
Halle. Ein gut beheiztes Wohnzimmer, in dem man auch im Winter gemütlich Zeit verbringen kann, ohne frieren zu müssen - auch eine Art von Luxus. Damit neben Komfort aber auch Nachhaltigkeit gewahrt wird, sind die einzelnen Kommunen der Bundesrepublik von der Regierung verpflichtet worden, eine Wärmeplanung zu entwickeln. Dazu haben Städte wie Halle mit weniger als 100.000 Einwohnern bis 2028 Zeit. Bis 2045 soll Deutschlands Wärmeversorgung treibhausneutral sein - wie in vielen anderen Städten ist auch in Halle rund die Hälfte der CO2-Emissionen auf den Gebäudesektor zurückzuführen.
Nun luden Vertreter der Haller Stadtverwaltung und der Wärmeschmiede GmbH interessierte Bürger in den Saal des Bürgerzentrums ein, um die ersten Ergebnisse dieser kommunalen Wärmeplanung vorzustellen. Es kamen so viele, dass spontan zusätzliche Stühle aufgestellt werden mussten.

Diese vielen Besucher beschäftigte vor allem der thematische Teil rund um ein mögliches Fernwärmenetz. Die Fragen hierzu beantwortete vornehmlich Johannes Wiese, Geschäftsführer der Technischen Werke Osning (TWO), schließlich wird der Betrieb eines potenziellen Fernwärmenetzes wohl dem örtlichen Energieversorger zufallen. „Wenn ich mich für das Netz entschieden habe, sind Sie Monopolist“, wandte sich ein Zuhörer direkt an Johannes Wiese, „dann kann ich nachher keinen Preisvergleich mehr bei Verivox machen.“ Wiese entgegnete: „Das ist völlig korrekt.“
Haller Bürger befürchten Anschlusszwang an Fernwärmenetz
Das Publikum quittierte diese knappe Antwort mit einem unzufriedenen Raunen. Felix Hüttl, städtischer Abteilungsleiter für Klima- und Umweltschutz, hatte zuvor bereits festgehalten, das Fernwärmenetz müsste den Bürgern von der Kommune per Gesetz zu wirtschaftlich attraktiven Konditionen angeboten werden. Die Wärmeversorgung durch das Netz müsse also kostengünstiger sein, als es durch individuelle Lösungen der Fall wäre. Trotzdem machte sich unter den Zuhörern die Sorge breit, nach Abschluss des Vertrags preislich übervorteilt zu werden. „Der Versorger darf die Preise nicht willkürlich ändern“, schaltete sich Michael Grosse Kettler von der Wärmeschmiede ein. „Er ist da an die Preisentwicklungen gebunden.“
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Die Gäste wollten außerdem wissen, ob sie verpflichtet sein würden, ihren Haushalt an ein mögliches Fernwärmenetz anzuschließen. Johannes Wiese bemühte sich mehrfach, diese Sorge zu entkräften: „Die Wärmeplanung setzt nicht voraus, dass ein Fernwärmenetz umgesetzt werden muss. Wenn Sie das nicht wollen, bauen wir es auch nicht. Und Sie sind nicht verpflichtet, sich anzuschließen, wenn es gebaut wird.“ Ganz so einfach ist es aber dann doch nicht: So wies ein Besucher auf die Kompetenzen des Stadtrates hin, der einen solchen Anschlusszwang durchaus beschließen kann. „Dann muss man eben aufpassen, wen man wählt“, murmelte ein anderer gut hörbar.

Bürgermeister Thomas Tappe, bislang in der Rolle des Zuhörers, stand daraufhin auf: „Ich weiß, das Wort Zwang klingt erst mal negativ“, setzte er an, „aber vielleicht gibt es dann Haushalte, die am Fernwärmenetz liegen, bei denen die alte Gasheizung kaputt geht. Die freuen sich dann, dass sie sich anschließen müssen“, sagte Tappe, um dann eilig zu korrigieren: „Dürfen.“ Großes Gelächter - war dem Bürgermeister hier etwa ein freudscher Versprecher unterlaufen? Dass es einen Anschlusszwang geben könnte, schloss er in seinem Statement jedenfalls nicht ausdrücklich aus.
Übersichtskarte zum Fernwärmenetz in Halle im Sommer fertig
Tappe ließ sich nicht aus der Ruhe bringen: „Die Inbetriebnahme eines solchen Fernwärmenetzes ist nur dann wirtschaftlich, wenn dabei genügend von Ihnen mitmachen.“ Doch die Entscheidung darüber sei ohnehin Zukunftsmusik. Schließlich sei ungewiss, ob er selbst dann noch im Amt, geschweige denn wie der Stadtrat dann zusammengesetzt sei.
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„Wir wollen Ihnen mit unseren Ergebnissen so früh wie möglich eine Orientierung bieten, damit sie auf dieser Grundlage eine Entscheidung treffen können“, betonte Johannes Wiese. Im Sommer werde es bereits eine Karte geben, die den Verlauf des möglichen Fernwärmenetzes abbildet, versprach Felix Hüttl.
Das Fernwärmenetz würde die Haushalte dann wohl mit Wärme aus verschiedenen Quellen versorgen, prognostizierte Bürgermeister Tappe. Thomas Oesterreich von der Wärmeschmiede erklärte, vor allem die drei Kläranlagen auf Haller Gebiet, Abwärme aus Produktionsprozessen von Unternehmen wie Storck und Biogasanlagen seien in dieser Hinsicht vielversprechend. Felix Hüttl machte abschließend Werbung dafür, sich individuell mit Energieberatern und Handwerkern, von denen einige vor Ort waren, auszutauschen.
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Das ist wohl auch nötig, denn seit 2024 müssen neue Heizungsanlagen zu 65 Prozent mit erneuerbaren Energien betrieben werden, wie etwa durch die Installation einer Wärmepumpe. Insbesondere die Gebäudesanierung sei ein wesentlicher Schritt in Richtung nachhaltiger Wärmeversorgung, erklärte Thomas Oesterreich. So benötigen die Haller Wohngebäude laut seinen Berechnungen 144 Gigawattstunden im Jahr. Allein durch eine jährliche Bedarfssenkung von zwei Prozent durch Gebäudesanierungen (besser isolierte Fenster usw.) könnte Halle den Wärmebedarf bis zum Jahr 2045 auf 96 Gigawattstunden reduzieren.
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