Stromtrasse in Borgholzhausen: Kläger erwarten finalen Gerichtstermin

Borgholzhausen. Für die Antwort müssen die beiden Herren nicht eine Sekunde überlegen. &bdquo;Nein - niemals“, sagt Werner Bentlage auf die Frage, ob er irgendwann einmal an ’Aufgeben’ gedacht habe. Und Graf Georg von Kerssenbrock springt ihm ebenso schnell bei: &bdquo;Ich auch nicht - auf keinen Fall.“ Die zwei Grundstücksbesitzer aus Borgholzhausen sind auf Schloss Brincke zusammengekommen, um letzte Details ihrer Klage zu besprechen. Die Klage - ihre Klage - steht möglicherweise am 4. Dezember vor einer finalen Entscheidung, denn dann wird vor dem Bundesverwaltungsgericht in Leipzig (BVerwG) das Verfahren unter dem Aktenzeichen BVerwG 11 A 23.23 u.a.04 verhandelt. Inhaltlich geht es darum, ob die Bezirksregierung Detmold und die Firma Amprion das Recht haben, die Stromtrasse von Halle durch Borgholzhausen bis zur niedersächsischen Landesgrenze auszubauen. Die vier Klageführer - neben Graf Kerssenbrock und Werner Bentlage sind es noch Uwe Nagelsmöller und Henning Görlich - bestreiten dies. Weiter vehement. Sie wehren sich gegen das gesamte Planfeststellungsverfahren sowie gegen den Ausbau der Trasse mittels Erdkabeln. Neue Stromtrasse von Halle durch Borgholzhausen nach Niedersachsen Graf Kerssenbrock und Werner Bentlage sind beide massiv von dem Ausbau betroffen. Die Trasse zwischen Halle-Hesseln, Wichlinghausen, der Bielefelder Straße und der Wellingholzhausener Straße verläuft in weiten Teilen über ihren Grund und Boden. Die Erdkabel liegen in ihrem Erdreich. &bdquo;Unser Mutterboden ist jetzt schon versaut. Die haben derart viel Müll verbuddelt, der dort definitiv nicht hineingehört“, ärgert sich Werner Bentlage und zählt auf: &bdquo;Die Erdkabel bestehen aus Kupfer, die Rohre aus Plastik und die Fundamente der Freileitungen aus Beton. Sehr viel Beton.“ Aktuelle News bekommen Sie täglich über den WhatsApp-Kanal des HK Die Fürsorge um den eigenen Grund und Boden treibt die Männer an. &bdquo;In unseren Familien gilt die Maxime, dass wir Grundbesitzer einen Auftrag haben. Der da lautet: Verwalte deinen Besitz derart sorgfältig, dass du ihn sorgenfrei an die nächste Generation weiter geben kannst“, sagt Graf Kerssenbrock. Schließlich sei man nicht nur für sich da, sondern auch seinen Nachkommen verpflichtet. Um Unheil von ihren Grundstücken abzuwehren, investierte das Quartett sehr viel Zeit, Geld und Mühen und strengte letztlich die besagte Klage an, die nun Anfang Dezember zur Verhandlung steht. In den zurückliegenden Jahren ist beim Grafen ein stattliches Archiv entstanden. &bdquo;Ich kann die Menge an Fotos, Videos, Dokumenten und Akten nicht beziffern“, sagt er: &bdquo;Es sind zu viele.“ Auch Werner Bentlage bleibt im Ungefähren: &bdquo;Unglaublich viel Zeit“ habe er investiert: &bdquo;Und mindestens genauso viele Nerven gelassen.“ Bezirksregierung Detmold droht dem Graf Zwangsgeld an Zu seinen Sorgen gesellten sich schlaflose Nächte, gesteht Werner Bentlage, &bdquo;die mich und meine Familie bisweilen schon sehr belastet haben“. Graf Georg von Kerssenbrock spricht von &bdquo;unterschiedlichen Stimmungsphasen“. Viele Erwartungen seien zerstört worden. Dabei hätte Amprion bereits während der ersten Präsentation zum Trassen-Ausbau im Haus Hagemeyer-Singenstroth den Ton gesetzt. Werner Bentlage erzählt: &bdquo;Als ich denen damals gesagt habe, dass man über gewisse Punkte noch einmal reden müsste, erhielt ich die schroffe Antwort: ,Dann sehen wir uns eben vor Gericht in Leipzig’.“ Seitdem sind die Kläger auf der Hut. Sie recherchierten zu dem Thema &bdquo;Stromkabel-Verlegung“, sie informierten sich bei Spezialisten und sie dokumentierten die Ausmaße des Stromtrassenbaus auf ihrem Grund und Boden. Dabei gerieten sie unter anderem in Konflikt mit der Justiz. Werner Bentlage musste ein Strafgeld zahlen, dem Grafen wurde eine Strafzahlung angedroht. Bentlage wurmt, dass &bdquo;wir unsere Grundstücke, an den Stellen, an denen gebaut wird, nicht betreten dürfen. Das ist mit meinem Gerechtigkeitssinn nicht vereinbar“. Die Stromautobahn ist 27 Meter breit Die Kläger organisierten über die Jahre Protestaktionen. Einmal brachten sie auf einer Wiese an der Bielefelder Straße ein 27 Meter breites Plakat an, um zu demonstrieren, wie viel Erdreich man für die unterirdischen Kabel ausbaggern müsste. Dazu ließen sie auch drei Mähdrescher auffahren. Zusammengestellt ergaben die drei Schneidwerke der Mähdrescher ebenfalls 27 Meter. Die Breite der neuen Stromautobahn. &bdquo;Wir wollten den Menschen veranschaulichen, um welche Dimensionen es bei der bevorzugten Bauweise von Amprion geht“, erläutert Graf Georg von Kerssenbrock. Die Kläger hätten lieber Freileitungen gehabt - trotz der optischen Beeinträchtigungen. Schließlich seien die wirtschaftlicher und deutlicher schneller zu errichten. &bdquo;Da wäre man jetzt schon fertig“, taxiert Werner Bentlage. Unterdessen ist der Bau der neuen Stromtrasse weiter fortgeschritten. In Wichlinghausen steht der letzte Freileitungsmast kurz vor der Fertigstellung. Die unterirdischen Kabel über den Bergkamm des Teuto in Richtung Heidbrede sind verlegt. Die Erde dort ist verfüllt und mit einer Matte abgedeckt. Überdies sind im Herbst Pflanzensamen gesät worden. An der Bielefelder Straße läuft der Aushub des Bodens für die Erdkabelverlegung. Weiter in Richtung Wellingholzhausen sind die Rohre für die unterirdische Trasse zu großen Teilen in der Erde, der erste Freileitungsmast an der dort geplanten Kabelübergabestation steht. Urteil in Leipzig hat bundesweite Bedeutung Einfluss auf die Arbeiten, die seit dem Frühjahr 2024 laufen, wird der Gerichtstermin in Leipzig wohl nicht mehr haben. Dennoch geht es in der gerichtlichen Anhörung um das Grundsätzliche: Ist das Planfeststellungsverfahren rechtens? Sind Art und Weise des Stromtrassenbaus angemessen und richtig? Sämtliche Beteiligte des Klageverfahrens werden am 4. Dezember vor den Richtern die Möglichkeit erhalten, zu den Umständen in Borgholzhausen Stellung zu beziehen: die Kläger selber, ebenso wie die Bezirksregierung Detmold und die Firma Amprion. Aktuelle News bekommen Sie täglich über den WhatsApp-Kanal des HK Das Gericht wird bei seinem Urteil dann zweierlei zu berücksichtigen haben: Stimmen die dargelegten Sachverhalte? Und ist das gerichtliche Verfahren ordnungsgemäß abgelaufen? Das Urteil hat insofern bundesweite Bedeutung, weil zum einen nicht vorhersehbar ist, zu welchen Gunsten das Gericht urteilen wird. Und zum anderen, weil selbst bei einem Erfolg der Kläger im Vorfeld nicht klar ist, welche Auswirkungen dies auf die laufenden Baumaßnahmen in Borgholzhausen und anderswo in der Republik haben wird. Die Kläger indes fahren &bdquo;kämpferisch, aber völlig illusionslos nach Leipzig“, so Graf Kerssenbrock: &bdquo;Wir haben gelernt: Je größer die Erwartungen, desto mehr kann man enttäuscht werden.“ Oder wie der Volksmund sagt: &bdquo;Vor Gericht und auf hoher See ist man in Gottes Hand.“

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