Der Streit um die Stromtrasse geht weiter

Die Bürgerinitiative „Keine 380 kV-Freileitung am Teuto“ hält am Erdkabel fest. Auch bei der sogenannten „offenen Bauweise“.

Heinz Schlüter (von links), Ute Halden, Elke Bollin, Hartmut Halden, Dierk Bollin, Peter Knaust, Elisabeth Winter und Mike Nagel setzen sich für die Erdverkabelung ein. | © Ekkehard Hufendiek

11.08.2020 | 11.08.2020, 10:34

Borgholzhausen. Der Streit zwischen Gegnern und Befürwortern der Erdverkabelung nimmt in den letzten Tagen deutlich Fahrt auf – dabei schien das Thema eigentlich schon fast erledigt. Im Planungsdialog einigten sich die Teilnehmer, die Erdverkabelung für das ungefähr 4,2 Kilometer lange Stück durch das Borgholzhausener Tal mit Hilfe von Bohrverfahren durchzuführen. Doch das ist offenbar technisch nicht möglich – was vor allem die Landwirte auf die Palme bringt.

Bauherr ist der Netzbetreiber Amprion GmbH. Das Haller Kreisblatt berichtete am 18. Juli über die Erkenntnisse, die das Unternehmen nach seinen umfangreichen Bodenuntersuchungen auf der Trasse gewonnen hat.

Großer Mast, kleiner Mast: Hier an der Kompostierungslange in Halle-Künsebeck stehen die alten und neuen Masten der Freileitung seit einigen Wochen direkt nebeneinander. So kann sich jeder Interessierte selbst ein Bild davon machen, wie stark sich der Unterschied auswirkt. Foto: Andreas Großpietsch - © Andreas Großpietsch
Großer Mast, kleiner Mast: Hier an der Kompostierungslange in Halle-Künsebeck stehen die alten und neuen Masten der Freileitung seit einigen Wochen direkt nebeneinander. So kann sich jeder Interessierte selbst ein Bild davon machen, wie stark sich der Unterschied auswirkt. Foto: Andreas Großpietsch (© Andreas Großpietsch)

Im Gegensatz zu den Erwartungen zeigte sich, dass der Untergrund des Borgholzhausener Abschnitts ganz grundsätzlich für Bohrverfahren nicht geeignet ist. Deshalb will Amprion im Planfeststellungsverfahren einen Bau der 380 kV-Stromautobahn in sogenannter offener Bauweise beantragen. Die Bürgerinitiative „Keine 380 kV-Freileitung am Teuto" hält allerdings trotzdem an der Erdverkabelung in 1,80 Metern Tiefe fest. Eine Freileitung mit rund 70 Meter hohen Großmasten ist für sie keine machbare Alternative.

Reaktion auf die Demonstration der Erdkabelgegner

Deshalb hat die Initiative jetzt eine Stellungnahme verfasst. Deren Inhalt ist allerdings alles andere als neu. „Wir stellen die Forderungen zum wiederholten Mal", räumt Hartmut Halden ein. Er ist Sprecher der Bürgerinitiative und sieht seine Gruppierung in der Pflicht, jetzt auf die pressewirksame Demons-tration der Erdkabelgegner zu reagieren.

30 Landwirte um Georg Graf von Kerssenbrock hatten sich vor einigen Tagen gegen die Erdverkabelung in offener Bauweise und für eine Freileitung ausgesprochen. Ihr Motto: „Unsere Äcker sind nicht eure Spielwiese." Mit Hilfe von drei großen Mähdreschern veranschaulichten sie, wie breit die Trasse der Erdverkabelung wird. Sie äußerten große Besorgnis wegen möglicher Schäden an ihren Feldern durch die Wärmeentwicklung einer solchen Leitung.

Die Mitglieder der Bürgerinitiative widerspreche diesen Befürchtungen vehement. Zum befürchteten Wärmeanstieg der Böden an der Oberfläche von bis zu vier Grad Celsius und einem Vielfachen davon in 1,80 Meter Tiefe sagt Hartmut Halden: „Die Wärme verteilt sich in der Mergelschicht viel besser, so dass auch die Entzugsleistung höher ist als im Sand- oder im Lehmboden. Somit kommt an der Oberfläche deutlich weniger Wärme an."

80 Grad Celsius erreiche außerdem nur der Kern des Kupferkabels und die auch nur in Volllast. Laut Dierk Bollin, einem der Wortführer der Bürgerinitiative, werde die Stromtrasse zudem „fast nie" unter Volllast in Betrieb sein. Baue Amprion hingegen nach dem Willen der Landwirte eine Freileitung, fürchtet er negative Auswirkungen durch das Magnetfeld der Leitungen. Bei einer Erdverkabelung hingegen falle das deutlich schwächer aus.

Auch dem Argument eines unverhältnismäßig großen Baufeldes, das laut der Landwirte der Größe von 25 Fußballfeldern gleichkomme, widersprechen die Befürworter der Erdverkabelung: „Der Bau erfolgt abschnittsweise, das heißt, es gibt keine 4,2 Kilometer lange Baugrube." Zudem werde auch ein 45 Meter breiter Baustreifen nur dann nötig, wenn Aushub und Baufahrzeuge ihn erfordern. Als Argument führen die Freileitungsgegner zusätzlich ins Feld, dass der Flächenverlust der Böden durch die Mastenfundamente um das Zehnfache zunähme: jetzige Mastenfundamente nehmen etwa 500 Quadratmeter Bodenfläche ein, die größeren würden 5000 Quadratmeter beanspruchen. „Diese Fläche ist im Vergleich zur Erdverkabelung verloren", sagt Hartmut Halden.

Die Bürgerinitiative möchte aber auch, dass die Firma Amprion noch weitere Untersuchungen des Bodens vornimmt – mit dem Ziel, mögliche alternative Bohrverfahren einsetzen zu können, sagt Hartmut Halden. Und er fügt hinzu: „Wir betrachten das Land auch nicht als Spielwiese!"