Kampf gegen Armut

Steinhagener Afrika-NGO knackt Spenden-Rekord - auch dank DMAX-Show

Die Bundesregierung kürzt die Entwicklungshilfe, kleine NGOs fahren Rekorde ein. Das Steinhagener Bürgerkomitee zeigt, wie man die Welt von unten besser macht - wer helfen will, sollte sich melden.

Schüler in Benin freuen sich über ihre neue Schule, die dank Steinhagener Spenden möglich wurde. Zu den NGO-Helfern gehört auch DMAX-Promi Carl Geiger. | © Bürgerkomitee

Jonas Damme
14.12.2024 | 14.12.2024, 17:02

Steinhagen. Entwicklungshilfe ist gar nicht so schwierig, das beweist das Steinhagener „Bürgerkomitee für Entwicklungszusammenarbeit“ seit nunmehr 40 Jahren. Ausschließlich ehrenamtlich sammeln die Damen und Herren der Gruppe, die man heute wohl eine NGO nennt, unermüdlich Gelder, mit denen Projekte in Afrika angeschoben werden.

Seit der Gründung im September 1984 waren die Helfer in Kenia aktiv, in Ghana, Malawi, Namibia, Uganda, Südafrika, Somalia aber auch in anderen Ländern der Welt, wo gerade Not an Mann und Frau war. 2010 halfen sie nach dem großen Erdbeben in Haiti, 2015 nach einem Beben in Nepal. Aber auch bedrängte Menschen in Borneo, Mexiko, Honduras oder Bangladesch durften sich schon über Unterstützung aus OWL freuen.

Neuer Rekord bei der Spendensammlung in Steinhagen

Statt aber an Drive zu verlieren, legen die Ehrenamtlichen über die Jahrzehnte noch zu. 2023 knackten ihre Jahresspenden-Einnahmen erstmals die 100.000-Euro-Marke. Nun kann Mitstreiterin Christa Amelung im neuen Jahresbericht erneut einen Rekord verzeichnen: „Bis Ende Oktober wurden die Projekte mit 95.233,29 Euro unterstützt. Zum gleichen Stichtag bekamen wir zusätzlich zum Gemeindezuschuss von 20.000 Spenden in Höhe von 84.894,56 Euro.“ Fast 105.000 Euro kamen also zusammen.

Für westafrikanische Verhältnisse steht diese Schule noch recht gut da: Immerhin hat sie ein Blechdach statt Palmwedel-Deckung. Die Steinhagener Enwicklungshelfer bauen in den Dörfern grundsätzlich einfache, langlebige Gebäude aus Stein. - © Bürgerkomitee
Für westafrikanische Verhältnisse steht diese Schule noch recht gut da: Immerhin hat sie ein Blechdach statt Palmwedel-Deckung. Die Steinhagener Enwicklungshelfer bauen in den Dörfern grundsätzlich einfache, langlebige Gebäude aus Stein. (© Bürgerkomitee)

Dass Entwicklungshilfe „von unten“ dringend nötig ist, zeigen die politischen Entwicklungen der vergangenen Jahre. Erst kürzlich hatten Welthungerhilfe, Misereor und andere NGOs die Sparpläne der Bundesregierung heftig kritisiert.

Die sehen vor, den Etat des Entwicklungsministeriums für 2025 auf 10,3 Milliarden Euro zu kürzen - ein Minus von 937 Millionen Euro gegenüber dem Vorjahr. Insgesamt lagen die sogenannten „öffentlichen Entwicklungsleistungen“ bundesweit zuletzt bei 33,9 Milliarden Euro. Zum Vergleich: Der Etat der Bundeswehr lag im gleichen Zeitraum bei 66,8 Milliarden Euro.

Dabei ist Hilfe nötig wie nie. Wegen des Ukraine-Krieges sind die Lebensmittelpreise in Afrika zuletzt enorm hochgeschnellt. Viele arme Familien können sich das nicht mehr leisten. Hunger und Flucht sind die Folge.

Steinhagener zeigen: Einfache Projekte bewirken viel

Gruppen wie das ehrenamtliche Bürgerkomitee sind für Entwicklungsländer immens wichtig. Das wissen auch Christa Amelung, Heike Kunter und das restliche Team des Bürgerkomitees. Oft genug waren sie in Afrika unterwegs, um genau zu kontrollieren, wo die Steinhagener Gelder sinnvoll eingesetzt wurden - und wo nicht. In seltenen Fällen wurden auch schon mal Zuwendungen gestrichen.

In den vergangenen Jahren hat das Bürgerkomitee seine Kräfte vor allem im kleinen westafrikanischen Benin konzentriert. Mit einfachsten Projekten wird dort die Infrastruktur verbessert, um Menschen eine Perspektive zu geben, vor der Flucht nach Europa zu bewahren und nicht zuletzt Hunger und Krankheit zu bekämpfen.

Im aktuellen Jahresbericht stellen die Ehrenamtlichen ihre letzten großen Erfolge vor.

Kochen wie vor hunderten Jahren

Noch heute werden die Mahlzeiten in Benin fast immer von Frauen und überwiegend am offenen Holzfeuer zubereitet. Das führt langfristig oft zu Atemwegserkrankungen bei den Frauen und immer zu Umweltproblemen durch die beständige Entwaldung. Seit Ende vergangenen Jahres unterstützt das Komitee gemeinsam mit einer lokalen Organisation die Herstellung von klimafreundlichen Kochherden in der abgelegenen Region Boukombé.

Frauen des von Steinhagen unterstützten Projektes Yanigbo in der Kommune Lahotan verteilen ihre Erträge als Naturalien, in diesem Fall Brühwürfel. - © Bürgerkomitee
Frauen des von Steinhagen unterstützten Projektes Yanigbo in der Kommune Lahotan verteilen ihre Erträge als Naturalien, in diesem Fall Brühwürfel. (© Bürgerkomitee)

Diese Holzkohle-Herde werden von örtlichen Handwerkern aus Metall oder Ton gebaut. So werden nebenbei kleine Betriebe gestärkt. Bevor die Frauen ihren Herd erhalten, werden sie in Gruppen über die Vorteile der Herde informiert, mit dem Umgang vertraut gemacht und zu gesunder Ernährung und Hygiene geschult. Durch dieses Projekt wird die Gesundheit verbessert und Entwaldung verringert. Der geringere CO2-Ausstoß ist außerdem im Interesse des Klimas.

Gelder aus OWL ermöglichen einen Brunnen für eine Schule

Im kleinen Bezirk Glazoué im Zentrum des Landes finanzierten die Steinhagener einer Schule einen Brunnen. Der dient primär nicht der Versorgung von Kindern und Lehrern, sondern soll die Bewässerung eines Schulgartens ermöglichen. Schon zuvor hatte das Komitee Projekte unterstützt, die Kindern und Jugendlichen die Bedeutung von Nachhaltigkeit näherbringen sollen und gleichzeitig Wissen über die Natur südlich der Sahelzone vermitteln.

Die Schüler in Lokoli freuen sich dank der Steinhagener Entwcklungshelfer, dass sie auch in der Regenzeit zur Schule gehen können. - © Bürgerkomitee
Die Schüler in Lokoli freuen sich dank der Steinhagener Entwcklungshelfer, dass sie auch in der Regenzeit zur Schule gehen können. (© Bürgerkomitee)

Schulen werden gebaut und erneuert

Wer bei Afrika nur an heiße, trockene Sonnentage denkt, liegt falsch. Westafrika kennt auch lange heftige Regenphasen. Darunter leiden die Gebäude dort erheblich, auch die vielen Schulen, die das Bürgerkomitee bereits bauen ließ. Schlimmstenfalls muss in der Regenzeit sogar Unterricht ausfallen. Deshalb haben Komitee-Chefin Heike Kunter und ihre Mitstreiter begonnen, neben den Neubauten auch Renovierungen zu betreuen.

So geschehen zum Beispiel in Abomey im Süden Benins. Gleichzeitig entstanden dieses Jahr zwei neue Schulen, eine in der Kommune Assanli Adjokan und eine in Lokoli, im Süden. Das winzige Dorf Lokoli gehört nach Einschätzung des Komitee-Vertrauten Mensah Tokponto zu den ärmsten des ganzen Landes. Die dortige Schule für mehr als 300 Kinder habe sich in einem katastrophalen Zustand befunden.

Die Schule in Assanli Adjokan wurde finanziert von Carl Geiger. Der Münchener ist Inhaber der Werkstatt Geiger Cars und wurde bekannt durch seine DMAX-Sendung „Der Geiger“. Es ist bereits die zweite Schule, die er in Benin bezahlt. Auch der Bau der Schule in Lokoli geht auf eine Einzelspende zurück. Der Spender finanzierte gleich noch eine Solaranlage, Schulmaterial und ein Toilettenhaus. Carl Geiger ist nicht der einzige Promi, den die Steinhagener ins Boot geholt haben. Auch Ex-Umweltministerin Bärbel Höhn zählt zu den Unterstützern.

Das erste Krankenhaus in der Grenzregion

Schon seit Langem ist das Komitee in der Region Boukombé im Nordwesten aktiv. Dort bauen die Entwicklungshelfer derzeit ein Krankenhaus. Betten stehen bereit, allerdings haben die Organisatoren wegen geschlossener Grenzen Probleme an notwendige medizinische Technik zu gelangen. Islamistische Terroristen operieren in der Sahelzone. Auch die spärliche Wirtschaft dort ist fast zum Erliegen gekommen, genauso wie der karge Tourismus.

Das neue Krankenhaus ist die erste Chance einer medizinischen Versorgung in der gesamten abgelegenen Grenzregion. Weil Autos dort eine Seltenheit sind, sind die Wege für Kranke und Verletzte auch heute noch oft zu lang - mit teils dramatischen Folgen.

Der Unterschied zwischen Witwen und Hexen

Auch im benachbarten Ghana ist das Komitee aktiv. Dort herrschen teils noch mittelalterliche Gebräuche. In Nord-Ghana werden Witwen aufgrund von Aberglauben und Armut oft von den Familien ihrer verstorbenen Ehemänner der Hexerei beschuldigt, misshandelt oder zusammen mit ihren Kindern aus dem Dorf ausgestoßen. Sie gelten außerdem als unnötige Belastung, wenn sie nichts zum Lebensunterhalt beitragen können.

Obwohl solche Verbrechen von der ghanaischen Polizei heute konsequent verfolgt werden und Täter hohe Haftstrafen befürchten müssen, sind Witwen und Waisen in sehr abgelegenen Gegenden immer noch schlimmsten Feindseligkeiten ausgeliefert. Beim Projekt der „Witwen-und-Waisen-Bewegung“ in Bolgatanga finden Opfer eine sichere Zukunft, eine Unterkunft und wenn möglich sogar eine kleine handwerkliche oder landwirtschaftliche Ausbildung, um ihr eigenes Geld zu verdienen.

Vor allem Frauenprojekte bringen die Gemeinden in Westafrike voran. Einerseits sind Frauen oft zuverlässiger, haben die Ehrenamtlichen des Bürgerkomitees gelernt, andererseits halten sie die Familien zusammen. - © Bürgerkomitee
Vor allem Frauenprojekte bringen die Gemeinden in Westafrike voran. Einerseits sind Frauen oft zuverlässiger, haben die Ehrenamtlichen des Bürgerkomitees gelernt, andererseits halten sie die Familien zusammen. (© Bürgerkomitee)

Bienen, Maniok und vieles mehr

Das Bürgerkomitee unterstützt noch etliche andere Projekte, wie eine Bienenzucht, eine Frauen-Kooperative, die mit Maniokkochen Geld verdient, oder eine Schulspeisung in der bitterarmen kenianischen Mega-Metropole Nairobi.

Einen vollständigen Überblick der Aktivitäten bietet der aktuelle Jahresbericht, den der Verein gerne versendet. Weitere Informationen gibt Komitee-Chefin Heike Kunter unter Tel. 05204 7408 oder per E-Mail an kontakt@buergerkomitee-steinhagen.de. Die NGO betreibt auch eine Homepage.