Lost Place: Das schlummert in dem mysteriösen Turm in einem Haller Ortsteil

Halle-Künsebeck. Karin Redecker kramt den Schlüssel mit dem Holzanhänger und der Aufschrift &bdquo;Feuerwehrturm“ hervor. Sie steckt ihn in das Schloss der kleinen Holztür links neben dem gut zehn Meter hohen Bauwerk und mit einem Knarren öffnet sich die Tür und gibt den Blick ins Innere frei. Das Interieur überrascht etwas, denn in dem etwa 50 Quadratmeter großen Raum finden sich zwar Dinge mit Feuerwehrbezug, aber auch Gegenstände, die damit nichts zu tun haben. Nichts davon gehört jedenfalls Karin Redecker, obwohl sie die Eigentümerin des markanten Gebäudes im Ortszentrum ist. &bdquo;Ich war hier selbst jahrelang nicht drin, erst kürzlich habe ich mal wieder reingeschaut, weil ich derzeit überlege, wie es mit dem Turm weitergehen kann“, erklärt Redecker hinsichtlich des markanten Turms, an dem jeder in Kölkebeck vorbeifährt und sich wohl auch manch einer fragt, was dort drin ist. Reingeschaut haben nämlich nur wenige, denn der Turm gehört Redecker, auch wenn er mit ihrem Einverständnis als Lagerraum der Freiwilligen Feuerwehr und der TSG Kölkebeck-Bokel genutzt wird. Die Aufschrift &bdquo;Freiwillige Feuerwehr Kölkebeck“ weist darauf hin, dass die Rettungskräfte wohl schon länger einen Bezug zu dem Turm haben. In der Tat hat Redeckers Urgroßvater Heinrich Beckmann, Gründungsmitglied der Kölkebecker Feuerwehr, einst einen Teil seines Grundstücks für den Turmbau bereitgestellt. Die Baugenehmigung erfolgte 1929, ein Jahr später wurde der Turm errichtet. Knapp 100 Jahre später ist nun die Urenkelin Beckmanns die Eigentümerin der kuriosen Immobilie. Postbote könnte den Turm kennen &bdquo;Der Turm hat sogar eine eigene Postanschrift, Kölkebecker Straße 31“, sagt Redecker. Dies habe sie erst kürzlich durch Zufall rausgefunden. Den Postboten könnte dies jedoch vor Probleme stellen, einen Briefkasten gibt es nämlich an dem aus Steinen und vielen Holzbrettern bestehenden Turm samt Anbau nicht. Anfangs hatte der Turm, in dem einst die Feuerwehrschläuche zum Trocknen aufgehängt wurden, nur einen kleinen Anbau. Eben so, dass ein Feuerwehrfahrzeug dort parken konnte. &bdquo;Der hintere Bereich kam dann 1952 dazu“, erklärt Redecker. Anfangs habe die Stadt noch eine Pacht von drei DM pro Jahr gezahlt, mittlerweile hat sie ein Nutzungsrecht. Mit dem Bau des neuen Gerätehauses im Jahr 1979 verlor das alte Gebäude an Bedeutung. Es blieb dennoch stehen und wird bis heute als Lagerraum genutzt. &bdquo;In Kölkebeck gibt es geteilte Meinungen. Einige würden den Turm gerne behalten, andere fragen sich, welchen Nutzen er noch hat“, sagt Redecker. &bdquo;Das ist hier alles im Dornröschenschlaf“, ergänzt die 62-Jährige. Sie denke seit einiger Zeit daran, was man mit dem Turm anstellen könnte. Immobilienmakler hätten sich den Bau schon angeschaut und diverse Ideen geäußert. &bdquo;Möglich wäre auch, dass die Stadt den Turm kauft, schließlich hat sie ein Vorkaufsrecht“ Es habe schon Gespräche gegeben, Redecker spricht sogar von einem vorgeschlagenen Kaufpreis, der sich jedoch nicht mit ihren Vorstellungen deckte. Unbekanntes Silberhochzeitspaar hat sich im alten Gemäuer verewigt Die Zukunft ist also noch offen, aber die Gegenwart zeigt sich gerade im schummerigen Tageslicht, das sich durch die Holzbretter hindurchquetscht. &bdquo;Nicht erschrecken“, sagt Redecker, als der Wind die Eingangstür immer wieder gegen den Rahmen schleudert. Gruselig ist es hier dennoch nicht, das Innenleben erinnert, abgesehen vom etwas überproportionalen Spinnenaufkommen, an so manchen Kellerraum. Hier wurde alles deponiert, was nicht weggeworfen werden sollte. Neben dem Festwagen zum 100-jährigen Bestehen der Kölkebecker Feuerwehr, dessen Aufschrift noch an die Tanzparty am Samstag, 4. Juli 2009, und an den Frühschoppen am Sonntagmorgen mit anschließendem Kaffee und Kuchen erinnert, gibt es ein Turnpferd, Basketballkörbe, eine Torwand und zwei Säcke Sportplatzkreide zu je 25 Kilogramm. Ein Foto samt silberner 25 und einem grünen Kranz erinnert an die Silberhochzeit eines Pärchens mit Feuerwehr- oder Sportvereinsbezug. &bdquo;Die kenn ich gar nicht“, sagt Redecker beim Anblick des Fotos. Vielleicht ist das Paar mittlerweile auch der Goldhochzeit schon näher, niemand weiß, seit wann das Jubiläumsgesteck schon im Turm lagert. Zudem schlummert hier die Würstchenbude, die erst kürzlich beim Osterfeuer ihren letzten Auftritt hatte. Die Dachplane der Bude liegt zum Trocknen noch ausgebreitet über dem einstigen Jubiläumsanhänger. Nachbarin sorgt für weihnachtlichen Lichterglanz &bdquo;Vielen wissen gar nicht, dass ich die Eigentümerin bin“, sagt Redecker. Vor etwa 15 Jahren habe die Feuerwehr auf eigene Faust den Turm neu gestrichen. &bdquo;Das ist ja nett, aber mich hatte vorher niemand gefragt, vielleicht hätte ich mir ja einen rosafarbenen Anstrich gewünscht“, sagt die 62-Jährige mit einem Augenzwinkern. Ebenfalls auf eigene Faust haben Mitglieder der Freiwilligen Feuerwehr vor einigen Jahren zur Weihnachtszeit einen Lichtschlauch in Form eines Tannenbaums an die hölzerne Außenfassade getackert. &bdquo;Den Strom dafür hat eine Nachbarin geliefert“, sagt Redecker. Da diese Nachbarin keine Zeitschaltuhr in ihrem Gebäude haben wollte, sei sie stets zur passenden Uhrzeit in ihre Garage gegangen und habe den Schalter umgelegt. Mittlerweile, so glaubt Redecker zu wissen, werde der Storm an einer Straßenlaterne abgezapft. Offenbar gibt es aber auch Stromleitungen, die zu dem alten Schlauchturm führen, und auch im Inneren des Turms laufen Stromkabel an Wänden und Decken entlang und enden an Fassungen ohne Glühbirnen. &bdquo;Hier gibt es leider kein Licht“, sagt Redecker, da muss sie erst gar nicht den unter Spinnenweben versunkenen Lichtschalter umdrehen. Schließlich hat dies wohl schon seit Jahrzehnten keiner mehr gemacht. Man sollte also eine Taschenlampe mitnehmen, wenn man sich in dem fast 95 Jahre alten Gebäude umschaut. Eine in die Jahre gekommene Leiter führt nach oben Wer mutig ist, kann auch in die Spitze des Steigerturms klettern. Eine an der Wand verankerte Leiter mit anfänglichen Metallbügeln und im weiteren Verlauf mit Holzsprossen führt hinauf. Es bedarf einer Menge Mut und Vertrauen in das möglicherweise ermüdete Material. Im Vertrag steht, dass der Turm abgerissen werden kann, wenn er nicht mehr gebraucht wird. Die Kosten für einen Abriss müsste die Stadt übernehmen, die sich auch generell um den Feuerwehrturm samt Anbau kümmern muss. Karin Redecker würden den Turm vermissen, aber ihr ist auch klar, dass eine sinnvolle Nutzung abseits eines vor sich dahinrottenden Abstellraums das Beste für alle Kölkebecker wäre.

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