Komplette Eiche-Rustikal-Küche landet illegal im Haller Buchenwald

Halle-Künsebeck. Vermutlich hatte es der Mensch einfach nur eilig. Die alte Möbelgruppe rund um Herd und Spüle stand vielleicht immer noch in der Wohnung, als die Lieferung der neuen Küche angekündigt wurde. Zudem war Wochenende und niemand am Entsorgungspunkt Nord hätte sich zwischen Sonntagsfrühstück und ARD-Tatort dazu bewogen gefühlt, die Tore zu öffnen, um dem Kücheneigentümer seine 37 Jahre alten Möbelstücke abzunehmen. Also blieb wohl nur die nächtliche Fahrt zur Kalkstraße, um dort unweit des Tores zur ehemaligen Mülldeponie nostalgische Abfallmomente wiederaufleben zu lassen. Folglich landeten die Schränke samt alter Dunstabzugshaube, Spüle und Wasserhahn am Straßenrand. Das nur 20 Meter entfernte Schild mit der Aufschrift "Der Wald ist kein Müllplatz" war in der Dunkelheit wohl nicht sichtbar, möglicherweise hat das Lesen dieser Worte den Unbekannten auch intellektuell überfordert. &bdquo;Für wilden Müll fehlt uns jedes Verständnis“, betonte Felix Hüttl, Leiter der Abteilung Umwelt und Klimaschutz, erst kürzlich bei einem Pressetermin. Die illegale Entsorgung stelle eine Ordnungswidrigkeit dar. Man müsse mit empfindlichen Bußgeldern von bis zu 100.000 Euro rechnen. Davon ließen sich einige Küchen kaufen und noch weitaus mehr Dunstabzugshauben des Herstellers Respekta, Modell CH 13-60 SB. Der Karton dieser derzeit bei Obi für knapp 150 Euro erhältlichen Dunstabzugshaube lag ebenso auf dem Müllhaufen. Vermutlich ziert sie nun die neue Küche des illegalen Müllentsorgers. "Das ist unmöglich, aber es passiert immer mal wieder", sagt Kurt Picker, der am anderen Ende der Kalkstraße wohnt und keinerlei Verständnis für die Aktion aufbringen kann. Schließlich gebe es viele Möglichkeiten, seinen Sperrmüll gegen eine geringe Gebühr loszuwerden. Die Natur sei da keineswegs eine Option. Sein Sohn hatte das ausgediente Mobiliar am Montag beim Spaziergang mit dem Hund entdeckt. "Vielleicht gibt es Hinweise, ich hatte schon mal Glück", sagt Picker und durchwühlt den Müllhaufen, der sich auf einer Länge von rund zehn Metern verteilt. Es lande hier öfter mal was am Straßenrand, und es sei ihm dabei auch schon mal gelungen, alte Adressaufkleber und somit den Entsorger ausfindig zu machen. Spuren führen nach Paderborn und Bielefeld Derartige Hinweise kleben auch auf den Küchenmöbeln, allerdings hat der Umweltsünder die Adresszeilen unkenntlich gemacht. Zu erkennen ist jedoch noch, dass die Möbel vom Küchenhersteller Leicht stammen, einem zur Paderborner Welle-Holding gehörenden Küchenhersteller aus Baden-Württemberg. Mitarbeiter Klaus Weber hat demnach am 18. März 1986 seinen Prüfstempel auf dem typischen 1980er Eiche-Rustikal-Modell hinterlassen. Ein anderes Möbelstück stammt aus der Produktreihe Studio-M von Miele. Dessen Aufkleber ist noch unbeschädigt. Demnach wurde der Schrank bereits am 4. Januar 1978 gefertigt und an Hermine S. in Bielefeld ausgeliefert. "Rund 15.000 Euro an Kosten entstehen der Stadt jedes Jahr durch wilden Müll“, sagt Thomas Schürmann, Leiter des städtischen Bauhofs. Schätzungsweise 15 Tonnen an ordnungswidrig entsorgtem Müll hat der Bauhof im vergangenen Jahr eingesammelt. Kurt Picker hofft, ebenso wie die städtischen Mitarbeiter, dass der Küchenmöbelentsorger ausfindig gemacht und zur Rechenschaft gezogen werden kann. Picker wohnt seit fast 60 Jahren an der Kalkstraße, und früher, als die Mülldeponie noch in Betrieb war, hätten ihn die mitunter 100 Lastwagen, die pro Stunde den Berg hinauffuhren, geärgert. Allerdings sei er vom wilden Müll der Gegenwart noch mehr genervt. Das ganze Gebüsch unweit des Kalkwerks Müller liegt voller Unrat, im Gestrüpp lagern zahlreiche leere Wodka-Flaschen. Und auf gut einem Meter Höhe hängt ein Rollator im Gestrüpp. Daneben lag kürzlich noch ein Lattenrost. "Aber den konnte wohl jemand gebrauchen", sagt Picker. Vielleicht trifft das auch für die alte Küche zu, schließlich sind die 1980er ja wieder im Trend. Wer vor dem Bauhof da ist, darf sie sich gerne einladen. Das spart immerhin Steuergelder und schont die eigenen Finanzen. Alternativ könnte der Mensch, der die Möbel am Sonntagabend illegal entsorgt hat, sie auch in den nächsten Tagen wieder direkt in seinen Bulli zurückpacken. Das Wiedereinladen von wild entsorgtem Müll ist nämlich nicht strafbar und darf auch ruhig in der Dunkelheit erfolgen.

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