Abschied nach 27 Jahren: Pfarrerin aus Steinhagen ist reif für die Insel

Steinhagen. So richtig hat sich Dagmar Schröder noch gar nicht mit dem Packen der Umzugskartons beschäftigen können. Wie auch? Zwischen Konfirmation und Osterfeiertagen hat die Pfarrerin genug andere dienstliche Dinge zu tun. Doch bald bleibt mehr Zeit für Muße. Pfarrerin Damar Schröder verabschiedet sich in den Ruhestand – und verlässt Steinhagen. Es geht auf die Nordseeinsel Föhr. Dazu später mehr. Was sie am meisten an Steinhagen vermissen wird? Die 66-Jährige muss nicht lange überlegen. &bdquo;Den Glockenturm vorm Johannes-Busch-Haus“, platzt es aus ihr heraus. Dabei wollte sie den erst gar nicht haben, als er der Kirchengemeinde vor mehr als 20 Jahren angeboten wurde. &bdquo;Ein braunes Monster, echt keine Schönheit“, habe sie damals gedacht. Eine Gemeinde in Brackwede hatte den Turm abzugeben, und das Johannes-Busch-Haus an der Waldbadstraße hatte keinen. &bdquo;Also sind wir hingefahren und haben uns den Turm angeschaut. Als die dortige Küsterin die Glocken läuten ließ, war es um mich geschehen. Was für ein voller, warmer Klang!“, schwärmt Dagmar Schröder. &bdquo;Heute verbinde ich mit diesem Klang ganz viele Emotionen.“ Inzwischen habe sie auch mit der Optik des Turms ihren Frieden geschlossen. &bdquo;Der Glockenturm ist wie fürs Johannes-Busch-Haus gemacht.“ Pfarrerin war zehn Jahre im Krankenhaus tätig Seit 1998 war das evangelische Gemeindezentrum im Norden Steinhagens, der Pfarrbezirk II, ihre Basis. Zuvor war Dagmar Schröder zehn Jahre in einer Krankenhaus-Pfarrstelle im Kirchenkreis Herford beschäftigt. &bdquo;Ich habe das damals wirklich mit Leidenschaft gemacht“, erinnert sie sich. Die Pfarrerin ist unter anderem in der Onkologie und auf der Intensivstation tätig, erlebt menschliche Schicksale hautnah mit. &bdquo;Irgendwann ist es mir nicht mehr gelungen, die professionelle Distanz zu wahren. Die Arbeit kroch mir zu sehr unter die Haut. Da habe ich gemerkt: Ich muss auf mich achtgeben.“ Weil sie gerne eine eigene Gemeinde begleiten möchte, bewirbt sie sich auf eine frei gewordene Pfarrstelle in Steinhagen und tritt hier im Dezember 1998 die Nachfolge von Pfarrer Dietmar Schiwy an. &bdquo;In Steinhagen war ich genau richtig. Ich bin auf eine kreative Gemeinde mit sehr engagierten Leuten getroffen“, denkt Dagmar Schröder an ihren Start in der evangelischen Kirchengemeinde zurück. Dass sie überhaupt mal in einem Kirchsaal vor einer eigenen Gemeinde stehen und sprechen würde, sei nicht selbstverständlich gewesen. &bdquo;Ich war früher sehr schüchtern und wollte als Jugendliche auch gar nicht unbedingt Pfarrerin werden“, erzählt Dagmar Schröder. Wie bitte? &bdquo;Aber der liebe Gott hat’s so gewollt“, schiebt sie lachend hinterher. In Steinhagen gesellschaftspolitische Ereignisse begleitet &bdquo;Ich bin zwar in einer kirchlich geprägten Familie aufgewachsen, aber hatte ja nie eine Pfarrerin erlebt. Das waren immer Männer“, erzählt Dagmar Schröder von fehlenden Vorbildern. Denn die Zulassung von Frauen zu allen geistlichen Ämtern nahm in der evangelischen Kirche gerade erst Fahrt auf. Also lautete Plan A, Religionslehrerin zu werden. Lesen Sie auch: Mit 74 Jahren: Was Steinhagens dienstältester Lehrer über Schule denkt &bdquo;Unser Gemeindepfarrer hat mich damals dazu ermutigt, Volltheologie zu studieren.“ Damit war die Möglichkeit für Plan B geschaffen: Pfarrerin werden. Dagmar Schröder entdeckt während des Studiums die feministische Theologie für sich, betont allerdings, gleichwohl keine &bdquo;rasante Feministin“ zu sein. Dennoch imponieren ihr die biblischen Frauenfiguren – und sie ermutigen die junge Theologin auf ihrem Weg, Plan B zu verfolgen. Dass Frauen in den 1970ern und 80ern in der evangelischen Kirche als Pfarrerin noch keine Selbstverständlichkeit waren, kann sie anhand einer Anekdote auf den Punkt bringen: &bdquo;Bei einem Treffen redeten sich die Pfarrer damals untereinander mit ’Bruder’ an. Als ’Schwester’ wurden die Diakonissen bezeichnet. Ich wurde mit ’Guten Tag Frau Schröder“ begrüßt ...“ Heute kann Dagmar Schröder darüber schmunzeln. &bdquo;Damals wurden Frauen in dieser Männerdomäne aber durchaus kritisch gesehen. Wir Frauen mussten viel leisten, um akzeptiert zu werden.“ Johannes-Busch-Haus wichtig für Gemeinde in Steinhagen Die Gleichstellungsprozesse in der evangelischen Kirche haben sich weiterentwickelt, andere gesellschaftliche Prozesse bereiten der Pfarrerin Sorge. Gerade jetzt, in einer Zeit, in der eine Krise die nächste jagt. In ihren Predigten greift Dagmar Schröder die weltpolitischen Entwicklungen bisweilen auf. Nicht die parteipolitischen; das ist ihr wichtig. In der Regel verfasst sie ihre Predigten erst einen Tag vor dem Gottesdienst. &bdquo;Ich finde, die dürfen sich nicht wie ein abgestandenes Bier anfühlen.“ Dass die evangelische Kirchengemeinde in Steinhagen aktuell über ihr Tafelsilber – und damit sind vor allem ihre Immobilien gemeint – diskutiert, beschäftige die scheidende Pfarrerin. Wie berichtet, steht die evangelische Kirchengemeinde vor einer finanziellen Herausforderung. Aufgrund sinkender Mitgliederzahlen, die sich voraussichtlich jährlich um zwei bis drei Prozent reduzieren, sieht sich die Gemeinde gezwungen, drastische Einsparungen vorzunehmen. Lesen Sie auch: Finanznot: Sogar über die Steinhagener Dorfkirche wird jetzt diskutiert Das Johannes-Busch-Haus als Reaktion darauf dichtzumachen, wäre aus Sicht von Dagmar Schröder ein Fehler. Schon wegen der engagierten Menschen, die das Haus mit Leben füllen und hier noch viel vorhaben. Sie hofft zudem, dass der neue Pfarrer Marcel Friesen dem Gemeindezentrum neue Impulse geben kann. Mit dem Ruhestand geht es auf die Insel Föhr Es sei der Wille des Presbyteriums, den Kirchsaal im Johannes-Busch-Haus als Gottesdienststätte zu erhalten und darüber hinaus mindestens einen Raum für die Gemeindearbeit zu bewahren, berichtet Dagmar Schröder. Wie das Gemeindezentrum samt Waldbadindergarten und Freifläche künftig sonst noch genutzt werden könnte, ist Teil einer Machbarkeitsstudie. Ergebnisse daraus sollen auf einer Gemeindeversammlung im Juli vorgestellt werden. Dagmar Schröder wird sich dann längst im Ruhestand befinden und von der Nordseeinsel Föhr aus nach Steinhagen blicken. Sieh dir diesen Beitrag auf Instagram an Ein Beitrag geteilt von Evangelische Kirche Steinhagen (@segen_im_leben) &bdquo;Bis Ende Juni wollen mein Mann und ich den Umzug hinter uns gebracht haben“, erzählt die 66-Jährige. Die Verbindung zu Föhr gebe es schon länger, weil ihre Mutter dort lebe. &bdquo;Föhr ist eine große Insel. Dort leben so um die 8.000 Menschen und es gibt drei Kirchengemeinden. Man ist von dort aus schnell in Hamburg, Kiel oder Kopenhagen. Ich werde schon keinen Inselkoller bekommen“, ist sich Dagmar Schröder sicher. Ob die Kirchenglocken auf Föhr sie genauso überzeugen können wie die an der Waldbadstraße, muss sich allerdings erst noch zeigen. Die Verabschiedung von Pfarrerin Dagmar Schröder findet am Sonntag, 27. April, um 15 Uhr im Johannes-Busch-Haus statt. Alle Gemeindemitglieder sind eingeladen, am Gottesdienst teilzunehmen und sich anschließend bei Kaffee und Kuchen mit Gesprächen zu verabschieden. 📲 Aktuelle News bekommen Sie täglich über den WhatsApp-Kanal des HK

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