Bunt wie Malkasten: Archivar findet alte Karten in Steinhagens Schatzkammer

Steinhagen. Archivarbeit hat manchmal auch etwas von Schatzsuche. Kernaufgabe von Patrick Tarner, seit vergangenem Jahr Steinhagens Gemeinde-Archivar, ist es sicherzustellen, dass wichtige Unterlagen aus dem laufenden Geschäft lange genug zugänglich bleiben. Darüber hinaus kümmert er sich auch um die &bdquo;Schätze“ der Gemeinde, die zum Teil gut verwart in den Archiven des Rathauses lagern. Die vergangenen Monate des Einarbeitens nutzte er auch, um die Bestände zu sichten. Dabei fielen ihm sechs großformatige Landkarten in die Hände, die in den vergangenen Jahrzehnten etwas in Vergessenheit geraten waren. &bdquo;Es sind Schluckebier-Karten“, erklärt der studierte Historiker, während er eine der großformatigen Rollen auf dem Boden des Ratssaales ausbreitet. Insgesamt sechs Karten hat er zutage gefördert, die größten sind 1,5 mal 1,6 Meter groß. Richard Schluckebier ist kein ganz großer Geograf, in hiesigen Historiker-Kreisen aber durchaus ein Begriff. Schluckebier war eigentlich gelernter Architekt. Etwa nach Ende des Zweiten Weltkriegs begann der Löhner, großformatige Karten der hiesigen Städte und Gemeinden anzufertigen. Die erfreuten sich vor allem wegen seiner Kunstfertigkeit großer Beliebtheit. Steinhagener Archivar erkennt kleine Kostbarkeiten &bdquo;Schluckebier war seit einer schweren Kriegsverwundung im Ersten Weltkrieg berufsunfähig und arbeitete als Maler und Kartograf“, erklärt Patrick Tarner. Seine Karten hätten durchaus künstlerischen Wert, seien aber auch maßstäblich ziemlich korrekt. &bdquo;Er verwendete das preußische Urkataster“, erklärt der Archivar. Mit preußischer Genauigkeit hatte die Obrigkeit 1822 sämtliche Grenzen der Region genau festgehalten. Aktuelle News bekommen Sie täglich über den WhatsApp-Kanal des HK Richard Schluckebier kopierte die Grenzziehungen dieser Karten, ergänzte aber Gehöfte und Gewässer und gestaltete das Ganze farbig und mit Legende. &bdquo;Das Urkataster ist der älteste Plan, den es für diese Region gibt. Allerdings ist es sehr unübersichtlich“, erklärt der 29-Jährige, der das Original ebenso kennt. &bdquo;Vieles hat er selbst erforscht. Die Schluckebier-Karten sind super übersichtlich.“ Wege und Beschriftungen sind von Hand mit Tusche gezeichnet, Farben mit Buntstiften ergänzt. Im Vergleich zu einem Kataster sind Schluckebiers Pläne bunt wie ein Malkasten. Besonders für Heimatvereine und Lokalhistoriker bieten diese knapp 80 Jahre alten Karten einen kleinen Schatz. Viele Steinhagener Namen, die sich noch heute auf den Klingelschildern finden, zieren bereits die historischen Karten. Auch für den Laien ist es spannend zu sehen, dass im Brockhagener Zentrum für das Jahr 1822 nur zwei größere Gebäude eingezeichnet sind: Die Kirche und der benachbarte Bauernhof. Lesen Sie auch: Kuriose Dachbodenfunde in Werther &bdquo;Die Karten wurden vor allem an Schulen, Vereine und Kommunen verkauft“, weiß der Historiker zu berichten. Zeitweise sei Richard Schluckebier dabei so erfolgreich gewesen, dass er mehrere Mitarbeiter beschäftigen konnte. Auch heute noch sind solche Karten gefragt. &bdquo;Wir bekommen Anfragen von Heimatforschern“, sagt Tarner. Sechs Karten von Steinhagen, Amshausen und Brockhagen Denen könne er die Karten derzeit indes nur bedingt zugänglich machen. Der Zustand ist zu schlecht. Von den sechs Karten (zwei Mal Steinhagen, zwei Mal Brockhagen, zwei Mal Amshausen), seien mehrere so stark beschädigt, dass jedes weitere Ausrollen mehr Risse verursache. &bdquo;Eine schimmelt außerdem“, sagt der Fachmann. Die Schäden seien vermutlich nicht in den vergangenen Jahren entstanden. &bdquo;Die Frage ist eher: Wo wurden sie zwischen der Entstehung 1948 und dem Bau des Rathauses gelagert?“ Deswegen trat er nun an den Gemeinderat. Der stellte die finanziellen Mittel bereit, um die sechs historischen Karten zu retten. 10.300 Euro soll die Aktion kosten. Der Auftrag wird ausgeschrieben. &bdquo;Solche Restauratoren haben viel zu tun“, weiß Tarner. Er hofft, dass die Arbeiten im Sommer stattfinden können. Wenn die Karten dann gesichert sind, will er sie auch gleich digitalisieren lassen. &bdquo;Dann stellen wir sie auf die Homepage“, kündigt er an. So könnten sich Heimatforscher künftig den Weg zum Rathaus sparen - und die Schluckebier-Karten können sicher und trocken verwahrt auf die kommenden Jahrzehnte harren. Weiter auf der Suche nach Unentdecktem aus Steinhagen Derweil stöbert Patrick Tarner weiter. &bdquo;Es ist noch nicht alles inventarisiert. Ich habe auch noch Karten aus dem 16. Jahrhundert und Reproduktionen von 1803. Ich habe auch schon Hofakten aus dem 18. Jahrhundert gefunden. Vielleicht tauchen noch andere Schätze auf.“ Der Archivar freut sich auch über Hinweise aus der Gemeinde. Wer auf seinem Dachboden eine alte Kiste findet, deren Inhalt er nicht zuordnen kann, sollte kurz das Handy zur Hand nehmen. &bdquo;Schlimm ist immer, wenn der Müllcontainer vor uns da war“, sagt der begeisterte Historiker. &bdquo;Und ein Anruf verpflichtet zu nichts.“ Patrick Tarner ist montags bis mittwochs im Rathaus erreichbar unter Tel. 05204 997313 oder per E-Mail an patrick.tarner@steinhagen.de.

Meistgelesen

Seltene Münze gefunden: Steinhagener Historiker dank Aufruf erfolgreich

Schatzsuche: Steinhagener Archivar ist alten Kriegs-Münzen auf der Spur

Dramatischer Schusswechsel: Steinhagen erinnert an tödlichen Hinterhalt

Ausnahmezustand über Monate: Was auf Steinhagens Schüler und Lehrer zukommt

Vollsperrung auf wichtiger Straße zwischen Steinhagen und Bielefeld Der Kreis Gütersloh kündigt Baumaßnahmen auf der Queller Straße an. Darum wird der Autoverkehr schon sehr bald umgeleitet. Steinhagens Bürgermeisterin äußert Kritik zum Zeitpunkt der Maßnahme.

Weinmarkt in Steinhagen eröffnet: Volles Programm bis Sonntag Seit Donnerstag ist der...