Lost Place: Buchautorin besucht Ex-Bordell in Steinhagen

Steinhagen. Wer hätte gedacht, dass es ausgerechnet im vermeintlich beschaulichen Ostwestfalen-Lippe derart viele verlassene und unheimliche Orte gibt? In ihrem neuen Buch widmet sich die Bielefelder Autorin Dagmar Macêdo gleich 33 Lost und Dark Places in der Region. Auf der Suche nach Gänsehautmomenten und spannenden Geschichten wurde sie auch im Altkreis Halle fündig. Die Autorin besuchte die Waldbegräbnisstätte in Halle, den Hof Overbeck in Werther und das Dreischlingen in Steinhagen, auch bekannt als Steinhagener Landhaus. &bdquo;Abseits der bewährten Tourismus-Magnete hat Ostwestfalen-Lippe auch ein paar schaurig-schöne Leichen im Keller“, stellt Dagmar Macêdo überrascht fest. Die Faszination für im Zerfall begriffene Gebäude, die eine Geschichte erzählen, ist groß und wird seit einigen Jahren mit den Begriff Lost Places beschrieben. Inzwischen gibt es eine Szene, die solche Orte besucht und die besondere Atmosphären in Fotos festhält. In umfangreichen Internetgalerien zeigen die Fotografen ihre Aufnahmen von alten und verlassenen Industrie-Ruinen, Katakomben und anderen verwahrlosten Zeugen vergangener Urbanität. Sie nennen sich Urban Explorer, kurz Urbex, und sehen es eher kritisch, wenn die Lost Places öffentlich gemacht werden. Das hat Dagmar Macêdo jedoch nicht davon abgehalten, ihren Leserinnen und Lesern einige davon vorzustellen. Nackte Frauen werben für erotische Dienste Am verlassenen Steinhagener Landhaus an der Haller Straße fallen ihr die komplett unbekleideten Frauen auf dem Dach auf, die von dort aus in die Ferne auf den Teutoburger Wald blicken. Tatsächlich muss man schon genau hinschauen, um die Figuren zwischen den übers Gebäude ragenden Ästen auf dem Dachfirst zu entdecken. Die meisten Besucher des Landhauses dürften ohnehin zügig ins Innere geeilt sein, ohne den Blick schweifen zu lassen. Denn bekanntlich befand sich in dem Objekt zuletzt ein Bordell. Und die nackten Damen auf dem Dach, die inzwischen arg unter der Witterung gelitten haben, warben für die erotischen Dienste, die im Steinhagener Landhaus angeboten wurden. Noch heute wird über dem Haupteingang in großen Buchstaben die &bdquo;heiße, süße, starke Freiheit“ beziehungsweise &bdquo;Frechheit“ versprochen. Früher eine Gaststätte mit Schlagbaum In ihrem Buch geht Dagmar Macêdo auch darauf ein, was es mit der Bezeichnung Dreischlingen auf sich hat und reist mit ihren Lesern zurück ins Jahr 1844. Damals war das Steinhagener Landhaus nämlich eine von mehreren Gaststätten entlang der Handelsroute zwischen Halle und Bielefeld, an der sich mehrere Schlagbäume, so genannte Schlingen, befanden. Auch in den Jahren danach, so hat die Autorin recherchiert, befanden sich in dem Gebäude Gastwirtschaften. 1932 sei das Dreischlingen umfangreich renoviert worden. &bdquo;Eine Werbeanzeige preiste nun Gartenveranda, Tennisplätze und als Spezialität Aufschnitt aus eigener Schlachtung an“, schreibt Dagmar Macêdo. Erst in den 1980er Jahren zogen dann die nackten Damen aufs Dach. Die neuere Geschichte des Dreischlingen spielt in dem Buch keine Rolle, obwohl auch die schlagzeilenträchtig war: Mit dem Kontaktverboten während der Corona-Pandemie gehen im Steinhagener Landhaus die roten Lichter aus. Anfang 2020 stellt ein Investor seine Pläne für das Grundstück vor. Er will das Dreischlingen abreißen und auf der Fläche ein neues Wohnquartier schaffen. Nach Protesten von Anwohnern lehnt die Politik das Vorhaben ab. Ex-Bordell ist nicht denkmalwürdig Nachdem feststeht, dass das Gebäude nicht abgerissen wird, prüfen Experten vom Landschaftsverband Westfalen-Lippe, ob das Ex-Bordell denkmalwürdig ist. Ist es nicht, wie sie nach einer Begehung feststellen. Als Begründung geben die Denkmalschützer an, dass das Objekt in den vergangenen Jahrzehnten derart herabgewirtschaftet worden sei, sodass vom historischen Dreischlingen kaum noch etwas wiederzufinden sei. Für Fans von Dark und Lost Places hingegen steigt die Faszination dieses Ortes mit jeder weiteren zugewucherten Hauswand und jeder vor sich hinbröckelnder Frauenfigur auf dem Dach. Das Gebäude gehört einem Eigentümer aus Rietberg. Was er mit dem Dreischlingen vorhat, ist nicht bekannt. Das Buch &bdquo;Lost & Dark Places Ostwestfalen-Lippe“ ist im Bruckmann-Verlag erschienen und für 22,99 Euro im Handel erhältlich. Weitere Teile der Serie zu den Lost Places im Altkreis Halle Werthers Wassergeschichten: Die verborgene Geschichte des ersten Schwimmbads Steinhagens Verstecktes Geheimnis: Einblicke in den unterirdischen Bunker Relikte des Kalten Krieges: Borgholzhausens Atomraketen-Basis Halles Verborgene Zuflucht: Die Schutzhöhlen am Teutoburger Wald Das Rätsel von Borgholzhausen: Eine Straße, die ins Nirgendwo führt Halles Verstecktes Erbe: Die Geschichte des jüdischen Friedhofs Güterslohs Vergessene Villa: Ein Einblick in die verlassene Flughafen-Villa Steinhagens Versunkene Erinnerungen: Das vergessene Freibad im Wald Wichlinghausens Geheimnisvolle Ruine: Die Geschichte hinter den verfallenen Mauern Borgholzhausens Dunkle Vergangenheit: Der Lost Place als Zeuge einer schlimmen Zeit Steinhagens Skandalöse Vergangenheit: Das ehemalige Bordell im Fokus Geheimnis um Borgholzhausener Ruine: Auf den Spuren der Geschichte am Steinbruch

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