Abschied von alten Triebwagen: So sieht der Haller Willem der Zukunft aus

Halle. Grundsätzlich ist die Bahn dem Individualverkehr ökologisch überlegen. Das gilt allerdings nicht uneingeschränkt. Auf der Strecke der RB 75, also der des Haller Willems, werden vor allem sogenannte Talent-Triebwagen des Herstellers Bombardier eingesetzt. Diese Loks wiegen mehr als 70 Tonnen. Dazu kommt, dass für den Haller Willem nicht die neuesten Modelle fahren. &bdquo;Die heutigen Dieselfahrzeuge sind seit über zwanzig Jahren im Einsatz", erläutert der Zweckverband Nahverkehr Westfalen-Lippe. Vergleicht man die Regionalbahn mit motorisiertem Individualverkehr, kommt der Zug auf einen vielfachen Kraftstoffverbrauch eines Pkws. Das bedeutet, dass der Haller Willem erst dann ökologischer unterwegs ist als ein Pkw, wenn ausreichend viele Zuggäste mitfahren. Fährt er – etwa in den Abendstunden – nur für eine Handvoll Menschen, kann der Pro-Kopf-Verbrauch höher sein als beim Pkw. Wie soll es also mit der Regionalbahn weitergehen? Könnte man vielleicht sogar moderne Wasserstoff-Motoren nutzen? Diese Fragen stellte die CDU-Fraktion nun im Steinhagener Rat. Das Umwelt- und Klimaschutzmanagement gab die Fragen an den zuständigen "Zweckverband Nahverkehr Westfalen-Lippe" (NWL) weiter, dem Bindeglied zwischen Rathaus und Linienbetreiber Nordwestbahn. Der Traum: Emissionsfreier Schienenverkehr "Der Zweckverband Nahverkehr Westfalen-Lippe strebt einen klimaneutralen und (mindestens lokal) emissionsfreien Schienenverkehr an", so die Ankündigung der Behörde. "Alternative Antriebsarten mittels Strom oder auf Basis von Wasserstoff stellen daher vielversprechende Fortentwicklungen dar." Wie genau die Zukunft aussehe, hänge allerdings von mehreren Faktoren ab. "Auf der Strecke des Haller Willem ist der klassische elektrische Antrieb mit Strom aus der Oberleitung derzeit keine Alternative, da die Installation einer Oberleitung überaus zeit- und kostenaufwendig wäre", so der Zweckverband. Weil die heutigen Dieselloks allerdings schon so alt seien, gelte es "recht zeitnah" einen Ersatz zu finden. Man beschäftige sich bereits intensiv mit der Frage nach alternativen Antrieben. Im Prinzip gebe es zwei Varianten. Die sogenannten "Batterietriebzüge" verfügen über gigantische Antriebsbatterien, die es ermöglichen, nicht mit Stromleitungen elektrifizierte Strecken mittlerer Distanz (dazu gehört grundsätzlich auch die Strecke des Haller Willems) zu fahren. Auf Streckenabschnitten oder in Bahnstationen mit Oberleitung beziehen die Züge wie Straßenbahnen über Abnehmer auf dem Dach Strom. So werden die Batterien wieder geladen. Solche Oberleitungen existieren bereits im Abschnitt Bielefeld bis Brackwede. E-Züge mit Stromabnehmern Dank moderner Batterietechnik reichen die sogenannten "Traktionsbatterien" aber auch ohne Oberleitung aus, um Distanzen zu überbrücken, die weit länger sind, als die Haller-Willem-Strecke von Bielefeld bis Osnabrück. Tatsächlich fuhren und fahren bereits testweise solche E-Züge mit starken Akkus. Lokal gesehen verkehren E-Züge vollkommen emissionsfrei. Klimaökologisch ist entscheidend, woher der Strom stammt, den sie verbrauchen. Der Zweckverband strebt an, nur "grünen" Strom zu kaufen. Ein weiterer Vorteil der neuen Technik gegenüber dem Dieselmotor: Der batterieelektrische Antrieb ist hörbar leiser. Auch ein wasserstoffbetriebener Zug ist rein technisch ein E-Zug. Der Wasserstoff für die Brennstoffzellen wird in großen Tanks mitgeführt und in elektrische Energie umgewandelt, die die Motoren antreibt. Allerdings hat Wasserstoff eine schlechte Energiebilanz. Das liegt vor allem daran, dass die Produktion von Wasserstoff sehr energieintensiv ist. Ein weiteres Manko beschreibt der NWL. "Ergänzend ist zu erwähnen, dass es für einen dynamischen Betrieb nicht genügt, den Strom ausschließlich von Brennstoffzellen bereitstellen zu lassen, denn diese sind nicht in der Lage, die für zügige Beschleunigungen benötigten Strommengen zu liefern", so der Zweckverband. Daher sei in solchen Triebfahrzeugen zusätzlich eine sogenannte "Dynamikbatterie" verbaut. Die stelle wenn nötig zusätzlichen Strom zur Verfügung. Würde die Entscheidung getroffen, den Haller Willem künftig per Wasserstofftechnik zu betreiben, bräuchte er außerdem eine Wasserstofftankstelle. Die müsste an eine Pipeline angeschlossen sein, will man den Wasserstoff nicht per Tank-Lkw herbeischaffen - was die Öko-Bilanz wiederum beeinträchtigen würde. Abwägung der Vor- und Nachteile Bereits jetzt sieht der NWL bei Variante eins deutliche Stärken, sein Fazit: "Die Vorteile der BEMU-Technologie (also der E-Züge ohne Wasserstoff, Anm. d. Red.) überwiegen deutlich – sowohl wirtschaftlich als auch ökologisch." Deswegen setzt der Verband vorerst vor allem auf solche Fahrzeuge. Im sogenannten &bdquo;Netz Nördliches Westfalen" bündelt der NWL acht Linien, darunter ist auch der Haller Willem. In diesen Abschnitten sollen künftig insgesamt circa 60 BEMU-Fahrzeuge zum Einsatz kommen. BEMU steht für "Battery Electric Multiple Unit". Bis die neuen Züge rollen, wird es allerdings noch etwas dauern. "Die EU-Ausschreibung über die Zurverfügungstellung der Fahrzeuge über ein Leasingmodell inklusive der Sicherstellung der Verfügbarkeit der BEMU-Fahrzeuge während des Betriebs ist Anfang 2023 veröffentlicht worden", schreibt der Zweckverband Nahverkehr Westfalen-Lippe zur Anfrage. Der Betriebsstart der neuen Fahrzeuge sei je nach Linie in den Jahren 2028 und 2029 vorgesehen. Mehr zum ÖPNV im Altkreis: Sanierung der TWE-Strecke vor Abschluss

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