Mordfall Marion S. aus Steinhagen: Anwalt macht sich vor Ort ein Bild

Halle/Steinhagen. Der unbefahrbare Forstweg, dem er gefolgt ist, mündet acht Minuten später auf einer Lichtung. Dann geht es nach rechts über einen heruntergetretenen Drahtzaun. Ein winziger Sprung und er steht am Anfang einer kleinen Tannenschonung. Einige Meter weiter bleibt er fast wie erstarrt stehen. Es ist der schaurige Ort, an dem am späten Nachmittag des 16. Juli die vergrabene Leiche von Marion S. aus Steinhagen gefunden wird. &bdquo;Ich will mir selbst ein Bild vom Fundort machen", sagt der Haller Strafverteidiger Sascha Haring. Er vertritt den Ehemann des Opfers, der in Untersuchungshaft sitzt. Die Staatsanwaltschaft Bielefeld verdächtigt den 73-Jährigen, den Mord begangen zu haben. Das "Haller Kreisblatt" hat den Rechtsanwalt zu dieser Stelle im Kölkebecker Wald begleitet. Das einstige Grab von Marion S. ist jetzt mit einem großen, gelben Kreuz, wahrscheinlich mit Lackspray, gekennzeichnet. Wer das getan hat, weiß Haring auch nicht und meint: &bdquo;Vermutlich ein Hinweis für neugierige Spaziergänger." Der erfahrene Jurist zückt seinen Laptop. Er will die Bilder der Spurensicherung aus der digitalen Ermittlungsakte mit den in Augenschein genommenen vergleichen. Sofort fällt ihm ein größerer, vertrockneter Ast auf, der nur einen halben Meter entfernt auf dem Waldboden liegt. &bdquo;Den kenne ich", sagt er. Das Geäst habe auf dem Grab gelegen. &bdquo;Ich wundere mich, dass das Holzstück noch da liegt." Er könne nur hoffen, dass es spurentechnisch untersucht worden sei. Denn: &bdquo;Der Täter muss den Zweig angefasst haben." Fast 30 Minuten lang steht oder hockt Sascha Haring vor dem Fleckchen Erde, das ein Geheimnis verbirgt. &bdquo;Wie ist die Leiche oder die noch lebende Marion S. dort hingekommen? Ist der Fundort auch der Tatort?", fragt er sich immer wieder. &bdquo;Ob die Ermittler inzwischen darauf eine Antwort haben?" Er verweist auf die kleinen Wege und Schneisen des Waldes am Fleerweg, die nur zu Fuß zu erreichen sind. Erstaunt und irritiert sei er immer noch darüber, warum die beiden Ausflügler damals ausgerechnet in diesem abgelegenen Teil des Forstes nach dem Leichnam gesucht und dann die Polizei gerufen haben. Das sei seltsam. &bdquo;Wie konnten sie ahnen, dass unter einem Haufen Gestrüpp ein toter Mensch liegt?" Haring erklärt aber auch, dass diese Spaziergänger von den Ermittlern genau befragt worden seien. &bdquo;Es steht fest, dass es Zufall war. Es gibt keine Verbindung." Zeugen wollen am Elternhaus der Getöteten Mann mit Kopfbedeckung gesehen haben Auf dem Weg zurück zu seinem Auto, das er auf einer freien Fläche rund 500 Meter weiter geparkt hat, ist Sascha Haring nachdenklich geworden. Ihn quälen viele Fragen. &bdquo;Irgendwie deckt sich das alles nicht mit dem vorgeworfenen Tatablauf der Fahnder." Im Haftbefehl stehe Folgendes dazu: &bdquo;Am Tag des Verschwindens von Marion S. soll mein Mandant gegen 11 Uhr das Grab geschaufelt haben. Um die Mittagszeit soll er seiner Ehefrau aufgelauert und abgegriffen haben. Am frühen Nachmittag soll er dann die Tat begangen haben. Das passt alles zeitlich nicht zusammen." Zeugen wollen tagsüber noch einen Mann am Elternhaus des Opfers in Steinhagen gesehen haben, der eine gewisse Ähnlichkeit mit der des Ehemannes gehabt haben soll. &bdquo;Dieser soll eine Kopfbedeckung getragen haben und sei Raucher gewesen", berichtet Haring. Zwar trage sein Mandant fast immer eine Kopfbedeckung, &bdquo;er ist aber Nichtraucher." Wie genau Marion S. getötet worden sei, wisse Sascha Haring bis heute nicht. &bdquo;Ich habe nur einen vorläufigen Obduktionsbericht. Darin heißt es, dass ein Knorpel am Hals eingedrückt worden ist. Durch was auch immer." Auch die Analyse der sichergestellten DNA-Partikel am und im Auto des Tatverdächtigen sei eine vorläufige. &bdquo;Ich wünsche mir, dass bald alle endgültigen Ergebnisse der Spurenauswertungen auf dem Tisch liegen. Das bringt Klarheit." Er warte auch noch auf eine spezielle Untersuchung einer Spur im Elternhaus von Marion S.: &bdquo;Da hat die Kripo ein Stück Fußboden herausgesägt und zum Landeskriminalamt Düsseldorf geschickt. Darauf könnten bestimmte Anhaftungen kleben." Wie bereits bekannt, hatte der Strafverteidiger eine Haftbeschwerde bei der Beschwerdekammer des Landgerichtes Bielefeld eingereicht. Der Grund: Er sei nicht davon überzeugt, dass die bisherigen Indizien ausreichten, um seinen Mandanten, der alle Vorwürfe abstreite, in U-Haft zu nehmen. Am Freitag (13. Oktober) dann ein erster Rückschlag: Die Haftbeschwerde wird verworfen. Haring: &bdquo;Die Kammer hält den dringenden Tatverdacht nicht für ausgeräumt und sieht den Haftgrund der Fluchtgefahr weiter als gegeben an." Beschuldigter Ehemann hat nur Kontakt zu älteren Mitgefangenen Wöchentlich sei er in der JVA Bielefeld-Brackwede, um mit dem inhaftierten Ehemann zu sprechen. &bdquo;Er wird mir von vielen Menschen als liebevoller Großvater beschrieben. Ich kann mir nicht vorstellen, dass er zu einer solchen Tat fähig ist", sagt Haring. &bdquo;In der Untersuchungshaft hat er nur zu älteren Mitgefangenen Kontakt und hält sich aus allem heraus. Die Ablehnung der Haftbeschwerde hat er gefasst aufgenommen." Er dürfe übrigens während der Untersuchungshaft arbeiten, müsse es aber nicht, weil er Rentner sei. Sollte der 73-Jährige eines Tages zu Unrecht verurteilt werden, ist sich der Anwalt sicher: &bdquo;Das bedeutet dann auch das Ende seines bisherigen Lebens und wäre ein ganz herber Schlag für ihn."

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