
Halle. Das Gremium, besetzt mit Fachleuten aus Landwirtschaft, Immobilien, Forstwirtschaft, Handwerk, Technische Werke Osning (TWO), Fridays for Future und interessierten Bürgern hat eine fünfteilige Interviewreihe aufgesetzt, bei der das Thema Windkraft im Mittelpunkt steht. Zuletzt ging es bei einem Online-Meeting um „Energieverwendung und Wirtschaftlichkeit“.
Das Interview
Die Moderation übernahm TWO-Chef und Klimabeiratsmitglied Johannes Wiese, als Experte zu Gast war Stefan Brinkmann, Geschäftsführer der „IngenieurNetzwerk Energie eG“ – einem Planungsbüro mit Schwerpunkt Energiemanagement. Er versuchte, die wichtigsten Fragen zu beantworten: Anreize für Akteure wie die Stadtwerke Münster, Dimensionen und praktische Umsetzung. Es ging dabei auch um Chancen und Grenzen. Die Ergebnisse des Interviews im Faktencheck.
Wie viele Haller Bürger können mit einem Windrad versorgt werden?
„Derzeit liegt die Anlagengröße bei 5,5 bis 7,2 Megawatt mit einer Produktion von circa 17,5 Millionen Kilowattstunden (kWh) pro Jahr. So können mehr als 5.000 Haushalte mit einer Windkraftanlage versorgt werden“, erklärte Brinkmann.
Wie kann der Strom genutzt werden?
Die Einspeisung ins öffentliche Stromnetz (auf Basis einer EEG-Vergütung) stellt die Basis dar und garantiert über 20 Jahre eine sichere Einnahme. Darüber hinaus sind so genannte PPA-Verträge (Einzellieferverträge zwischen Windkraftanlagenbetreibern und Großkunden) mit Laufzeiten von fünf bis seltener zehn Jahren möglich. Oder der Strom wird zur Erzeugung von Wärme genutzt. Besonders interessant sind dabei Möglichkeiten über eine direkte Stromleitung vom Windrad zum Heizwerk, da so keine Netzentgelte, Umlagen und Abgaben anfallen.
Kommt der Strom auch bei den Haller Bürgern an?
Physikalisch betrachtet wird der Strom aus einem Windrad ins Stromnetz eingespeist, und von dort werden die Bürger versorgt. Eine Direktleitung zwischen einem Windrad und dem Stromverbraucher gibt es nicht. In Sachen Akzeptanz gibt es Bürgerstrommodelle oder Regionalstrommodelle. Hierbei wird ein vergünstigter Strompreis für die Anwohner in den Kommunen um einen Windpark herum angeboten. „Also ja und nein. Wind ist mal da und mal nicht da – und auch mal mehr als man braucht“, erklärt Brinkmann. Sofern kein Wind weht, wird der Strom mittels anderer erneuerbarer Energiequellen (PV, Wasserkraft, Biomasse) erzeugt. Auch konventionelle Kraftwerke (Gaskraftwerke, Kohlekraftwerke, Kernkraftwerke) und Importe haben ihren Anteil.
Wer bekommt den Strom, wenn zu viel Wind weht?
Der Strom aus dem Windrad wird ins deutsche Stromnetz eingespeist. Weht viel Wind, wird viel Strom eingespeist, was wiederum eine Auswirkung auf den Anteil der erneuerbaren Energie am Strommix hat. Nutzungsmöglichkeiten für Überschussstrom können sein: Einspeisung ins Netz und Export an Nachbarländer, Reduzierung anderer (konventioneller) Kraftwerke oder Energiespeicherung. „Sollte insgesamt mehr Strom erzeugt werden, als tatsächlich gebraucht wird, hat dies erheblichen Einfluss auf den Preis. Der geht dann teilweise in den negativen Bereich. Deshalb kann es in solchen Phasen wirtschaftlich besser sein die Windräder abzuschalten“, erklärt Brinkmann.
Kann der Überschuss gespeichert werden?
Die Entwicklung geht seit einiger Zeit in die Richtung, dass große Batteriespeicher in der Nähe von Umspannanlagen gebaut werden, um genau diesen Effekt zu nutzen.
Wie wirkt sich das auf den Strompreis der TWO aus?
Auch die TWO kann sich über Direktlieferverträge Strommengen einkaufen. Inwiefern die Gesellschafter der Windräder der TWO einen Sonderpreis einräumen werden, ist Sache der Gesellschafter. Ebenso kann durch die Windkraft eine Wertschöpfung zum Aufbau einer Wärmeversorgung für die Stadt aufgebaut werden. Überlegungen bei den TWO gibt es hierzu bereits.
Müssen die Haller für den Netzanschluss mitbezahlen?
Für die projektierten sechs Windkraftanlagen der Stadtwerke Münster hat es schon Gespräch mit dem vorgelagerten Netzbetreiber Westnetz gegeben. Demzufolge ist der nächst mögliche Netzanschlusspunkt in der Umspannanlage Hesseln. Das bedeutet, bis dorthin haben die Windkraftanlagenbetreiber den Netzanschluss zu legen und zu bezahlen. Die TWO müssen ihr Netz somit nicht ausbauen.
Können sich die Haller Bürger finanziell beteiligen?
Eine mögliche Form der Bürgerbeteiligung ist die Gründung einer Bürgerenergiegenossenschaft. In der Regel haben Bürger dort eine Beteiligungsmöglichkeit von 500 bis 25.000 Euro pro Genosse. Diese Bürger eG kann sich an einer Betriebs-KG beteiligen.
Wann laufen die Windräder wirtschaftlich?
Sehr wirtschaftlich laufen sie an windreichen Standorten mit mehr als sieben Meter/Sekunde, aber auch die Wahl der Technik ist entscheidend. Des Weiteren sind die Netzanschlusskosten ein wichtiger Kostenfaktor – und die standortabhängigen Auflagen bezüglich Immissionsschutz und Artenschutz. „Die größten Risiken stecken in der Projektentwicklungsphase bis zur Erteilung der Genehmigung eines Windparks“, so Stefan Brinkmann.
Wie profitieren jene, die sich nicht beteiligen können?
„Hier können sie indirekt über ihren Strombezug bei der TWO oder von einer möglichen Fernwärmeversorgung profitieren“, erklärt der Planer.
Wie profitiert die Stadt davon?
Die Kommunen erhalten mindestens 90 Prozent der Gewerbesteuereinnahmen, Entschädigungen für die Wegenutzung und Baulasteintragungen (sofern gemeinde-eigene Flächen) und eine direkte Beteiligung von 0,2 Cent/kWh; allein das sind bei einer Windkraftanlage pro Jahr 30.000 Euro.
Das Projekt
Die Stadt Halle, die Technischen Werke Osning (TWO) und die Stadtwerke Münster wollen beim Ausbau von Windenergie zusammenarbeiten. Bis zu 60 Millionen Euro wollen die Münsteraner für den Bau von bis zu sechs Windräder auf Haller Gebiet in die Hand nehmen. Die Windräder, deren Standorte in Hörste und Kölkebeck vorgesehen sind, könnten bis zu 77 Millionen Kilowattstunden Strom erzeugen, nahezu die doppelte Menge dessen, was die TWO derzeit an ihre Privatkunden liefert. Mit dem erzeugten Strom könnten rund 22.000 Haushalte versorgt werden. Das Projekt stößt auf heftige Kritik unter anderem der Bürgerinitiative Barrelpäule, die eine Zerstörung von Naturräumen durch die massiven Bauprojekte befürchtet.