Ein Golf für alle Fälle: Haller Kult-Cabrio transportiert besondere Fracht

Halle. Auch wenn es manchmal so wirken mag, in den HK-Blechgeschichten geht es nicht darum, Hochglanz-Oldtimer vorzustellen oder Hubräume zu vergleichen. Die Idee ist eine andere. &bdquo;Autos, interessante Menschen und die Geschichten, die sie verbinden“ - das ist die eigentliche Essenz der Reihe. Ein Ansatz, den auch die Haller Museumsleiterin Ursula Blaschke nachvollziehen kann. "Die Geschichten sind wichtig!", hat sie in ihrem Leben gelernt. Für sich genommen ist ein Golf 3 beispielsweise noch nicht bemerkenswert. Millionenfach hergestellt ist der Golf die absolute Definition des Brot-und-Butter-Autos. Das wohl noch Interessanteste: Der Golf ist das Fundament, auf dem Volkswagen zum Weltkonzern wuchs. Zusammengenommen wurden rund 35 Millionen Golfs seit dem ersten Produktionsjahr 1974 gebaut. Selbst der legendäre Käfer brachte es "nur" auf knapp 22 Millionen. All' das dürfte Ursula Blaschke ziemlich egal sein. Auch, dass es dem benachbarten Osnabrücker Karmann-Werk zu verdanken ist, dass sie einen offenen Golf fahren darf. Dass ihr Wagen indes kein Dach hat, war für die Kaufentscheidung der künstlerischen Tausendsasserin unabdingbar. Gefragt, warum sie seit Jahrzehnten nur dieses Auto fährt, welches wohl die meisten Haller mit der Museumsleiterin verbinden, erzählt sie gleich zwei Geschichten. So wie schon damals Emil Nolde Dazu müsse man natürlich das Ein oder Andere über sie Wissen, sagt die Über-80-Jährige. Zum Beispiel, dass sie lange keinen Führerschein hatte. Erst als gestandene Mutter zweier Kinder holte sie die Fahrerlaubnis nach, nicht ganz ohne Komplikationen. Aber das wäre eine Geschichte für sich. Wichtig auch: Ursula Blaschke stammt aus einem sehr gläubigen Haushalt. Zeit ihres Lebens sei ihr der Kontakt zu Gott ein Bedürfnis gewesen, erzählt die Hallerin beim Gespräch vor ihrem kleinen Kotten an der Kaffeemühle. Und dazu sei immer auch die direkte Verbindung zum Himmel wichtig. &bdquo;Emil Nolde zum Beispiel hat sich als Kind ja immer auf die Wiese gelegt und mit Gott gesprochen“, erzählt die Frau, die der Jugend der großen Künstler ihr Leben gewidmet hat. Ähnlich sei es auch ihr zeitlebens gegangen. &bdquo;Ich wollte, wenn ich hochschaue, den Kontakt mit dem Himmel nicht verlieren“, sagt sie. "Ich brauche diese Naivität" Gott sei ihre Kraftquelle und ein bisschen gelte das auch für ihr Cabrio. &bdquo;Das ist sehr naiv, klar, aber diese Naivität brauche ich für mein kompliziertes Leben.“ Wenn immer möglich fahre sie deswegen offen und genieße den weiten Blick. Zu dieser besonderen Offenheit gibt es aber auch noch eine zweite Geschichte. Und die sagt ebenfalls eine Menge über Fahrzeug und Fahrerin aus. Dafür muss die Über-80-Jährige erneut etwas ausholen, aber nicht ganz so weit. Und wieder geht es um einen Künstler, dieses Mal den jungen Oskar Kokoschka. Alle Folgen unserer Blechgeschichten-Serie finden Sie hier. "Wir waren in Österreich und haben eine Oskar-Kokoschka-Ausstellung vorbereitet", erzählt die Hallerin. "Da hatte ich noch den schwarzen, den habe ich ja 25 oder 30 Jahre lang gefahren." Bei den Vorbereitungen habe sie auch Frau Kokoschka kennengelernt, die den Nachlass des 1980 verstorbenen Expressionisten betreute. Das Treffen sei sehr herzlich gewesen, besonders weil sie genau das gleiche Cabrio wie der dortige Bürgermeister fuhr, der ihr den Weg zum Kokoschka-Hof gewiesen hatte. "Frau Kokoschka war begeistert" Kurz. "Frau Kokoschka war begeistert", erzählt Blaschke, für die es ja nicht nur um das Kennenlernen, sondern auch um Exponate für ihre Ausstellung zu Kokoschkas Jugend ging. Im Überschwang bot ihr die neue Bekannte dann auch einen Teppich an, den der Meister der Wiener Moderne in seiner Jugend selbst gewebt habe soll. "Das war ein ganz besonderer Teppich", betont Ursula Blaschke noch heute. "Aber ich musste nun sehen: Wie bekomme ich den nach Hause?" Kurz entschlossen habe sie gesagt "Gar kein Problem!" und das große Stück in ihr Cabrio geladen. "Wenn ich den nicht direkt mitbekommen hätte, hätte die sich das noch mal überlegt oder das dortige Museum hätte gesagt, das machen wir nicht." So habe sie das Ausstellungsstück aber mit offenem Verdeck quer durch Österreich und die Bundesrepublik kutschiert. "Und ich musste die ganze Fahrt auf dem Teppich sitzen", ist ihr in Erinnerung geblieben. Auch der Schmerzen im Gesäß könne sie sich noch sehr gut entsinnen. "Was ich da schon erlebt habe" Nicht nur der Teppich, auch filigrane, wertvolle Giacometti-Bronzen habe sie dank des offenen Verdecks schon transportieren können, genauso wie eine komplette Sammlung von 30 Bildern. "Allein die Zöllner, was ich da schon erlebt habe." "Was für einen Fernfahrer der Lkw ist mir das Cabrio. Es ist mein Fundament", sagt das umtriebige Haller Original. Gleichzeitig ist es ein Zeugnis, das zeigt, wie aus einem vorsichtigen Mädchen die bekannte Frau wurde, die sie heute ist: "Mit 18 konnte ich nicht einmal allein einkaufen, doch ich habe gelernt mich durchzusetzen." In loser Folge stellen wir Ihnen in den "Blechgeschichten" spannende Autos, interessante Menschen und die Geschichten vor, die sie verbinden. Egal ob Trabant oder Lamborghini, Baujahr 1922 oder 2022: Wenn Sie ein außergewöhnliches Fahrzeug Ihr Eigen nennen, freuen wir uns über eine E-Mail an jonas.damme@haller-kreisblatt.de. Mehr zu Ursula Blaschke finden Sie hier.

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