Der Wochenkommentar

Vom Glück neben dem Sportplatz: Kleine Dinge bringen neue Lebensenergie

Eine besondere Zeit und obendrein eine Atmosphäre, um sowohl beim Sport als auch neben den Tennisplätzen, wie sie hier in den 1970er Jahren noch hinter dem Gasthof Brune in der Innenstadt lagen, Glückshormone zu produzieren. | © Nicole Donath

03.09.2022 | 03.09.2022, 10:20

Die plötzliche Wende im Streit zwischen Ralf Weber und dem TC BW Halle nach gegenseitigen Beschuldigungen und Strafanzeigen war in dieser Woche ein großes Gesprächsthema in Halle. Auch unter denjenigen, die nicht einmal Mitglied im TC sind.

Ganz losgelöst von den inhaltlichen Positionen der Beteiligten und trotz des neuerlichen Burgfriedens hinterlässt all das ein getrübtes Klima in einem Verein, der einst für wunderbare Stunden stand, für fröhlichen Ausgleich und sportliches Zusammensein – für das, was wir brauchen.

Redaktionsleiterin Nicole Donath - © Nicole Donath
Redaktionsleiterin Nicole Donath (© Nicole Donath)

Stress im Job, Hektik im Alltag, krasse Schicksalsschläge, Krankheiten, Trauer, Ängste – die Liste der Belastungen, die die Menschen drückt, ist individuell verschieden. Aber sicher trägt jeder sein Päckchen mit sich. Umso wichtiger, dass es auch Momente der Unbeschwertheit gibt. Augenblicke, in denen man lacht und etwas Schönes erlebt und sich regelmäßig Gewissheit verschafft, wie schön das Leben auch sein kann.

Zuletzt wurde zum Skandal aufgebauscht, dass Finnlands Ministerpräsidentin Sanna Marin (36) auf einer privaten Party ausgelassen tanzt. Wham, das soll also ein Problem sein? Ich will doch stark hoffen, dass die Menschen tanzen, alle! Und zwar ganz gleich, welche Position sie bekleiden. Und dass sie zwischendurch auch singen. Denn wer singt, kann nicht gleichzeitig Angst haben – dieser Bereich wird beim Singen vom Gehirn nämlich blockiert. Dasselbe gilt für den Sport: Körperliche Aktivitäten steigern das Selbstwertgefühl und das Körperbewusstsein und kurbeln die Produktion von Glückshormonen an. Dabei spielt aber auch das Umfeld eine Rolle. Und so komme ich noch einmal zum TC BW Halle zurück.

Glückshormone abseits der Plätze produzieren

Ich kann mich noch gut an die Zeit erinnern, als der TC in den 1970er Jahren hinter dem Gasthaus Brune drei Plätze hatte und eine Ballwand. Eine Mauer, auf der man sitzen und zuschauen konnte, während die Beine baumelten. Und ein kleines Clubhaus, das in Eigenregie bewirtschaftet wurde. Wenn meine Eltern Punktspiele hatten, Sonntagmorgens ab neun gegen ebenso kleine Vereine aus Marienfeld, Gütersloh oder Rheda-Wiedenbrück, wurde schon am Tag zuvor gebacken und gekocht, um das Büffet am Spieltag zu bestücken.

Im Vorraum stand ein Getränkeautomat, der kaltes Bier, Mineralwasser und ein paar Flaschen Florida Boy bereithielt. Die Duschen spartanisch, das Wasser oft kalt, der geflieste Boden vom Staub der roten Asche bedeckt und an der Wand ein kleiner Kasten mit Namensschildern; die Rangliste. Und dann gab es da noch eine Mappe mit Wochenplänen, in der man die gewünschte Spielstunde reservieren konnte. Und weil es nur wenige Plätze gab und der Spaß am Tennis groß, ergaben sich auch viele Zeiten, in denen die Clubmitglieder abseits der Plätze zusammensaßen und erzählten oder das geplante Einzel spontan zum Doppel werden ließen, damit alle zum Zuge kamen.

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Zugegeben, es braucht keine schäbigen Duschen und keine kalten Clubräume, um sich neue Lebensenergie zu holen. Aber es braucht diese Atmosphäre, damit der Sport auch tatsächlich Glückshormone auslösen kann.