
Zugegeben: Ich bin ja selbst kein Kind von Traurigkeit. Von meiner unglückseligen Tendenz, auf der Strecke zwischen Hörste und Hesselteich Strafmandate zu sammeln, habe ich an dieser Stelle schon ein Mal berichtet. Und auch bei mir steigt er hoch, dieser Frust, den wir wohl alle kennen, wenn wir vor einer neuen Baustelle stehen.
Ernsthaft jetzt? Hier geht’s nicht weiter? Und jetzt auch noch ’ne Umleitung - die wird mich doch zahlreiche Kilometer und viel zu viel Zeit kosten. Die Ungeduld wächst im Sekundentakt, parallel steigt der Blutdruck. Nun ist der Frust mit dem Straßenverkehr nichts Neues - schon Herbert Grönemeyer fluchte in den 80ern musikalisch „Ich steh hier schon seit Stunden“. Allerdings ist unser Leben seither noch enger getaktet, wir haben doch alle keine Zeit.
Mitunter treibt dieser Frust dann allerdings absonderliche Blüten. So wie in diesen Tagen auf der Queller Straße in Steinhagen zu beobachten war. Die ist aufgrund einer Baustelle auf einem Abschnitt voll gesperrt - aber befahrbar. Und zwar für Anlieger - mit Tempo 30 wohlgemerkt. Scheint aber niemanden zu kümmern, wie der Polier der Baustelle vor Kurzem meinem Kollegen Jonas Damme berichtete. Es könnten nicht nur Anlieger sein, die da an ihm vorbeirasten. Weit jenseits der 30 - und dann noch mit wütenden Blicken garniert, wenn ein Bauarbeiter auf die erhöhte Geschwindigkeit aufmerksam machte.
In Halle brettern die Autos über die Baggerspur

Solches Verhalten ist verboten und gefährlich - keine Frage. Und zugleich ein Beleg für die aktuell so kurze Zündschnur unserer Gesellschaft. Die blank liegenden Nerven äußern sich mitunter in einem grundlegenden Misstrauen gegenüber dem Staat und jeder Obrigkeit. Motto: Was „die da oben“ veranstalten, ist so ineffizient, dass wir nichts Gutes zu erwarten haben. Und so wird das Recht mitunter eben in die eigene Hand genommen.
Diese These stützen auch Beobachtungen von anderen Baustellen. Der Landesbetrieb Straßen.NRW etwa berichtete kürzlich davon, dass in Schloß Holte-Stukenbrock Schilder und Baken einfach entfernt wurden. Die Menschen machten sich sogar die Mühe, die schweren Füße der Geländer beiseite zu tragen. Weil sie so genervt seien.
Und in Halle nutzten die Autofahrenden sogar die kurze Zeit, in der eine Fahrbahn der gesperrten Langen Straße kurz für die Bagger frei war, um durch die Baustelle zu brettern - an den „Durchfahrt-verboten“-Schildern vorbei.
Nächste Herausforderung: Casumer Straße in Versmold
Irgendwie sind diese subversiv-aggressiven Tendenzen schon verwunderlich. Denn an anderer Stelle werden fleißig Unterschriften gesammelt, um Autos aus verkehrsberuhigten Zonen herauszuhalten, um sich für Tempobeschränkungen einzusetzen, um Fußgänger und Radfahrer zu schützen. Bitte um Rücksicht an der einen Stelle, große Rücksichtslosigkeit an der anderen.
Baustellen in Halle: Spielstraßen-Anlieger leiden unter Durchgangsverkehr
Nun kann es natürlich sein, dass all jene, die schon mal eine solche Unterschriftenliste unterzeichnet haben, noch nie an einer Baustelle gedrängelt haben. Statistisch ist das nicht so wahrscheinlich. Es scheint doch eher so zu sein, dass wir alle Verständnis für Baustellen, Sperrungen und Tempobeschränkungen haben - so lange, bis sie uns selbst in unserem täglichen Komfort stören.
Etwas mehr Verständnis und etwas mehr Geduld täten uns allen gut. Ich selbst habe nämlich auch schon die Beobachtung gemacht, dass der vermeintliche Zeitdruck und der dauernde Stress manchmal nur angewöhnt sind. Mein hehres Ziel für diese Woche lautet also: die Zündschnur verlängern.
Und die nächste Gelegenheit kommt: Die Casumer Straße ab Hesselteich in Richtung Borgholzhausen ist voll gesperrt - wohl für Monate. Und da fahre ich sonst oft ...
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