Showdown vor Gericht: Klage des Grafen aus Borgholzhausen wird verhandelt

Borgholzhausen. Es ist ruhig geworden um die Aktivitäten des Grafen Georg von Kerssenbrock gegen den Bau der Stromtrasse in Borgholzhausen. Sein öffentlicher Protest gegen die Art der Umsetzung der Energie-Autobahn durch die Firma Amprion hat seit Baubeginn im Frühjahr 2024 scheinbar nachgelassen. Doch der Schein trügt. Graf Georg von Kerssenbrock hat weder aufgegeben, noch sich von der zwischenzeitlichen Androhung eines Zwangsgeldes einschüchtern lassen. Der Landwirt bündelt aktuell seine Energie und schärft den Fokus, denn in ein paar Wochen kommt es zum gerichtlichen Showdown in Leipzig. Die Klage des Grafen und seiner drei Mitstreiter, Uwe Nagelsmöller, Henning Görlich und Werner Bentlage, wird am 4. Dezember um 9 Uhr vor dem Bundesverwaltungsgericht (BVG) verhandelt. In der gerichtlichen Ankündigung heißt es unter dem Aktenzeichen BVerwG 11 A 23.23 u.a.04: Recht des Ausbaues von Energieleitungen (Planfeststellung EnLAG); Vorhaben Nr. 16, Neubau einer Höchstspannungsleitung Wehrendorf-Gütersloh. Beklagt wird die Bezirksregierung Detmold, die das Planfeststellungsverfahren durchgeführt hat. Das Bundesverwaltungsgericht lehnte bisher die Klagen zumeist ab Die Klage aus Borgholzhausen ist von bundesweiter Bedeutung, denn im Bezug auf eine geplante Stromtrasse landen Klagen von Privatpersonen in der Regel nur sehr selten und erst nach vielen Jahren vor dem obersten Verwaltungsgericht. In den meisten Fällen sind es Kommunen, große Interessengemeinschaften oder Verbände, die sich mühsam bis zum Bundesverwaltungsgericht vorarbeiten. Bei den geplanten Energieleitungen hat der Gesetzgeber jedoch auf Geschwindigkeit gesetzt, weil die Zeit zum Ausbau drängt. Aus diesem Grund gibt es keine erste, zweite oder dritte Instanz auf Bezirks-, Landes- oder Bundesebene. In diesen Fällen existiert lediglich eine Instanz: die vor dem Bundesverwaltungsgericht in Leipzig. Was dort entschieden wird, gilt. Unwiderruflich. Schon deshalb ist das Urteil zur Klage der vier Borgholzhausener ebenso besonders wie grundlegend und zukunftsweisend. Bisher hatten Klagen im Zusammenhang mit dem Bau von neuen Stromtrassen wenig Erfolg. Das BVG wies zuletzt alle ähnlich gelagerten Fälle ab. So zum Beispiel am 10. April 2024 den Einwurf der Stadt Moers gegen einen Planfeststellungsbeschluss für den Neubau von Höchstspannungsfreileitungen. Erdkabel zwischen Wichlinghausen und Wellingholzhausen Oder die Klage von Grundstückseigentümern im Münsterland vom 31. März 2023, die sich dagegen gewehrt hatten, dass ihre Grundstücke nahe der Stadt Gescher für geplante Maststandorte genutzt werden sollten. In beiden Fällen wurde die Richtigkeit und die Ordnungsmäßigkeit des Planfeststellungsverfahrens bestätigt. In beiden Fällen konnten die Bauarbeiten wie geplant beginnen. Auch Graf Georg von Kerssenbrock hat sich schon eine Abfuhr aus Leipzig abgeholt. Sein Antrag beim Bundesverwaltungsgericht auf vorläufigen Rechtsschutz wurde Anfang des Jahres zurückgewiesen. Dieser sollte den Beginn der Baumaßnahmen der Firma Amprion verhindern. Seitdem wird zwischen Hesseln, Wichlinghausen, Borgholzhausen Stadt und Wellingholzhausen fleißig gearbeitet und gebuddelt. Neben den gewaltigen Freileitungsmasten für die oberirdischen Stromkabel entstehen auf rund vier Kilometern auch unterirdische Leitungen für Erdkabel. Die jetzt anstehende mündliche Gerichtsverhandlung in Leipzig muss darüber entscheiden, ob dies in dieser Form rechtens ist. Im Grundsatz geht es den Klägern aus Borgholzhausen aber auch noch um ein wichtiges Detail. &bdquo;Das Gericht entscheidet, ob die Erdverkabelung auf diesem Trassenabschnitt richtig oder falsch ist“, erläutert Graf Georg von Kerssenbrock. Das sei insofern bemerkenswert, da sämtliche Klagen bisher eher Freileitungen abgelehnt und explizit eine Verlegung von Erdkabeln gefordert hatten. Kehrtwende: weg von Erdkabeln, hin zu Freileitungen Damit hat die Klage des Grafen und seiner Mitstreiter ein Alleinstellungsmerkmal. Während landesweit stets Freileitungen abgelehnt wurden, weil sie die Natur und besonders die Optik der Landschaft verschandelten, sehen sich die vier Kläger aus Borgholzhausen eines Besseren belehrt und fordern ausdrücklich Freileitungen. &bdquo;Wir tun dies für unsere Umwelt“, sagt Graf Kerssenbrock: &bdquo;Denn wir haben im Laufe des Jahres gesehen, dass unsere Umwelt durch die unsägliche Buddelei für die Erdkabel viel mehr in Leidenschaft gezogen wird, als es mit dem Bau von Freileitungen der Fall gewesen wäre.“ Dafür nehme der Graf sogar optische Einschränkungen auf seinem eigenen Grund und Boden in Kauf. &bdquo;Mir geht es hier wirklich um die Sache. Ich mache das nicht, um einfach nur ein bisschen Aufmerksamkeit zu erregen und mich in der Öffentlichkeit zu produzieren“, sagt er: &bdquo;Ich möchte mir nachher nicht vorwerfen lassen, dass ich nicht alles versucht hätte, das Verfahren in geordnete Bahnen zu lenken.“ Graf Georg von Kerssenbrock möchte die Angelegenheit mit &bdquo;erhobenem Haupt“ beenden. Dafür investiert er viel Zeit und viel Geld. Borgholzhausener Kläger verweisen auch auf Finanzen Die Finanzen sind auch das zweite Hauptargument, warum sich die Kläger für den Bau von Freileitungen einsetzen und Erdkabel ablehnen. &bdquo;Das ist um ein Vielfaches günstiger“, betont der Graf. Man würde da sehr viel Geld sparen. Geld, das man nicht in Form von einer Erhöhung von Netzentgelten auf die Verbraucher und die Wirtschaft umlegen müsste. Graf Georg von Kerssenbrock hält gerade dies für ein &bdquo;unschlagbares Argument. Denn bei einer weiteren bewussten Verteuerung von Energie gefährden wir den Wirtschaftsstandort Deutschland sowie letztlich auch unseren Wohlstand“. Sollten Kerssenbrock und seine Mitkläger recht bekommen - ganz oder teilweise -, könnte das gesamte Planfeststellungsverfahren infrage stehen und müsste möglicherweise noch einmal aufgerollt werden. Es hätte dann auf jeden Fall Signalwirkung für weitere geplante Stromtrassen. Die beklagte Bezirksregierung Detmold wollte sich auf Anfrage des &bdquo;Haller Kreisblattes“ zu dem laufenden Verfahren nicht weiter äußern. Endgültig Klarheit gibt es am 4. Dezember. Nach dem Urteil des Bundesverfassungsgerichtes.

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