Großes True-Crime-Event der NW in Bielefeld: Nichts für schwache Nerven

Bielefeld. Für gewöhnlich versammeln sich im Spiegelzelt Menschen, die ein bisschen Spaß haben wollen bei Komödien oder einfach guter Livemusik. Doch diesmal ist alles anders: Nervenkitzel im Ravensberger Park, (imaginäre) Blutlachen auf den historischen Holzplanken; Abgründe tun sich auf: Raub, Mord, Totschlag, Folter und Vergeltung – das Spiegelzelt wird zum Gruselkabinett. Die &bdquo;Neue Westfälische“ hatte zur Horrorshow geladen, 270 Gäste im Rundzelt folgten dem Ruf. Das Zelt war ausverkauft. 24.000 Freizeit-Kriminalisten haben den True-Crime-Podcast &bdquo;OstwestFälle“ der NW abonniert, der an diesem Abend live gespielt wurde und in dem es um &bdquo;Cold Cases“, ungeklärte Gewaltverbrechen und Vermisstensuchen in Ostwestfalen-Lippe ging. Gut 20 Verfahren nimmt das Ermittlerteam aktuell erneut unter die Lupe, einige davon kamen zur Sprache. Die Moderatorin des Podcasts, Birgitt Gottwald, holte sich kompetente Leute aufs Podium, um mit ihnen über diese Fälle zu sprechen. Leute, die teils &bdquo;ganz nah dran“ waren an diesen Gewalttaten, darunter Nicole Donath, Redaktionsleiterin des &bdquo;Haller Kreisblatts“. Denn abgrundtiefe Gewaltverbrechen gibt es nicht nur in den dunklen Ecken der South Bronx oder den Favelas von Bogota, sondern auch in Donaths &bdquo;Beritt“ im nördlichen Kreis Gütersloh - in Halle, Versmold oder Steinhagen. Und das ist bitterer Ernst und leider traurige Realität. Marion S., Nelli Graf und mehr: Schockierende Fälle aus OWL Die elfjährige Jennifer (ermordet 1998) wird erwähnt – der Täter wurde überführt, Zeitungsbotin Gabriele Obst wurde 2013 erschossen, regelrecht hingerichtet, Maria Kruse mit Hammer und Axt erschlagen, Marion S. getötet und vergraben (ihr Noch-Ehemann später zu lebenslanger Haft verurteilt) oder Nelli Graf: &bdquo;Anfang Februar 2012 wurde ich über einen Leichenfund in einem Wäldchen in Halle-Kölkebeck informiert“, erinnert sich Nicole Donath, und weiter: &bdquo;Der Krach des Presslufthammers, mit dem der stark skelettierte Leichnam aus dem gefrorenen Boden geholt werden musste, verfolgt dich bis in die Nacht. Du bist noch voll Adrenalin.“ Man hatte, so die späteren Ermittlungsergebnisse, Nelli Graf mit Panzerband Augen und Mund zugeklebt, sie mit Kabelbinder fixiert und ihr post mortem die Kehle durchtrennt. Der Fall Nelli Graf ist so ein &bdquo;Cold Case“, also bislang ungeklärt. Auch eine DNS-Reihenuntersuchung, bei der fast 7.000 Männer Speichelproben abgeben mussten, führte zu keinem Ergebnis. Sieben Frauen und ein Mädchen wurden in den letzten drei Jahrzehnten allein im nördlichen Kreis Gütersloh Opfer eines Gewaltverbrechens, statistisch ereilt dieses Schicksal eine Frau jeden Tag in Deutschland. Verbrechen in OWL im 18. und 19. Jahrhundert Zeitsprung: Auch &bdquo;anno Tobak“ gab es Kapitalverbrechen in OWL. Starken, grausigen Tobak! Davon berichtet Johannes Glaw, Stadtarchäologe, Historiker und Autor in Gütersloh. Er entführt die gespannt, anmutig und wohlig gruselnd lauschende Zuhörerschaft im Spiegelzelt ins 18. und 19. Jahrhundert. Ein goldenes Zeitalter nicht nur für Strauchdiebe. Weil es keine grenzüberschreitende Strafverfolgung gab, reichten den Verbrechern kurze Wege zur &bdquo;Amnestie“. Allein im Bezirk Gütersloh gab es zehn Herren, die auf ihren Ländereien nach Gutdünken walten konnten – inklusive individueller Rechtssprechung. Davon profitierte 1794 Heinrich Böger, der seinen Nachbarn Johannes Fischer mit einem Knüppel erschlug. Irgendwann wurde dem Übeltäter doch seiner gerechten Strafe zugeführt – Tod durch Rädern. Die Hinrichtung geriet zu einem Volksfest. Auch ein gewisser Philipp Gehring, seines Zeichens Räuber und Wiederholungstäter, lebte nicht lange. Er wurde zunächst an die Sparrenburg gekettet und dann nach Quelle verbracht. Dort, auf der Galgenheide (nomen est omen), wurde er erhängt. 2.000 Schaulustige wohnten dem zweifelhaften Spektakel bei. Das mit der Beweisaufnahme und lückenlosen Indizienketten war damals nicht so üblich. Überführt wurden Täter oftmals nach einer peinlichen Befragung, soll heißen: erst Pein, dann Geständnis. Heute sagt man Folter dazu. &bdquo;Da wurde schon mal an den Daumenschrauben gedreht und den Delinquenten spanische Stiefel angezogen, also ein Schuhwerk mit Dornen und Nägel als Innenfutter“, erklärt Johannes Glaw. Strafverteidiger berichtet von Femizid-Fall in Bielefeld Der dritte Gesprächspartner von Moderatorin Birgitt Gottwald war Carsten Ernst, Strafverteidiger. Zu seiner Klientel gehören Vergewaltiger, Brandstifter, Erpresser und Mörder. Zuletzt wirkte er im Prozess gegen einen Bielefelder Hells Angel mit. Carsten Ernst berichtete über einen Bielefelder Femizid-Fall. Sein Mandant hatte damals eine junge Deutsche erwürgt, nachdem diese von Polizisten erfahren hatte, dass ihr in Bielefeld untergetauchter Freund zur Abschiebung ausgeschrieben war. Der Bielefelder ahnte, dass damit eine Hochzeit und somit auch eine dauerhafte Aufenthaltsgenehmigung nicht mehr möglich sein würden. Er tötete sie in ihrem Schlafzimmer. Vor Gericht hatte er die Beteiligung an dieser Tat immer bestritten. Der Bielefelder war übrigens Wiederholungstäter. Schon Jahre zuvor hatte er eine Frau in Berlin erwürgt. Trotzdem fand er ausgerechnet in Haft immer wieder Frauen, die sich in ihn verliebten. Schon wieder eine Frau, die sterben musste, weil sie eine Frau ist.

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