Haller Stadtrat: Einzelkämpfer und Haushaltsverweigerer mit dem Hobby Politik

Halle. Harald Stützlein ist in Schwaben, in Tübingen geboren. &bdquo;Vielleicht kommt daher ja meine Sparsamkeit“, sagt er und lacht. Der 65-Jährige ist ein Einzelkämpfer. Zumindest, was die Ratsarbeit angeht. Wie schon bei der Kommunalwahl 2014 holte die FDP auch 2020 lediglich einen Sitz im Haller Stadtrat. Damit hat sie keinen Fraktionsstatus und Harald ist allein im Haus. Dort wirkt er nicht selten wie ein einsamer Rufer in der Wüste. Als Mahner für Sparsamkeit und Kämpfer gegen Tempo 30. In schöner Regelmäßigkeit lehnt er, wie auch schon sein Vorgänger Klaus-Peter Kuntze, den Haushaltsplan ab. Um genau zu sein: Fünf Mal in den vergangenen sieben Jahren. Wird in Halle tatsächlich so schlecht gewirtschaftet? Oder will sich die FDP mit ihrem wiederholten &bdquo;Nein“ lediglich ein Profil verschaffen? &bdquo;Natürlich wollen wir uns profilieren. Aber das ist nicht der Grund“, sagt der 65-Jährige und stellt klar: &bdquo;Es liegt in Halle nicht an der Verwaltung. Es liegt an der Politik.“ Der Grund dafür sei, dass es der Stadt jahrelang zu gut gegangen ist. &bdquo;Die Politik hat im Gefühl der reichlich fließenden Gewerbesteuereinnahmen zu viel beschlossen. Wir machen einfach zu viel“, sagt Stützlein. Explizit nennt er das geplante Jugendzentrum. &bdquo;Solche Investitionen können wir uns in diesen Zeiten einfach nicht leisten, zumal wir eine gut funktionierende Jugendarbeit haben“, findet er. Auch, dass eine Grundschule Gartnisch etwa doppelt so teuer werden wird wie ein vergleichbares Projekt der Georg-Müller-Schule in Steinhagen, sei Ausdruck eines grundsätzlich fehlenden Sparwillens in der Haller Politik. Und das bei allen Parteien. Wo gespart werden soll Harald Stützlein fordert angesichts der schwierigen finanziellen Situation, alle freiwilligen Leistungen der Stadt auf den Prüfstand zu stellen. Und er kritisiert mantraartig auch die jährlichen Zuwendungen an die TWO – in diesem Jahr 400.000 Euro. &bdquo;Ich erwarte vom örtlichen Energieversorger, dass er Investitionen aus dem laufenden Geschäft erwirtschaftet. Mir sind keine Stadtwerke bekannt, die von ihrer Stadt derart gefördert werden“, stellt er klar. Auch diese Ablehnung gehört inzwischen zur Profilbeschreibung der Haller FDP. Über die Zusammenarbeit im Rat Mit derartigen Forderungen steht Harald Stützlein meistens allein auf weiter Flur. Fühlt er sich von den anderen Fraktionen überhaupt ernst genommen? Harald Stützlein ist eigentlich ein ruhiger Mensch. Diese Frage aber treibt erkennbar die Röte in sein Gesicht. &bdquo;Ich empfinde die Zusammenarbeit im Rat als nicht gut. Ja, manchmal fühle ich mich tatsächlich nicht ernst genommen“, gibt er zu. Stützlein wünscht sich mehr Austausch, sieht jedoch &bdquo;die Lager unversöhnlich voreinander stehend“. &bdquo;Jeder beharrt hier auf seiner Meinung“, findet er und nennt als Beispiel die Tempo-30-Diskussion. &bdquo;Ich bin dagegen, das weiß jeder. Ich habe aber versucht, einen Kompromiss hinzubekommen und eine Tempo-30-Zone ohne Rechts-vor-links-Regelung vorgeschlagen – keine Chance. Auch mein Vorschlag, die Grundsteuererhöhung auf drei Jahre zu befristen, wurde einstimmig abgelehnt.“ Was er über die anderen Parteien denkt Da wundert es nicht, dass der Einzelkämpfer inzwischen ein eher distanziertes Verhältnis zu den anderen Fraktionen hat. Den Grünen in Halle wirft er vor &bdquo;nicht nach rechts oder links zu schauen“ und nennt als Beispiel die Verkehrs- und Klimapolitik. Die SPD suche, nach Auffassung von Stützlein, nach dem Generationswechsel noch ihren Weg und wirke in Halle wie ein Anhängsel der Grünen. Die UWG erlebt er als &bdquo;Mehrheitsbeschaffer“ und selbst mit der CDU gebe es keineswegs in allen Feldern Übereinstimmung. Die Abkehr von der jahrelangen gemeinsamen Forderung nach einem städtischen Verkehrskonzept und auch den, seiner Auffassung nach fehlenden Sparwillen der Christdemokraten, nennt Harald Stützlein als Belege. Gemeinsamkeiten mit anderen Fraktionen Dabei, so der FDP-Mann, gebe es durchaus Beispiele dafür, wie man etwas erreichen könne, wenn nur alle an einem Strang ziehen. &bdquo;Das ist beim Einsatz für das Haller Krankenhaus so und auch was die Flüchtlingspolitik angeht“, betont er. Positiv erwähnt er zudem, dass er inzwischen an den Gesprächen der Fraktionsvorsitzenden mit dem Bürgermeister teilnehmen kann, die etwa viermal im Jahr stattfinden. &bdquo;Das war nicht immer so. Die damalige Bürgermeisterin hatte meinem Vorgänger Klaus-Peter Kuntze die Teilnahme mit der Begründung verwehrt, die FDP sei schließlich keine Fraktion.“ Die Partei im Rücken Harald Stützlein aber darf in diesem Gremium mitreden und fühlt sich nur nach außen als Einzelkämpfer. &bdquo;Hinter mir steht ja die Partei.“ 25 Mitglieder zählt die FDP in Halle, seit zwei Jahren gibt es auch einen Ortsverband der Jungen Liberalen mit neun Julis. In sogenannten offen Vorstandssitzungen bespreche man aktuelle Themen, komme so zu Standpunkten, die Stützlein dann im Rat vertritt. Eben innen ein Team, nach außen allein. Gegenwind aus Berlin Sein Ziel ist es, dass die FDP bei der nächsten Kommunalwahl 2025 wieder in Fraktionsstärke in den Rat einziehen wird. Harald Stützlein ist optimistisch, dass dies gelingt. Immer fehlten bei der letzen Wahl nur ganze sieben Stimmen. Gegenwind durch die Berliner Politik fürchtet er dabei nicht. &bdquo;Die Menschen unterscheiden sehr wohl zwischen Bundes- und Lokalpolitik“, hat Harald Stützlein beobachtet. Mit Sorge sieht er das Erstarken von Kräften am rechten Rand. Er setzt aber darauf, dass die Menschen auch in Halle das nicht tatenlos hinnehmen werden. &bdquo;Ich habe festgestellt, dass bei vielen das politische Interesse wieder erwacht ist. Das liegt daran, dass die Leute aufgrund von Inflation oder steigenden Energiepreisen wieder mehr persönlich betroffen sind.“ Lebensmotto gleich Parteimotto Von sich selbst sagt Harald Stützlein, er sei schon immer politisch interessiert gewesen. Und offensichtlich auch einer, der sein Mäntelchen nicht nach dem Wind hängt. Der FDP trat er 2014 bei, ein Jahr nachdem sie aus dem Bundestag geflogen ist. Damals habe er sich gesagt, nun sei es Zeit, die Ärmel aufzukrempeln. Aber warum für die FDP? &bdquo;Ich bin ein durch und durch liberaler Mensch. Mein Lebensmotto und das Parteimotto stimmen zu 90 Prozent überein“, sagt Harald Stützlein. Doch was bedeutet das? &bdquo;Ich bin der Meinung, der Mensch muss sein Umfeld, sein Leben selbst gestalten. Der Staat hat hier lediglich die Aufgabe, Leitplanken zu setzen, beispielsweise durch das Strafgesetzbuch. Er sollte sich hingegen aus dem persönlichen Leben heraushalten.“ Aber setzt sich dann nicht immer der Stärkere durch, werden dabei die sozial Schwächeren nicht automatisch zurückgelassen? Harald Stützlein, betont, er sehe durchaus die Notwendigkeit, hilfsbedürftige Menschen zu unterstützen, findet aber, es gebe dafür bereits eine Menge Möglichkeiten. Darüber hinaus erlebe er immer größere Eingriffe des Staates in sein persönliches Leben. Ein Beispiel dafür sei das Heizungsgesetz. Das einzige Hobby: Politik Harald Stützlein ist in Tübingen geboren. Einen Großteil seines Lebens aber verbrachte er in Wuppertal. Das ist Bergisches Land. Den Menschen dort sagt man Unternehmergeist nach. Harald Stützlein war 21 Jahre im Versicherungswesen selbstständig. Seit fünf Jahren ist er im Angestelltenverhältnis. Bergische Menschen gelten auch als hartnäckig und stur. Letzteres ist sicher keine schlechte Eigenschaft, wenn man in Ostwestfalen heimisch werden will. 1997 lernte Stützlein in Bielefeld seine Frau kennen, seit 1998 lebt er mit ihr in Halle. Er sagt deshalb von sich: &bdquo;Ich bin ein internationaler Deutscher.“ Sturheit ist aber auch hilfreich, wenn es gilt, sich gegen eine politische Übermacht zu behaupten. Wer glaubt, Harald Stützlein werde sich angesichts der nahenden Rente politisch zur Ruhe setzen der unbequemer Mahner auch aus dem lokalpolitischen Rampenlicht scheiden, der sollte eher mittelfristig denken. Im Dezember 2024 könnte Harald Stützlein in Ruhestand gehen. Dann hätte er auch mehr Zeit für seine Hobbys. Man kann ermessen, was es in diesem Zusammenhang bedeutet, wenn Stützlein erklärt: &bdquo;Politik ist mein einziges Hobby.“

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