Unternehmer Otto: „Wenn Politik handelt, stabilisiert das die Demokratie“

Michael Otto, Sie erhalten am 20. Februar in Gütersloh den Reinhard Mohn Preis zum Thema &bdquo;Demokratie stärken!“. Laut einer Studie der Bertelsmann Stiftung haben 41 Prozent der jungen Menschen unter 30 kein Vertrauen in die Demokratie. Wie können Sie sich das erklären und was sagen Sie diesen Menschen, so kurz vor der Bundestagswahl am 23. Februar? Michael Otto: Um zunächst etwas Positives zu sagen: 59 Prozent der Jugendlichen glauben also an die Demokratie. Damit liegen wir deutlich über dem Europäischen Schnitt. Aber trotzdem ist das zu wenig. Deshalb ist es wichtig, dass wir die jungen Menschen für unsere Demokratie begeistern. In Hamburg gibt es das Haus Rissen Institut für politische Bildung, bei dem ich seit Jahren Kuratoriumsvorsitzender bin. Da bilden wir Jugendliche zu Wahlhelfern aus und dabei erhalten sie über die Demokratie viele Informationen und erleben sie dann live in den Wahllokalen. 90 Prozent der Jugendlichen sind so angetan, dass sie sich dann auch danach wieder als Wahlhelfer melden. Diese Menschen stehen der Demokratie dann ja aber schon positiv gegenüber. Wie erreicht man die, die es nicht tun? Zum Beispiel protestieren aktuell bundesweit Tausende gegen Rechts, sie stoßen damit aber auch auf breiten Hass gerade in den Sozialen Medien. Die Stimmung im Land kocht hoch. Das ist leider richtig. Man muss sich klarmachen, dass zur Demokratie auch die Toleranz gegenüber anderen Meinungen gehört. Ich sehe aber mit Sorge, dass die extremen Ränder die Demokratie einengen wollen. Wir müssen da zum Dialog miteinander kommen. Demokratien wie nun auch die USA bekommen autoritäre Tendenzen. Wie kann so eine Entwicklung in Deutschland verhindert werden? Wir haben gerade eine Situation mit vielen Krisen. Wenn eine Regierung nicht handelt und die Bevölkerung nicht feststellt, dass Probleme gelöst werden, entsteht natürlich Unzufriedenheit und das Gefühl, dass eine Demokratie keine Lösungen findet. Dann bekommen radikale Stimmen Aufwind. Wir als Bürger, Wirtschaft und Politik müssen uns zusammenschließen und versuchen, gemeinsam die Probleme zu lösen. Welche Verantwortung an der derzeitigen wirtschaftlichen Entwicklung haben große Unternehmer? Müssen sie sich vielleicht generell mehr politisch engagieren? Absolut richtig. Wir haben in Deutschland eine extrem schwache wirtschaftliche Entwicklung. Das ist natürlich in Teilen von außen bestimmt, denn auch die Weltwirtschaft ist in der Krise. Uns fehlen aber die notwendigen politischen Rahmenbedingungen, ich denke beispielsweise daran, dass wir niedrigere Energiepreise benötigen. Ansonsten werden Teile der Industrie bei uns letzten Endes nicht mehr produzieren. Die Wirtschaft hat aber auch Fehler gemacht – der Automobilindustrie ist zum Beispiel der Wandel zur Elektromobilität sehr schwergefallen und der Einzelhandel hat das Internet und E-Commerce zu zögerlich angenommen. Ein Stichwort, bei dem alle sagen, es muss sich etwas ändern, ist die Bürokratie. Wir haben eine überbordende Bürokratie. Im Grundsatz ist es natürlich richtig, dass wir beispielsweise bei Lieferketten die Umwelt- und Sozialstandards beachten, aber das muss deutlich vereinfacht werden und es darf sich bei den Berichten nicht so viel überschneiden. Sonst kommt man vor lauter Berichtspflichten kaum noch zum Arbeiten. Was sagen Sie zu Unternehmern, die dem US-Präsidenten Donald Trump vor seiner Wiederwahl kritisch gegenüberstanden und nun ihr Verhalten ändern? Wäre so etwas bei einem Machtwechsel in Deutschland auch denkbar? Ich finde das erst mal außerordentlich bedauerlich, dass Unternehmer glauben, sie bekommen bessere Unterstützungen, wenn sie ihre Werte aufgeben. Aber vielleicht haben viele von denen gar keine Werte gehabt. So etwas wird es in Deutschland nicht geben. Der amerikanische Präsident hat außerordentlich hohe Machtbefugnisse und kann auch alleine viele Entscheidungen treffen. Da haben wir erfreulicherweise ein anderes System. Sie ziehen sich in diesem Jahr aus dem Aufsichtsrat ihres Unternehmens zurück und im kommenden Jahr geben Sie den Vorsitz im Stiftungsrat und im Gesellschaftsrat ab. Welche Botschaft geben Sie ihren Nachfolgern mit? Ich habe mit meinem Sohn Benjamin, Alexander Birken und Petra Scharner-Wolff drei hervorragende Nachfolger. Da gebe ich gar keine Ratschläge. Alle vertreten voll die Werte unserer Unternehmenskultur und so werden diese auch in Zukunft weiter getragen werden. Natürlich werden sie eigene Akzente setzen. Und das ist auch wichtig. Was haben Sie dann vor? Ich werde wieder mehr Zeit für meine Stiftungen haben und mir auch vor Ort wieder häufiger Projekte anschauen. Eine dieser Stiftungen haben Sie Ende 2023 zum Schutze der Demokratie gegründet. Was plant die Stiftung konkret? Wir haben die ersten Projekte schon durchgeführt. Zusammen mit der Bertelsmann Stiftung haben wir das von ihr initiierte Forum gegen Fakes umgesetzt. Wir haben einen Bürgerrat gegründet, der zusammen mit Experten in Präsenz und Online darüber diskutiert hat, welche Maßnahmen es geben muss, um gegen Desinformation vorzugehen. Uns war wichtig, dass es auch einen Ansprechpartner in der Politik gibt, und wir konnten unser Gutachten an Bundesinnenministerin Nancy Faeser übergeben. In diesem Jahr wollen wir in Sachsen-Anhalt gemeinsam mit &bdquo;Mehr Demokratie e. V.“ ein weiteres Projekt &bdquo;Sprechen und Zuhören“ angehen. Da wollen wir Bürgerinnen und Bürger aus unterschiedlichen sozialen Milieus und politischen Lagern zusammenbringen. Es soll darum gehen, dass man Verständnis für den anderen entwickelt. In Brandenburg wurde das Format bereits 2024 erfolgreich pilotiert. Wir begleiten das Projekt wissenschaftlich, um zu erfahren, ob und wie Bürger eine politische Diskussion sehen und schätzen und gegebenenfalls ihr Verhalten ändern. Am 23. Februar ist die Bundestagswahl. Was wünschen Sie sich von der nächsten Bundesregierung? Ich hoffe, dass wir eine Zweierkoalition bekommen. Wir haben ja jetzt gesehen, dass eine Dreierkoalition schwierig bei der Umsetzung wichtiger Themen ist. Zwei können sich eher einigen. Und ich hoffe, dass die wichtigen Themen, die wir im Augenblick haben, schnell gelöst werden. Wenn Bürger sehen, dass die Politik handelt, dann stabilisiert das die Demokratie.

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