
Halle. Manche Bilder von Katharina Scharpenberg erzeugen eine Gänsehaut-Atmosphäre. Eines ihrer Lieblingsmotive: eine strengblickende Frau, der Kopf umkreist von bunten Vögeln. Tiefe Schatten, geradezu klassische Züge, kontrastiert von lebendigen Farben. Das Ganze bevorzugt vor schwarzem Hintergrund.
Im Gespräch mit dem HK erzählt die Künstlerin, was es mit dem außergewöhnlichen Motiv auf sich hat, wie es sie in die Alte Lederfabrik in Halle verschlagen und was ihre Familiengeschichte damit zu tun hat.
Katharina Scharpenberg ist eine eindrucksvolle Frau. Wenn die 54-Jährige in ihrem Reich, ihrem Atelier in der Alten Lederfabrik, über sich und ihre Kunst spricht, ist sie offensichtlich voll bei sich angekommen. Mit tiefer Stimme, rollendem russischen Akzent, ganz in Schwarz gekleidet, berichtet sie, dass sie schon seit 20 Jahren an der mehrschichtigen Öltechnik arbeitet, an ihrem Stil eigentlich schon ein Leben lang.
Haller Künstlerin trägt bis zu 20 Schichten auf

„Ich bin zwischen Farben aufgewachsen“, sagt die Künstlerin selbst. „Mein Vater hat gemalt, mein Opa, meine Mutter auch. Und ich male seit meiner Kindheit, genau so wie meine beiden Töchter.“ Katharina Scharpenberg stammt aus Luxemburg. Allerdings liegt ihr Luxemburg im heutigen Kirgistan und ist nach der deutsch-russischen Politikerin Rosa Luxemburg benannt. „Mein Großvater stammt aus Rosenheim“, ergänzt sie. Das wiederum liegt im Wolga-Gebiet.
Ihre Kindheit in der damaligen Sowjetunion habe sie sehr geprägt, sagt die Malerin. Auch wenn Kunst in der Familie einen hohen Stellenwert gehabt habe, an Ausstellungen sei damals nicht zu denken gewesen. Umso mehr bedeute es ihr heute, wenn Menschen vor ihren Bildern stehen blieben und sie erstaunt betrachteten. „Das berührt mich sehr.“ Für sie selbst sei die Ölmalerei sehr wichtig. Oft verbringe sie ganze Wochen bis spätabends im Atelier, um ihrer Passion nachzugehen. Meist entstehen dabei mehrere Werke parallel.
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Scharpenbergs Malerei zeichnet sich vor allem durch eine höchst anspruchsvolle und langwierige Technik aus. Rund 48 Stunden reiner Arbeit stecken in einem großformatigen Ölbild, schätzt sie, Vorbereitung und Trocknungszeiten nicht mitgerechnet. Um die Tiefe und den Glanz zu erzeugen, die ihre Porträts und Stillleben auszeichnen, arbeitet die Bielefelderin in Schichten. „Teilweise mehr als 20“, sagt sie. Klingt anstrengend. „Schon Leonardo da Vinci hat mit dieser Technik gearbeitet“, erzählt die Künstlerin. Für seine Mona Lisa habe er mehr als 100 Schichten aufgetragen.
„Ich liebe diese Technik, weil du bis auf die jungfräuliche Leinwand schauen kannst“, erzählt Scharpenberg. Selbst beim fertigen Werk ließe sich noch die unterste Farbschicht erkennen. Dazu kämen Tiefe und Glanz. Dass sie oft Schwarz verwende, hänge einerseits damit zusammen, dass dadurch die Gesichter besser zur Wirkung kommen. „Außerdem erdet die Farbe mich“, sagt sie. Die farbigen Vögel, die ebenfalls in vielen Bildern auftauchen, wirkten wiederum als Kontrast. „Die Vögel bringen Leben und Dynamik rein.“ Bei den Gesichtszügen stände meist ihre Tochter Pate.
Künstlerin verschlug es aus Russland nach Halle
„Eigentlich fühle ich mich gar nicht so sehr als Künstlerin, eher als Kunstmalerin, als Handwerkerin“, sagt die Kreative. Die Technik sei ihr ebenso wichtig wie das Motiv. „Meine Bilder sind wie meine Protos, ich male sie auch, damit ich beim nächsten weniger Fehler machen.“ Mit „Protos“, meint Scharpenberg ihre „Prototypen“, die sie noch heute im Atelier aufbewahrt: kleine runde metallische Objekte mit feinsten Motiven. Jeden hat sie in vielstündiger Feinarbeit von Hand gemeißelt. Die Prototypen stammen noch aus ihrer Zeit bei der „Union Knopf“.
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In den 1990ern hat die junge Frau, noch frisch in Deutschland, beim Bielefelder Knopfhersteller ihre Ausbildung zur Relief-Graveurin absolviert. Auf nur wenigen Zentimetern hat sie so zum Beispiel ein detailliertes Porträt der Gottesmutter herausgearbeitet. Ihr Kunst-Studium in Russland hatte sie abgebrochen, als sie nach Deutschland ging. Der hohe Anspruch an die Linienführung der Motive aus der Lehre findet sich bis heute in den Bildern.
„Ich wollte schon seit meiner Kindheit im Stile alter Meister malen. Menschen sind die Königsdisziplin“, sagt sie. Im Bücherregal finden sich neben da Vinci, Velasquez oder Rubens auch die Bibel und antike Mythen. Allerdings merke sie auch nach 20 Jahren Übung, dass sie noch technische Schwächen habe, eben weil sie sich alles selbst beibrachte. „Manchmal fehlt mir jemand, der mir über die Schulter schaut und sagt: Katharina, das hast du falsch gemacht!“
Atelier in Halle für Künstlerin ein „Glücksfall“

Anfang 2023 bezog Katharina Scharpenberg ihr Haller Atelier. Ein Glücksfall. „Als ich vor vier Jahren zufällig die Unikat besucht habe, habe ich mich in diese Räumlichkeiten in der Fabrik verliebt“, mit viel Glück habe sie einige Zeit später dann auch ein Atelier bekommen. Die Anfahrt aus Bielefeld nehme sie gerne in Kauf. Die Gemeinschaftsausstellungen in der Alten Lederfabrik seien immer ein Höhepunkt für sie. Mit Verkäufen und Auftragsarbeiten verdient sie sogar etwas Geld, allerdings könne sie sich nur schwer von Bildern trennen: „Wenn jemand sagt: ’Das will ich haben!’ Gut. Wenn er sagt: ’Das ist nicht so meins.’ Umso besser.“
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Die nächsten Ausstellungen
Die Künstlergruppe „art projects Etage Zwei“ – zu der auch Katharina Scharpenberg gehört – plant eine Gemeinschaftsausstellung im „Sonnensaal“ in der Alten Lederfabrik. Unter dem Titel „Abwärts – oder wohin?!“ zeigen die zehn Künstlerinnen und Künstler, was sie geschaffen haben. Zur Vernissage am Freitag, 19. September, um 19 Uhr sind alle Interessierten eingeladen.
Der nächste Kunstmarkt Unikat, an dem alle Künstler des Kulturzentrums teilnehmen, soll am 15. und 16. November stattfinden. Im Mittelpunkt steht dann „die Vielfalt von Kunst, Handwerk und Design, die von zahlreichen Ausstellern und den Künstlern der Alten Lederfabrik präsentiert wird. Das Angebot reicht von handgefertigten Einzelstücken aus den Bereichen der bildenden und angewandten Kunst bis zu Objekten des traditionellen Handwerks und des modernen Schmuck- und Textildesigns“, werben die Organisatoren.