bdquo;Der Insta-Algorithmus hat mir irgendwann mal eine Band aus Paraguay vorgeschlagen, die in einem seltenen mennonitischen Plattdeutsch singt – die Sprache, die meine Uroma früher gesprochen hat. Auf die wäre ich ohne Instagram vermutlich nie gestoßen.“ 📲 Aktuelle News bekommen Sie täglich über den WhatsApp-Kanal des HK

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