
Hinweis: „Firewatch“ behandelt Themen wie Isolation, psychische Belastungen und den Umgang mit Krankheit. Wer sich aktuell in einer belastenden Lebensphase befindet, sollte gut abwägen, ob dieses Spiel die richtige Wahl ist. Bei Bedarf empfehlen wir professionelle Unterstützung und Begleitung.
Als das Videospiel „Firewatch“ 2016 erschien, fiel es sofort aus dem Raster typischer Videospiel-Erzählungen. Kein Kampf, kein Levelsystem, keine Sammelwut – stattdessen ein Turm in den Shoshone Mountains in den USA, ein Funkgerät und die Stimme einer Fremden.
Wir spielen Henry, der sich als Brandwächter vor persönlichen Problemen flüchtet, und knüpfen – ausschließlich über Gespräche – eine fragile Beziehung zu Delilah, einer Kollegin in einem weit entfernten Brandwacht-Turm.
Henrys Sommer im Shoshone National Forest ist nicht nur ein geografischer, sondern auch ein emotionaler Rückzug. Vor seiner Ankunft erfahren wir von Julia, seiner Frau, die in jungen Jahren an Demenz erkrankt ist. Die Entscheidung, sie in Australien bei ihrer Familie zu lassen, hängt wie ein Schatten über dem gesamten Spiel. „Firewatch“ erzählt damit nicht nur von der Schönheit der Wildnis, sondern auch vom menschlichen Impuls, sich in eine sinnbildliche Höhle zurückzuziehen, wenn die Außenwelt zu schmerzhaft wird.
Die Grafik ist erstaunlich gut gealtert

Visuell setzt „Firewatch“ auf stilisierte, warme Farbpaletten und klare Formen, inspiriert von den ikonischen US-Nationalpark-Postern der 1960er Jahre. Die Grafik mag technisch nicht bahnbrechend sein, doch sie altert erstaunlich gut – vermutlich, weil sie nie auf Realismus setzte.
Die Tages- und Wetterwechsel verstärken den meditativen Rhythmus, während der Soundtrack nur punktuell eingreift – fast wie ein Atemzug zwischen den langen, leisen Momenten.
Der Trailer zu „Firewatch“
Rezeption: Zwischen Kritikerliebling und „Walking Simulator“-Debatte
Damals wurde „Firewatch“ gefeiert: für seine Dialogqualität, die Atmosphäre und die subtile Charakterzeichnung. Manche Spielerinnen und Spieler warfen dem Game allerdings vor, „zu wenig Spiel“ zu sein – ein Kritikpunkt, der 2016 die Debatte um „Walking Simulatoren“ (also Spiele, die hauptsächlich aus Erkundung und Interaktion mit der Umgebung bestehen) erneut befeuerte.
Heute, in einer Zeit, in der narrative Indie-Titel wie „What Remains of Edith Finch“ oder „Disco Elysium“ längst etabliert sind, wirkt diese Kritik fast wie ein Anachronismus.
Die Kürze und Wiederspielbarkeit von „Firewatch“

Mit einer durchschnittlichen Spieldauer von etwa vier bis sechs Stunden bietet „Firewatch“ eine vergleichsweise kurze Spielerfahrung. Für viele, die eine umfangreiche oder wiederholbare Herausforderung suchen, mag das zu wenig sein.
Tatsächlich ist auch der Wiederspielwert begrenzt, da die erzählerischen Hauptstränge linear verlaufen und sich Dialogoptionen nicht dramatisch verändern. Dennoch liegt der Fokus des Spiels weniger auf Quantität als auf der intensiven Qualität der Erzählung.
Warum „Firewatch“ 2025 wieder relevant ist

Neun Jahre nach Release liest sich „Firewatch“ fast ein wenig prophetisch:
- Die Isolation, die Henry sucht und findet, wirkt nach den Erfahrungen globaler Lockdowns noch unmittelbarer.
- Die vorsichtige, oft brüchige Kommunikation auf Distanz spiegelt digitale Beziehungen im Zeitalter von Remote Work und Social Media wider.
- Der Blick auf mentale Gesundheit und die Frage, ob Weglaufen vor Problemen je funktioniert, ist ziemlich zeitlos.
Waldbrände sind in „Firewatch“ mehr als nur Kulisse – sie sind drohendes Unheil, das über der gesamten Geschichte schwebt. 2025 hat diese Gefahr eine neue Dringlichkeit: In Südkalifornien wüteten schon im Januar riesige Feuer, in Südeuropa brennen im Hochsommer erneut ganze Landstriche ab. „Firewatch“ erinnert uns auch daran, wie verletzlich selbst scheinbar endlose Wälder sind – und wie sehr ihre Bewahrung von Aufmerksamkeit und Verantwortung abhängt.
Verwandte Spiele, andere Stimmen
Wer die Atmosphäre mochte, findet ähnliche erzählerische Tiefe zum Beispiel in diesen Spielen:
- „The Vanishing of Ethan Carter“ – ein mysteriöser Thriller, in dem ein Detektiv mit übernatürlichen Fähigkeiten das Verschwinden eines Jungen untersucht.
- „What Remains of Edith Finch“ – ein poetisches Narrativ über das Leben und den Tod einer Familie, erzählt durch interaktive Kurzgeschichten.
- „Brothers: A Tale of Two Sons“ – ein emotionales Abenteuer über zwei Brüder, die gemeinsam eine gefährliche Reise antreten.
Doch „Firewatch“ bleibt bisher einzigartig in der Balance zwischen intimer Story und majestätischer Kulisse, finden wir.
Unser Fazit zu „Firewatch“: Ein Wald, der nie ganz verschwindet
„Firewatch“ ist weniger ein Spiel, das man „durchspielt“, als eines, das man durchlebt. Neun Jahre später ist es nicht nur ein Artefakt der Indie-Welle der 2010er, sondern ein leiser Begleiter für Fragen, die wir uns 2025 vielleicht dringender denn je stellen: Wem vertrauen wir? Was verschweigen wir? Und wie finden wir aus unserem eigenen Wald heraus?
„Firewatch“ ist seit dem 9. Februar 2016 erhältlich für Playstation, Xbox und PC sowie seit dem 17. Dezember 2018 auch für Nintendo Switch. Das Spiel kostet rund 20 Euro, ist aber regelmäßig als günstigeres Angebot zu haben. „Firewatch“ ist freigegeben ab 16 Jahren. Wir haben das Spiel zuletzt auf der Playstation 5 Pro gespielt.