Hinweis: Dieser Artikel bespricht ein Spiel, das sich mit Themen wie Tod, Mord und dem Verschwinden eines Kindes auseinandersetzt. Wir weisen darauf hin, um sensible Leserinnen und Leser nicht unvorbereitet mit diesen Inhalten zu konfrontieren.
Manchmal hinterlassen Spiele keine Reihe, kein Franchise, keine jährlichen Nachfolger – sondern einfach nur eine Erinnerung, die schwer verblasst. „The Vanishing of Ethan Carter“, 2014 erstmals erschienen, gehört genau in diese Kategorie. Ein rätselhafter Mordfall, ein melancholisches Tal und ein verschwundener Junge: Mehr brauchte es nicht, um Spielerinnen und Spieler weltweit zu fesseln. Elf Jahre später lohnt sich der Blick zurück – perfekt geeignet für unsere Games-Rubrik „Zurückgespielt“.
Entwickelt vom polnischen Studio The Astronauts, entführt uns „The Vanishing of Ethan Carter“ in das fiktive Red Creek Valley. Wir übernehmen die Rolle des Detektivs Paul Prospero, der einem verstörenden Brief des Jungen Ethan folgt. Doch statt klassischer Krimilogik erwartet uns eine Welt, die sich zwischen Realität und Vision auflöst.
Das Besondere: Die Erzählung verweigert von Beginn an eine klare Anleitung. Kein Questlog, keine Marker, kaum Hinweise – wir wandern, beobachten, rekonstruieren. Jedes Rätsel ergibt sich organisch aus der Umgebung, die sich selbst als Protagonist inszeniert: Wälder, verlassene Häuser, verrostete Gleise.
Die Ästhetik der Vergänglichkeit
Damals galt das Spiel als technisches Kleinod: Dank Fotogrammetrie wirkten Steine, Moose und Holzwände ungewohnt realistisch. Die Natur war nicht bloß Hintergrund, sondern Bühne und Stimmungsträger. 2025 mag die Technik weiter sein – doch die dichte Atmosphäre, die Mischung aus Schönheit und Unheimlichkeit, bleibt ungebrochen.
Man könnte „The Vanishing of Ethan Carter“ als Vorläufer jener Spiele bezeichnen, die wir heute unter „Walking Simulators“ verhandeln. Titel wie „Firewatch“, „What Remains of Edith Finch“ oder „Everybody’s Gone to the Rapture“ folgten bald, doch Astronauts’ Werk setzte Maßstäbe, wie subtil narrative Spiele Emotionen wecken können.
Der Trailer zu „The Vanishing of Ethan Carter“
Zwischen Kritik und Kult
Bei Erscheinen wurde das Spiel hoch gelobt für seine Stimmung, seine Freiheit und seine Bildgewalt. Kritik gab es an der knappen Spielzeit und daran, dass einige Rätsel eher zur Atmosphäre als zur Logik beitrugen. Doch genau diese Mischung machte es zu einem Werk, das man nicht „durchspielt“, sondern erlebt.
Über die Jahre erarbeitete sich „The Vanishing of Ethan Carter“ einen Status als Geheimtipp, als Spiel für Menschen, die lieber nachdenken und fühlen, statt Punkte zu sammeln.
Warum es 2025 noch relevant ist
Heute, in einer Zeit, in der KI-generierte Welten und Service-Games die Schlagzeilen bestimmen, wirkt „The Vanishing of Ethan Carter“ wie ein Gegenentwurf. Seine Linearität ist zugleich seine Freiheit: Wir lassen uns treiben, verlieren uns in einer Welt, die mehr Fragen stellt, als sie beantwortet.
Das macht das Spiel besonders aktuell. Denn die Themen – Eskapismus, das Verschwinden ins Erzählen, die Sehnsucht nach anderen Realitäten – sprechen in einer digitalen Gegenwart lauter denn je. Gerade weil sich The Astronauts inzwischen mit actionorientierteren Projekten („Witchfire“) beschäftigen, lohnt es, ihr stillstes Werk neu zu entdecken.
Fazit: Ein Spiel wie ein flüchtiger Traum
„The Vanishing of Ethan Carter“ ist kein Spiel, das man „meistern“ kann. Es ist eine Erinnerung, die man durchwandert – ein Traum, der langsam in Albtraumfarben kippt, bevor er verschwindet. Gerade 2025, im Rückblick, zeigt sich seine Stärke: Es beweist, dass Spiele keine epischen Reihen oder Multiplayer-Modi brauchen, um Relevanz zu entfalten. Manchmal genügt ein verschwundener Junge in einem verlassenen Tal, um einen bleibenden Eindruck zu hinterlassen.
„The Vanishing of Ethan Carter“ ist seit dem 25. September 2014 für Playstation, Nintendo Switch und PC erhältlich und kostet rund 20 Euro, ist aber regelmäßig als günstigeres Angebot zu haben. Das Spiel ist freigegeben ab 16 Jahren. Wir haben das Spiel zuletzt auf der Playstation 5 Pro gespielt.

