Zurückgespielt

„Deliver Us The Moon“ & „Deliver Us Mars“: Warum sich der Rückblick jetzt lohnt

Zwischen Sci-Fi und Realität: Warum zwei Indie-Games ohne Action, aber mit Haltung gerade jetzt mehr Aufmerksamkeit verdienen. Ein Beitrag aus unserer neuen Rubrik „Zurückgespielt“.

Der Astronaut blickt auf die Raketenabschussrampe in „Deliver Us The Moon“: Es ist der Beginn einer einsamen Mission zur Rettung der Erde. | © KeokeN Interactive

Christian Lund
17.07.2025 | 17.07.2025, 20:18

Mit „Deliver Us Home“ entsteht derzeit der dritte Teil einer ungewöhnlichen Spielereihe, die Science-Fiction mit realweltlichen Themen wie Klimawandel, Ressourcenknappheit und existenzieller Isolation verbindet. Entwickelt vom niederländischen Studio KeokeN Interactive, haben sich „Deliver Us The Moon“ (2019) und „Deliver Us Mars“ (2023) zu stillen Kulttiteln entwickelt – mit großer erzählerischer Kraft und technischem Feingefühl.

Wir haben sie gerade erst gespielt und finden: Ein Rückblick lohnt sich nicht nur angesichts des kommenden dritten Teils, sondern auch, weil die Reihe viele der drängendsten Fragen unserer Gegenwart mit überraschender erzählerischer Tiefe verhandelt. Deshalb ist genau jetzt der richtige Zeitpunkt, um beide Spiele (noch einmal) zu spielen.

„Deliver Us The Moon“: Allein im All – für eine sterbende Erde

Leben auf dem Mond? Das ist in "Deliver Us The Moon" eine ziemlich einsame Sache. Der einzige Mensch, den man sieht, ist man selbst. - © KeokeN Interactive
Leben auf dem Mond? Das ist in "Deliver Us The Moon" eine ziemlich einsame Sache. Der einzige Mensch, den man sieht, ist man selbst. (© KeokeN Interactive)

„Deliver Us The Moon“ wirkt wie ein leiser Gegenentwurf zur lauten Welt der AAA-Games. Kein Kampf, kein Multiplayer, keine Explosionen – sondern eine beklemmende Leere auf dem Mond, durchzogen von einer einzigen Frage: Was bleibt, wenn die Menschheit versagt?

In einer nicht allzu fernen Zukunft sind die Ressourcen der Erde erschöpft. Die einzige Energiequelle: ein Mondprojekt namens MPT. Doch der Kontakt zur Station bricht urplötzlich ab – und die Erde versinkt im Dunkeln. Als Spielerin oder Spieler übernehmen wir die Rolle eines letzten Astronauten, der sich auf eine gefährliche Rettungsmission begibt.

Das Besondere: „Deliver Us The Moon“ setzt auf Immersion durch Reduktion. Die Räume sind leer, aber nicht leblos. Geräusche sind selten, aber gezielt gesetzt. Die UI ist minimalistisch, das Gameplay physikbasiert. Statt Bombast gibt es ein Gefühl von technischer Präzision – und emotionaler Dichte. Auch die Rätsel, die es zu lösen gilt, haben uns sehr gefallen.

„Deliver Us Mars“: Persönlicher, größer – und riskanter

"Deliver Us Mars" bietet größere Umgebungen als der Vorgänger und ist optisch ähnlich toll gemacht. - © KeokeN Interactive
"Deliver Us Mars" bietet größere Umgebungen als der Vorgänger und ist optisch ähnlich toll gemacht. (© KeokeN Interactive)

Vier Jahre später erschien „Deliver Us Mars“ und erweiterte das Universum in mehrfacher Hinsicht: neue Figuren, größere Areale, komplexere Emotionen. Protagonistin Kathy Johanson ist nicht nur Astronautin, sondern Tochter eines verschwundenen Wissenschaftlers, der eine entscheidende Rolle in der Vergangenheit des Projekts spielte. Es ist nicht unbedingt notwendig, den Vorgänger zu spielen, allerdings baut „Mars“ auf „The Moon“ auf.

Kathy wird zur emotionalen Triebfeder der Geschichte: Ihre Suche nach dem Vater ist auch eine Suche nach Hoffnung – für sich, für die Erde, für die Menschheit. Spielerisch bietet „Deliver Us Mars“ mehr Bewegungsfreiheit, vertikale Kletterpassagen und rätselhafte Maschinen, die entschlüsselt werden wollen.

Zu kritisieren sind die stellenweise hakelige Steuerung und der geringere Anspruch mancher Puzzle-Elemente. Doch das narrative Fundament bleibt einfach stark: Das Spiel berührt durch Dialoge, Logbücher und Umgebungsdetails – und entfaltet im Laufe der Story eine spürbare Fallhöhe. Hat uns sehr beeindruckt.

Was beide Teile auszeichnet – und miteinander verbindet

Bei "Deliver Us Mars" konnte man endlich mit Steigeisen klettern, allerdings ist das manchmal eine frustrierende und hakelige Erfahrung. Bezogen auf das ganze Spiel, stört das aber nicht wirklich. - © KeokeN Interactive
Bei "Deliver Us Mars" konnte man endlich mit Steigeisen klettern, allerdings ist das manchmal eine frustrierende und hakelige Erfahrung. Bezogen auf das ganze Spiel, stört das aber nicht wirklich. (© KeokeN Interactive)

Die „Deliver Us“-Reihe hat sich eine ganz eigene Nische geschaffen – fernab von Shooter-Action oder Open-World-Grind. Die Gemeinsamkeiten der beiden Spiele lassen sich klar benennen und machen ihre Wirkung aus:

1. Klimakrise als narrative Grundlage

Beide Teile erzählen von einer Welt, die durch Umweltzerstörung und Ressourcenmangel an den Rand des Zusammenbruchs geraten ist. Die apokalyptische Grundstimmung entsteht nicht durch Zombies oder Atomkriege, sondern durch ein leises, schleichendes Verlöschen.

2. Isolation als erzählerisches Mittel

Statt NPC-Trubel erleben wir als Spieler Einsamkeit, Stillstand und Rückzug. Das erzeugt emotionale Tiefe – und eine Atmosphäre, die uns zum Nachdenken zwingt.

3. Immersion durch technische Klarheit

Das physikbasierte Gameplay, die reduzierte Benutzeroberfläche und die wirklich hervorragende Soundkulisse tragen zur realistischen, glaubwürdigen Welt bei – ohne dabei überästhetisiert zu wirken.

4. Narrative statt Mechanik im Fokus

KeokeN Interactive vertraut auf die Erzählung – über Sprache, Umgebungsdetails, Computerprotokolle und symbolische Bilder. Wer aufmerksam spielt, entdeckt eine komplexe Geschichte unter der Oberfläche.

5. Keine Heldenreise, sondern Rettungsversuch

Weder in „The Moon“ noch in „Mars“ geht es um Macht oder Sieg, sondern um das Verhindern des Untergangs. Das macht die Serie besonders in einer Spielewelt, die oft auf Eskapismus setzt.

„Deliver Us Home“: Der dritte Teil kommt – dank der Community

Erste Screenshots aus der Kickstarter-Kampagne, die einen dritten Teil überhaupt erst möglich macht. - © KeokeN Interactive
Erste Screenshots aus der Kickstarter-Kampagne, die einen dritten Teil überhaupt erst möglich macht. (© KeokeN Interactive)

Nach finanziellen Schwierigkeiten und dem Ausstieg des Publishers entschied sich KeokeN Interactive im Sommer 2024 dazu, die Entwicklung von „Deliver Us Home“ über Kickstarter zu finanzieren – mit Erfolg: Mehr als 123.000Euro kamen von 2.670 Unterstützern zusammen. Damit ist klar: Der dritte Teil wird Realität.

Erste Informationen deuten auf ein größeres Spiel hin:

  • Offene Areale statt enger Level-Strukturen
  • Crafting und Upgrades für mehr spielerische Freiheit
  • Mehr Entscheidungsfreiheit in der Missionsstruktur
  • Erweiterter Maßstab – möglicherweise mit Rückkehr zur Erde („Home“)

Das Studio selbst beschreibt das kommende Spiel als „ein einsames Science-Fiction-Erlebnis, in dem ein Astronaut daran arbeitet, der Menschheit eine neue Heimat und Zukunft zu sichern“. Das Veröffentlichungsjahr ist derzeit mit 2026 angesetzt.

Warum ein Rückblick gerade jetzt wichtig ist

Die Gründe, sich jetzt mit „Deliver Us The Moon“ und „Deliver Us Mars“ zu beschäftigen, sind vielfältig:

  • Einordnung: Wer „Deliver Us Home“ von Grund auf verstehen will, braucht das Vorwissen aus den Vorgängern.
  • Relevanz: Die Spiele greifen aktuelle Themen wie Ressourcenknappheit, Klimakollaps und ethische Verantwortung auf – subtil, aber eindringlich und passend für unsere Zeit.
  • Indie-Support: KeokeN steht exemplarisch für Studios, die trotz kreativer Vision wirtschaftlich kämpfen müssen. Wir unterstützen das gerne!
  • Narrativer Tiefgang: In einer lauten Spielewelt bieten diese Titel eine seltene Ruhe – und emotionale Wirkungskraft.
  • Verfügbarkeit: Beide Spiele sind auf Steam, PlayStation und Xbox erhältlich und oft im Sale.

Fazit: Die stille Relevanz einer Indie-Reihe

Von „Deliver Us Mars“ blicken wir schon bald auf einen dritten Teil. Deshalb ist jetzt die beste Zeit, nach und nach "The Moon" und "Mars" zu spielen. - © KeokeN Interactive
Von „Deliver Us Mars“ blicken wir schon bald auf einen dritten Teil. Deshalb ist jetzt die beste Zeit, nach und nach "The Moon" und "Mars" zu spielen. (© KeokeN Interactive)

„Deliver Us The Moon“ und „Deliver Us Mars“ sind keine Spiele für den schnellen Adrenalinkick. Sie sind stille, durchdachte, atmosphärische Erzählungen über eine Welt, die an sich selbst zugrunde geht – und über das letzte bisschen Hoffnung, das bleibt.

Mit „Deliver Us Home“ steht die Zukunft der Reihe in den Sternen – im besten Sinne. Wer die ersten beiden Teile verpasst hat, sollte sie jetzt nachholen. Nicht nur, um für Teil 3 vorbereitet zu sein, sondern weil diese Spiele etwas Seltenes bieten: ein Gefühl für Dringlichkeit, das unter die Haut geht.

„Deliver Us The Moon“ ist erhältlich für Playstation 5, Playstation 4, Xbox Series X|S, Nintendo Switch und PC und kostet rund 25 Euro. Das Spiel ist ab 12 Jahren freigegeben.

„Deliver Us Mars“ ist erhältlich für Playstation 5, Playstation 4, Xbox Series X|S und PC und kostet rund 30 Euro. Das Spiel ist ab 16 Jahren freigegeben.

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INFORMATION


Für wen ist die „Deliver Us“-Reihe geeignet?

Nicht jedes Spiel ist für jede Art von Spielerin oder Spieler gemacht. Wer hier genau richtig ist – und wer vielleicht besser was anderes spielt – zeigt dieser Überblick:

Die Reihe könnte genau das Richtige für Sie sein, wenn …

  • … Sie Spiele suchen, bei denen Atmosphäre und Geschichte im Vordergrund stehen.

  • … Sie Science-Fiction mögen, die mehr Fragen stellt, als Antworten gibt.

  • … Sie sich in ruhige, emotionale Einzelspieler-Erlebnisse fallen lassen wollen.

Wahrscheinlich weniger Ihr Ding, wenn …

  • … Sie Action, Kämpfe und offene Welten bevorzugen.

  • … Sie keine Geduld für langsame Erzählungen und narrative Details haben.

  • … Sie eher in Richtung „Adrenalin“ statt „Reflexion“ suchen.