Ersatzteilwechsel in 100 Metern Höhe: Kran bringt Haller Windrad in Schwung

Halle. Wenn das Auto beim Fahren laut brummt, ist meistens das Radlager defekt. Kostet zwar beim Fachmann ein paar hundert Euro, ist aber kein großer Akt. Reifen ab, Lager tauschen, Reifen wieder drauf und weiter geht die Fahrt. Deutlich komplizierter wird es, wenn das Rotorlager eines Windrades die Grätsche macht. Schließlich muss dies in luftiger Höhe ausgetauscht werden, da es gut 100 Meter über der Grasnarbe im Maschinenhaus direkt hinter den Rotorblättern sitzt. In Kölkebeck ist dies beim Windrad neben dem Dallmeyer-See der Fall. &bdquo;Zwei von uns sind gerade oben“, erklärt ein Mitarbeiter des Wiesbadener Unternehmens Abo Wind AG, das sich auf den weltweiten Aufbau von Anlagen der Energieversorgung aus erneuerbaren Energiequellen spezialisiert hat. Aus dem Inneren der Windradgondel dröhnen die lauten Geräusche eines vermutlich überdimensionalen Akkuschraubers durch die idyllische Natur am Rande von Kölkebeck. Neben dem 117 Meter hohen Windrad stehen zwei Kräne der Firma Hartinger aus Warburg-Scherfede (Kreis Höxter), einer davon hat seinen Haken bereits am Rotorblatt befestigt, dessen Verschraubungen gerade gelöst werden. &bdquo;Da hängen dann gleich 34,5 Tonnen dran“, erklärt der Mitarbeiter des Wiesbadener Unternehmens, der ebenso wie die weiteren Kollegen vor Ort zwar gerne Auskunft gibt, aber seinen Namen nicht in der Zeitung lesen möchte. Den Betreiber der Anlage kenne er nicht, man wisse nur, dass man den Auftrag hat, möglichst innerhalb dieser Woche die erforderlichen Arbeiten abzuschließen. &bdquo;Das ist normaler Verschleiß, solch ein Lager hält 15 bis 20 Jahre“, erklärt der Windradexperte den Austausch. Wind kann auf Rotorhöhe viel stärker sein Die Aufschrift Natenco hilft im Jahr 2024 bei der Suche nach dem Betreiber des Windrads leider nicht mehr viel weiter, da die Firma, die mit vollem Namen &bdquo;Natural Energy Corporation GmbH“ hieß, bereits 2006 und somit etwa zeitgleich zur Errichtung des Windrads unweit des Settelwegs an den französischen Windkraftanbieter Theolia verkauft wurde. Diese gehört wiederum seit 2017 zur EDF Renewables-Gruppe, die vor zwei Jahren in EDF Renewables Deutschland GmbH umbenannt wurde. Der Zusatz MD77 am Gehäuse des Windrads weist auf den Rotordurchmesser von 77 Metern hin. &bdquo;Wird knapp“, antwortet einer der unweit des Windrads in einem Campingstuhl sitzenden Mitarbeiter gelassen auf die Frage, wo das Rotorblatt runterkrachen würde, wenn der Haken es nicht halten könnte. Kurz darauf melden sich per Funk die beiden Kollegen aus dem Inneren des Windrads und geben grünes Licht für die Demontage des Rotorblatts. &bdquo;Hier unten wirkt es sehr windstill, aber dort oben kann das schon ganz anders aussehen“, erklärt der Fachmann. In Böen bis zu fast acht Meter pro Sekunde Windgeschwindigkeit wird am Rotor gemessen, somit Windstärke 4. Noch schwach genug, so dass die etwas knifflige Aufgabe - Rotorblatt Richtung Boden bewegen, um dann in Ruhe das defekte Lager austauschen zu können - beginnen kann. Zwei Seile lenken das tonnenschwere Rotorblatt Die vier Kollegen am Boden müssen nun auch ran und erheben sich von der sonnendurchfluteten Wiese oder aus dem auseinandergeklappten Camping-Mobiliar. Mit Helm und Warnweste geht es auf die Wiese, wo jeweils zwei Männer ein Seil halten, welches an zwei der drei Rotorblättern befestigt ist. &bdquo;Wir können das Blatt dadurch ein wenig lenken“, erklärt einer der Männer. Vier starke Hessen halten, unterstützt von zwei Kränen, ein Teil, das nur 10.000 Kilogramm leichter ist als das Hermannsdenkmal ohne Sockel. Klingt nach einer Außenwette bei &bdquo;Wetten, dass ...?“, ist aber Alltagsgeschäft für das Windradteam. Langsam löst sich daraufhin der Rotor vom Gehäuse und schwebt am Kranseil behutsam Richtung Boden. Es dauert etwa 30 Minuten, bis das Rotorblatt am Boden liegt. &bdquo;Wir haben Montag mit den Arbeiten begonnen und wollen das neue Rotorlager, das bereits vor Ort lagert, bis Freitag montiert haben“, erklärt einer der Mitarbeiter. Schließlich wolle man die Arbeitszeit möglichst kurz halten, denn alleine die Mieter für den riesigen Kran belaufe sich schnell auf 10.000 Euro pro Tag. Das Kölkebecker Windrad gehört mit seiner Gittermastbauweise zu den eher seltenen Arbeitsorten der Windradbauer. &bdquo;Diese Teile werden heute gar nicht mehr gebaut. Der einzige Vorteil war damals, dass sie günstiger waren als die herkömmlichen Windräder“, erklärt einer der Mitarbeiter. Zudem animieren sie offenbar Mittzwanziger aus Bielefeld dazu, einfach mal raufzuklettern und den Sonnenuntergang über Kölkebeck zu erleben. Aber darüber hatte das &bdquo;Haller Kreisblatt“ ja schon vor knapp vier Wochen berichtet. Erst die Hamburger Brücke, dann das Haller Windrad Mit dem Kran der Spezialisten aus dem Kreis Höxter nähert man sich der Spitze des Windrads dann doch deutlich leichter und vor allem sicherer. &bdquo;Wir kommen bei diesem Kran auf eine Höhe von bis zu 165 Meter“, erklärt ein Mitarbeiter der Firma. Kürzlich sei man noch in Hamburg im Einsatz gewesen, wo derzeit die Berlinertordammbrücke, welche die City mit Hamburgs Osten verbindet, abgebrochen und bis 2027 erneuert wird. Oft sei man auch im Windpark in Lichtenau (Kreis Paderborn) im Einsatz, wo sich der einst größte Binnenland-Windpark Europas mit insgesamt 78 Anlagen und einer installierten Nennleistung von 87 Megawatt befindet. &bdquo;Wenn man da abends auf die blinkenden Lichter schaut, ist das echt beeindruckend“, sagt der Kranführer. Aber auch solch ein Rotorlagertausch in Kölkebeck sei spannend anzuschauen, erklärt der Mitarbeiter und schießt mit seiner Kamera ein paar Fotos fürs Firmenalbum.

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