Emotionaler Wahlkampf

Nach Merz-Vorstoß: Berufsschüler in Halle prüfen Bundestagskandidaten

Das sogenannte Zustrombegrenzungsgesetz hat die Bundesrepublik kurz vor der Wahl in Aufregung versetzt. Die Direktkandidaten des Wahlkreises Gütersloh I beantworteten nun in Halle drängende Fragen.

Die Direktkandidaten des Wahlkreises Gütersloh I Ralph Brinkhaus (CDU), Elvan Korkmaz-Emre (SPD), Sebastian Stölting (Bündnis 90/Die Grünen), Patrick Büker (FDP), Kai Röchter (AfD) und Rolf Zernicke in Vetretung der eigentlichen Direktkandidatin Margrit Dorn (beide Linke) stellten sich den Fragen der Haller Berufsschüler. | © Tobias Barrelmeyer

Tobias Barrelmeyer
06.02.2025 | 06.02.2025, 17:38

Halle. Es wird ernst. Die Bundestagswahl am 23. Februar steht kurz bevor. In der Aula des Berufskollegs Halle trafen nun (5. Februar) Vertreter von sechs ausgewählten Parteien aufeinander, um sich den Fragen der Schüler- und Lehrerschaft zu stellen. Andreas Höltke vom Bündnis Sahra Wagenknecht (BSW), das im Wahlkreis Gütersloh I als einzige der geladenen Parteien keinen Direktkandidaten stellt, blieb der Veranstaltung unerwartet fern.

Ralph Brinkhaus (CDU), Elvan Korkmaz-Emre (SPD), Patrick Büker (FDP), Sebastian Stölting (Bündnis 90/Die Grüne) und Kai Röchter (AfD) durften zunächst auf unverfängliche Fragen nach ihrem Lieblingsessen und ihren Hobbys antworten, um sich auf diese Weise spielerisch vorzustellen. Kai Röchter erntete dabei bereits beim Betreten des kleinen Podiums gut vernehmbare Schmährufe, bevor er sich - der Verortung seiner Partei im politischen Spektrum entsprechend - am rechten Rand der Bühne hinter seinem Podium einfand. Von Moderator Peter Burkheiser, Lehrer am Berufskolleg, angewiesen, den Satz „Als Ostwestfale bin ich ...“ zu vollenden, antwortete Röchter „...ehrlich und einer von euch.“

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Nachdem schließlich geklärt war, dass Ralph Brinkhaus gerne Currywurst isst und Elvan Korkmaz-Emre eine Theatergängerin ist, ging es vor der gefüllten, 250 Sitzplätze umfassenden Aula an die politischen Inhalte. Längst nicht alle Schüler fanden in den Reihen vorm Podium Platz - 1.100 Schüler besuchen das Berufskolleg.

Grünen-Kandidat kritisiert CDU und FDP bei Diskussion in Halle scharf

Lehrerin Brigitte Wagner (l.) und ihr Kollege Peter Burkheiser übernahmen die Moderation der verschiedenen Fragerunden. - © Tobias Barrelmeyer
Lehrerin Brigitte Wagner (l.) und ihr Kollege Peter Burkheiser übernahmen die Moderation der verschiedenen Fragerunden. (© Tobias Barrelmeyer)

Bei der zweiten Fragerunde wurden die Politiker mit zufälligen Fragen konfrontiert, für deren Beantwortung sie jeweils zwei Minuten Zeit hatten. Danach durften sie die Frage an einen der anderen Kandidaten weitergeben. Abschließend ging Schüler Lennart Hagemann durch die Reihen seiner Mitschüler und hielt denen, die eine Frage stellen wollten, das Mikrofon hin. Die deutsche Migrationspolitik kristallisierte sich schnell als bestimmendes Thema der Veranstaltung heraus.

Sebastian Stölting kritisierte das Verhalten von CDU und FDP, die bei den Abstimmungen im Bundestag rund um das sogenannte Zustrombegrenzungsgesetz Mehrheiten durch Stimmen der AfD billigend in Kauf genommen hätten. „Das war ein Skandal. Man sollte sich fragen, was man da eigentlich zur Abstimmung stellt, wenn nur die AfD dafür stimmt.“ Von Friedrich Merz, Fraktionschef und Spitzenkandidat der CDU, halte er nichts, stellte er klar.

Ralph Brinkhaus, seit 15 Jahren Bundestagsabgeordneter für den Wahlkreis Gütersloh I, machte indes deutlich, die CDU werde weder mit der AfD, noch mit dem BSW oder der Linken koalieren. Kai Röchter, der während seiner Redebeiträge an der Wand der Bühne lehnte und dabei oft halb hinter dem Vorhang verschwand, kritisierte diese Einstellung auf Nachfrage eines Schülers: „Eine Brandmauer hat zwischen demokratischen gewählten Parteien nichts zu suchen.“

AfD-Mann befürwortet Migration, um Fachkräftemangel zu beheben

Eine Schülerin befragte den AfD-Politiker dann ganz direkt zur Migrationspolitik seiner Partei. Am Berufskolleg gebe es viele Schüler mit Migrationshintergrund, die nun befürchteten, im schlimmsten Fall des Landes verwiesen zu werden. „Den Fachkräftemangel ohne Migration zu beheben, funktioniert nicht“, sagte Röchter zunächst entschieden. Es gehe der AfD keineswegs darum, Menschen, die sich in Deutschland eingelebt und integriert hätten, auszuweisen. „Wir wollen aber kontrollieren, wer über die Grenze in das Land kommt und die illegale Einwanderung verhindern.“ Das System funktioniere nicht, wenn sich andere Staaten nicht an der Aufnahme von Flüchtenden beteiligten und diese immerzu nach Deutschland schleusten.

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Zur Frage, wie sich Deutschland auf die kommenden Krisen vorbereiten müsse, argumentierte Rolf Zernicke von der Linken, es sei an der Zeit, eine Entscheidung zu treffen. „Wir müssen uns überlegen, ob wir das Geld ausgeben, um kriegstauglich zu werden oder das Klima zu retten.“ Beides gleichzeitig sei nicht möglich.

Mit Blick auf den Rest der Welt betonte Ralph Brinkhaus den Stellenwert der Europäischen Union. „Wer denkt, wir könnten es allein mit Trump oder China aufnehmen, der irrt sich“, sagte er. Die EU sei überdies nicht nur als Friedensprojekt beispielhaft, sondern auch für große deutsche Firmen und Arbeitgeber ein wichtiger wirtschaftlicher Rahmen.

SPD-Frau Korkmaz-Emre setzt auf Ausbau der Windkraft

Schulleiter Nils Kralemann rief die Schülerschaft dazu auf, sich ein Bild von den Kandidaten zu machen, um auf dieser Grundlage eine Wahlentscheidung zu treffen. - © Tobias Barrelmeyer
Schulleiter Nils Kralemann rief die Schülerschaft dazu auf, sich ein Bild von den Kandidaten zu machen, um auf dieser Grundlage eine Wahlentscheidung zu treffen. (© Tobias Barrelmeyer)

Die Fragen zum Umweltschutz fielen vor allem Patrick Büker und Elvan Korkmaz-Emre zu. Büker führte aus, es müssten künftig mehr Anreize für Unternehmen geschaffen werden, weniger Emissionen auszustoßen, etwa durch einen Zertifikat-Handel auf EU-Ebene. Ein weiterer wichtiger Bestandteil sei der verpflichtende Ausbau von Fotovoltaik-Anlagen. Korkmaz-Emre lobte indes den bisherigen Ausbau der Windenergie in Deutschland und schrieb ihr auch weiterhin eine große Bedeutung für das Erreichen der Klimaziele zu.

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Nach 90 Minuten war es dann schon wieder vorbei. Die Schülerschaft, von der laut Schulleiter Nils Kralemann mehr als die Hälfte bereits wahlberechtigt ist, hatte aufmerksam zugehört und sich auch in der dritten Fragerunde rege beteiligt. Das Berufskolleg Halle ist anscheinend gut auf den 23. Februar vorbereitet. Aber gilt das auch für die politische Mitte der Bundesrepublik? Für Ralph Brinkhaus steht jedenfalls fest: „Die nächsten vier Jahre sind der letzte Schuss, den die Demokratie in Deutschland frei hat.“