Sonderfall Borgholzhausen: Wo der Bürgermeister alleine zur Wahl steht

Bielefeld. Stell dir vor, es ist Kommunalwahl und kaum ein Kandidat will Bürgermeister werden. Immerhin ist es den Parteien gelungen, in allen Städten und Gemeinden im Regierungsbezirk Detmold für die Wahl im September jemanden aufzustellen. Aber in sieben davon tritt nur einer an. Das wird die Wählerinnen und Wähler dort beim Blick auf ihren Stimmzettel überraschen, denn sie können dem einzigen Kandidaten und in einem Fall einer Kandidatin sowohl zustimmen (Ja), als ihn auch ablehnen (nein). Gewählt ist der Einzelkandidat dann, wenn mehr mit Ja als mit Nein gestimmt haben. Es kann – theoretisch – aber auch passieren, dass der Kandidat trotz mangelnder Gegenkandidaten mehr Nein- als Ja-Stimmen einfährt. Das ist erstens bitter für den Kandidaten und führt zweitens laut Gemeindeordnung zu Neuwahlen. Was ein Bürgermeister in OWL verdient Und warum finden die Parteien kaum Kandidaten? An der Besoldung kann es nicht liegen. In Kommunen mit bis zu 10.000 Einwohnerinnen und Einwohnern bekommt der Bürgermeister Besoldungsgruppe B2, das sind brutto grob 8.840 Euro im Monat. Bei Kommunen bis zu 40.000 Einwohnern erhält der Hauptverwaltungsbeamte Besoldungsgruppe B5 und damit grob 10.480 brutto im Monat. Da müssten sich doch mehr Kandidaten finden. Denkt man. Welches sind die sieben Städte und Gemeinden in OWL, in denen die Wähler keine Alternativen wählen können? Und warum ist die Lage dort so, wie sie ist? Eine Spurensuche. Borgholzhausen, Kreis Gütersloh: Hier steht Amtsinhaber Dirk Speckmann allein auf dem Wahlzettel. Die Situation ist nicht neu. Schon 2020 musste sich der Sozialdemokrat keiner Konkurrenz stellen und wurde mit 68 Prozent der Stimmen im Amt bestätigt. Als Dirk Speckmann 2015 erstmals zum Bürgermeister gewählt wurde, setzte er sich gegen einen Bewerber der CDU durch. Die Christdemokraten hatten sich jetzt erneut um einen Kandidaten beziehungsweise eine Kandidatin bemüht. Auch die Borgholzhauser Unabhängigen (BU) waren auf die Suche gegangen. Erfolg hatten beide Parteien nicht. Nicht aus Angst vor einer möglichen Wahlniederlage, sondern vor allem wegen der enormen Belastung des Amtes hätten die Gefragten abgewinkt, erklärten CDU und BU unisono. Dirk Speckmann ist mit der Situation nach eigenem Bekunden nicht zufrieden. &bdquo;Ich hätte es gut gefunden, wenn es eine echte Wahl gegeben hätte“, sagt er. Lichtenau, Kreis Paderborn: Ute Dülfer musste vor fünf Jahren als einzige spätere Bürgermeisterin im Kreis Paderborn in eine Stichwahl: Dort besiegte sie den CDU-Kandidaten mit 73 zu 27 Prozent der Stimmen. Als parteilose Kandidatin trat sie damals an, hatte aber die Unterstützung von SPD und FDP. Nach fünf Jahren im Rathaus der Energiestadt und so manchen Bewährungsproben des lokalpolitischen Alltagsgeschäfts kann sich die einzige weibliche Rathauschefin im Kreis Paderborn einen besonderen Erfolg ans Revers heften: Die Lichtenauer CDU stellt keinen eigenen Kandidaten zur Kommunalwahl auf, sondern unterstützt ebenfalls die Amtsinhaberin. Es drängte sich bei den Christdemokraten keine starke Figur auf, heißt es, und die örtliche Partei wollte offenbar niemanden in ein aussichtsloses Rennen schicken. Dörentrup, Kreis Lippe: Für den amtierenden Bürgermeister Friso Veldink hat früh festgestanden, dass er seinen Hut erneut in den Ring werfen wird: &bdquo;Die Arbeit macht mir Spaß – trotz der Widrigkeiten zu Beginn mit Corona. Ich denke, die Zusammenarbeit mit Verwaltung und Rat hat in den vergangenen Jahren gut geklappt.“ Für den CDU-Politiker sei es aber komisch, nun der einzige Kandidat zu sein, weil er bei der vergangenen, seiner ersten Kommunalwahl, drei Konkurrenten hatte. Auch die SPD stellte vor fünf Jahren einen Kandidaten. Warum dieses Mal nicht? &bdquo;Mangels Masse“, sagt Fraktionsvorsitzender Falk Niehage knapp. &bdquo;Vielleicht hätte es der ein oder andere gemacht, aber wir haben abgewogen und müssen auch zugeben, dass Bürgermeister Veldink einen guten Job gemacht hat. Wir bauen jetzt auf eine starke Opposition.“ Die Grünen können mit dem CDU-Bürgermeister &bdquo;gut leben“ Auch die Grünen haben laut Kassiererin Annegret Färber keinen Kandidaten gefunden. &bdquo;Wir werden alle älter, uns fehlen junge Mitglieder. Diejenigen, die noch im Berufsleben stehen, wollten ihre Jobs nicht aufgeben. Und einen Alibi-Kandidaten aufzustellen, kam für uns nicht in Frage. Außerdem können wir mit Herrn Veldink gut leben.“ Büren, Kreis Paderborn: Vier Kandidaten standen 2020 auf dem Wahlzettel fürs Bürgermeisteramt in der einstigen Kreisstadt Büren. Amtsinhaber Burkhard Schwuchow (CDU) deklassierte die Mitbewerber, indem er 66 Prozent der abgegebenen Stimmen holte. Diesmal will nun niemand mehr gegen ihn antreten. Schwuchow – seit 2009 im Amt – ist konkurrenzlos. Der Bürgermeister ist ein Mann, der seine Parteizugehörigkeit selten nach außen kehrt. Statt ständig am konservativen CDU-Netzwerk im Paderborner Land mitzuknüpfen, will er die Fäden in der Stadt zusammenhalten. Auffällig: Im Rat herrscht oft Einigkeit. Der Rathauschef verbucht es auch als Erfolg seiner Arbeit, dass die Opposition meist zufrieden mitstimmt, wenn es zum Schwur kommt. Petershagen, Kreis Minden-Lübbecke: Amtsinhaber Dirk Breves (CDU) ist der einzige Bürgermeisterkandidat geblieben. FDP und Grüne hatten ihm früh Unterstützung zugesagt und keine eigenen Kandidaten aufgestellt. Rückhalt kommt auch von der SPD, so Fraktionsvorsitzender Friedrich Lange. Breves mache seinen Job gut, sei souverän. Und: &bdquo;Einen Kandidaten von dem Format haben wir nicht.“ Für die FDP sei die Entscheidung klar gewesen, so Heiner Müller, Vorsitzender des Stadtverbands. Breves habe &bdquo;seine Aufgabe sehr gut gemeistert. Wir unterstützen seine Kandidatur ausdrücklich.“ Steinheim, Kreis Höxter: Zum dritten Mal tritt der ehemalige Bundeswehroffizier Carsten Torke in Steinheim an – bereits zum zweiten Mal hat der CDU-Politiker keinen Gegenkandidaten. &bdquo;Wir fühlen uns im Stadtrat mit seiner offenen Art und dem offenen Umgang gut aufgehoben“, sagt SPD-Fraktionschef Jürgen Unruhe. Es sei ein gutes Miteinander im Gremium. Das sieht man auch daran, dass bei der Vorstellung von neuen Projekten in Steinheim oder auch der Feier zu deren erfolgreichen Umsetzungen stets Vertreter aller Ratsparteien eingeladen sind – auch für die offiziellen Fotos. Torke betont immer wieder die gemeinsamen Entscheidungen und will diese auch sichtbar machen. Die Partei spiele dabei auf kommunaler Ebene keine so bedeutende Rolle. Die Folge bei dieser Haltung: Im Steinheimer Stadtrat gibt es bisher keine rechtspopulistische AfD. Die wollte übrigens in diesem Jahr eine Gegenkandidatin aufstellen – die aber die erforderlichen Unterlagen nicht einreichte. Natürlich, so SPD-Mann Unruhe, gebe es im Stadtrat auch unterschiedliche Meinungen. Diskutiert werde aber sachlich. Nach außen dringen Meinungsverschiedenheiten kaum. Wohl auch deshalb ist Bürgermeister Carsten Torke in der Steinheimer Bevölkerung sehr beliebt. Es ergebe deshalb aus Sicht der anderen Parteien schlicht keinen Sinn, einen Gegenkandidaten aufzustellen. Vor fünf Jahren erhielt er mehr als 85 Prozent Zustimmung. .responsive23-UDswSBIv2AxBWG4l-choro-kommunalwahl-kommunen-1-bm { width: 100%; padding-top: 100%; } @media (max-width: 600px) { .responsive23-UDswSBIv2AxBWG4l-choro-kommunalwahl-kommunen-1-bm { padding-top: 100%; } } @media (max-width: 360px) { .responsive23-UDswSBIv2AxBWG4l-choro-kommunalwahl-kommunen-1-bm { padding-top: 142.86%; } } Neu gemischt werden die Karten aber in fünf Jahren – denn dann wird es auf jeden Fall einen neuen Bürgermeister geben. Torke hat angekündigt, dass es im Falle seiner Wahl 2025 die letzte Amtszeit sein wird. Lügde, Kreis Lippe: Torben Blome (SPD) ist seit fünf Jahren Bürgermeister in Lügde und möchte es auch bleiben. Einen Gegenkandidaten hat der 38-Jährige nicht. Bereits im März dieses Jahres gaben die drei im Lügder Stadtrat vertretenen Fraktionen CDU, FWG und SPD gemeinsam bekannt, dass sie den Amtsinhaber &bdquo;als kompetenten, engagierten und verlässlichen Bürgermeister schätzen und ihn bei seiner Wiederwahl unterstützen wollen“. &bdquo;Die vergangenen Jahre der Zusammenarbeit haben eindeutig gezeigt, dass wir uns in Lügde auf unsere Verwaltungsspitze verlassen konnten“, sagt Andreas König, Vorsitzender des CDU-Stadtverbandes. Man sehe daher keinen Änderungsbedarf. Amtsinhaber zeigt sich dankbar für das Vertrauen in seine Politik &bdquo;Es ist ein gutes Zeichen, dass in Lügde die großen Entscheidungen auf Augenhöhe und im Dialog zwischen den Fraktionen getroffen werden“, sagt SPD-Fraktionschef Jörg Eickmann. Die gemeinsame Wahlempfehlung sehe die SPD als Bestätigung für das hohe Vertrauen der Lügder Politik untereinander. Blome zeigt sich dankbar für das Vertrauen. Er trete mit dem Ziel einer möglichst hohen Wahlbeteiligung und eines klaren Mandats durch die Bürgerschaft an: &bdquo;Der Souverän ist das Volk, und damit haben die Bürgerinnen und Bürger das letzte Wort.“

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