Von den Philippinen nach Steinhagen: Pflegekräfte erzählen von Kulturschock

Steinhagen. Ampi Bjelac stammt selbst von den Philippinen und kam 1988 nach Deutschland. Seit 2018 wohnt sie mit ihrem Mann Ilija in Steinhagen. Mit Medizin und Pflege hatte sie nie etwas am Hut. &bdquo;Ich habe in der Kundenbetreuung im Cornelsen-Verlag gearbeitet“, erzählt sie. Als ein Bekannter für seinen Pflegedienst Leute suchte, half sie ihm mit ihren Kontakten zu den Philippinen. Inzwischen hat Ampi Bjelac die Vermittlung von philippinischen Pflegekräften nach Deutschland professionalisiert und dafür mit besagtem Bekannten eine eigene Firma gegründet, den Bjelac & Lirio Recruitment Service. Zu den Dienstleistungen gehören neben der Vermittlung von Fachkräften an künftige Arbeitgeber und der bürokratischen Abwicklung auch ganz praktische Alltagsdinge. Ein Gästezimmer bei den Bjelacs in Steinhagen ist dabei so etwas wie die Ausgangsbasis für das neue Leben in Deutschland. &bdquo;Einen Handyvertrag abschließen, ein Bankkonto eröffnen oder eine Wohnung suchen - das gehört alles dazu“, zählt Ampi Bjelac auf. Die Filipinos seien in Deutschland sehr gefragt, um hier den Pflegenotstand abzufedern. &bdquo;Ihnen werden gute Umgangsformen, Einfühlungsvermögen und Belastbarkeit attestiert“, sagt Ilija Bjelac, der seine Frau wann immer es geht unterstützt. Bezahlung für Pflegekräfte in Deutschland deutlich besser Cyra Tampus gibt dieser Beschreibung ein Gesicht. Die 35-Jährige gehört zu den elf medizinischen Fachkräften, die Ampi Bjelac bereits erfolgreich nach Deutschland geholt und an Pflegeeinrichtungen vermittelt hat. Sie hat einen Abschluss als Pflegefachkraft und zehn Jahre in ihrer Heimat in einem Krankenhaus gearbeitet, bevor sie nach Deutschland kam. Jetzt ist sie in einem Altenheim in Bielefeld angestellt. &bdquo;Hier ist es deutlich einfacher, Familie und Job unter einen Hut zu bekommen“, begründet die Mutter einer elfjährigen Tochter ihre Entscheidung, die Philippinen zu verlassen und in einem fremden Land den Neustart zu wagen. Sie schätzt sehr, dass sie in Deutschland sozial-, arbeitslosen- und krankenversichert ist. Von Sozialleistungen wie Mutterschutz und Krankengeld könne man auf den Philippinen nur träumen, ergänzt Ampi Bjelac. Auch die Bezahlung für eine akkreditierte Pflegefachkraft sei in Deutschland deutlich besser. Eine Pflegekraft auf den Philippinen verdiene gerade mal 200 Euro im Monat. Deutsche Sprache eine hohe Hürde für Filipinos Trotz vorhandener abgeschlossener Ausbildung und Berufserfahrung war der Start für Cyra Tampus in Deutschland aber nicht einfach. Eine der größten Hürden für die philippinischen Fachkräfte sei die deutsche Sprache, berichtet Ampi Bjelac. Mit am Tisch sitzt Jan Michael Sugard, der im März dieses Jahres von den Philippinen nach Deutschland kam und im bayerischen Hof eine Ausbildung zur Pflegefachkraft absolviert. Die deutsche Sprache sei schon Herausforderung genug, sagt der 36-Jährige, aber der bayerische Dialekt mache ihm echt zu schaffen. &bdquo;Eine Unterhose heißt dort Schlüpfer“, habe er bereits gelernt. Alle am Tisch lachen. Gewöhnungsbedürftig sei auch die direkte Art der Deutschen. &bdquo;Das sind wir nicht gewohnt“, berichten die beiden Filipinos. Eine Frage mit &bdquo;Nein“ zu beantworte, sei beispielsweise nicht üblich in ihrer Heimat. Umgang mit alten Menschen ein echter Kulturschock Daneben verzweifelten viele an der deutschen Bürokratie, fügt Ampi Bjelac hinzu und wuchtet zum Beweis einen dicken Aktenordner auf den Tisch. &bdquo;Die beruflichen Nachweise und Zertifikate müssen beglaubigt, ins Deutsche übersetzt und dann der Bezirksregierung in Münster vorgelegt werden“, erläutert die Steinhagenerin. Von der Bezirksregierung erhalten die philippinischen Pflegerinnen und Pfleger schließlich die Anerkennung, damit sie in Deutschland arbeiten dürfen. Vorher müssen sie sogenannte Anpassungslehrgänge für ausländische Pflegekräfte durchlaufen, in denen es neben Sprachkenntnissen auch um das fachliche Know-how geht. &bdquo;Diese Lehrgänge bezahlt der künftige Arbeitgeber. Die Kosten dafür können einige tausend Euro betragen“, berichtet Ilija Bjelac. In den deutschen Altenheimen erleben die philippinischen Pflegefachkräfte dann den nächsten Kulturschock. &bdquo;Auf den Philippinen gibt es nämlich gar keine Altenheime. Die Familien leben zu mehreren Generationen in einem Haus, und es ist üblich, dass Eltern von ihren Kindern oder Enkelkindern gepflegt werden“, berichtet Ampi Bjelac. Deutschland bekannt für schlechtes Wetter und gutes Brot Cyra Tampus nickt und ergänzt: &bdquo;Auf den Philippinen hatte ich mit der Körperpflege von Patienten nichts zu tun. Dazu kamen die Angehörigen ins Krankenhaus und haben das erledigt. Die Pflegekräfte konzentrieren sich dort auf die Medikamentengabe, die Dokumentation und die Koordination mit den Ärzten.“ Die Arbeit mache ihr trotzdem Spaß. Und die Integration sei ihr dank den Bjelacs aus Steinhagen leicht gefallen. Nur daran mag sich die Pflegerin von den Philippinen nicht gewöhnen: &bdquo;Das Wetter in Deutschland ist wirklich anders. Bei uns ist es eigentlich immer heiß.“ Und auch ihrem Kollegen Jan Michael Sugard fällt noch ein Unterschied ein: &bdquo;Die Deutschen essen wirklich sehr viel Brot.“

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