Warum Bernd Kirchner seine Laufbahn bei Arminia mit 26 Jahren beendete

Bielefeld. Die frohe Kunde kam per Telegramm. "Sind für Spiel der Amateur-Nationalmannschaft gegen die Zone am kommenden Sonntag in Hannover aufgestellt", las Bernd Kirchner, als er das Schreiben im September 1963 erhielt. Und: "Gruß, Seppl Herberger." Der Bundestrainer höchstpersönlich hatte ihn also eingeladen. Für Kirchner, den 19-jährigen Spieler von Arminia Bielefeld, war es der vorläufige Höhepunkt seiner Laufbahn, die gerade erst begann und ein paar Jahre später ein ungewöhnliches Ende nehmen sollte. Als Klein-Bernd mit seinen Kumpels auf der Roonstraße oberhalb der Bielefelder Alm kickte, erkannte Hansi Büttner sein Talent. Der damalige DSC-Geschäftsführer sprach Kirchners Vater an: "Den Jungen brauchen wir!". Schon bald trug der Zehnjährige das Arminia-Trikot und wuchs zu einem brillanten Außenstürmer heran. Schnell, dribbelstark, torgefährlich – das waren die Attribute, die ihn auszeichneten. Nach dem Gewinn der Westdeutschen Meisterschaft 1961 mit der A-Jugend spielten die stärksten Talente des Teams schon bald für Arminias erste Mannschaft. Die kämpfte 1962/63 um die Qualifikation für die neue Regionalliga, lag aber bald scheinbar aussichtslos auf dem vorletzten Rang. Mit der Verpflichtung von Trainer Hellmut Meidt gelang dem DSC ein Fußballwunder: Die Mannschaft gewann acht der letzten neun Spiele und qualifizierte sich doch noch. Zwischen Amateur-Nationalmannschaft und Studium Weil Kirchner in seiner ersten Senioren-Saison zwölf Tore erzielte, dauerte es nicht mehr lange, bis er das Herberger-Telegramm erhielt. Beim 2:1-Sieg gegen die DDR am 22. September 1963 gab er sein Debüt in der Amateur-Nationalmannschaft. Später bestritt Kirchner bei einer Japan-Reise zwei weitere Länderspiele. "Hellmut Meidt war der beste Trainer, den ich hatte", schwärmt der heute 78-Jährige. Kirchner liebte das Training und das Spiel. Und er liebte es, gegnerische Abwehrspieler zu foppen. "Kriegst mich sowieso nicht", flüsterte der kleine Flügelflitzer ihnen zu – und war mit dem nächsten Steilpass auf und davon. Es waren neben seinen fußballerischen Qualitäten seine Freude und Unbekümmertheit, die Kirchner zu einem besonderen Spieler machten. Zwar wurde er Berufsfußballer mit 160 Mark Monatsgehalt und weiteren 120 Mark pro Sieg. Doch Fußball blieb für ihn einfach ein großer Spaß und der schönste Ausgleich zu seinem Architekturstudium an der Ingenieurschule in Lage. Streit mit Trainer Egon Piechaczek Als Meidt entlassen wurde, "haben wir jungen Spieler geheult", erzählt Kirchner. Der Spaß nahm bald endgültig ein Ende: Mit Trainer Egon Piechaczek kam er überhaupt nicht zurecht. Der Neue schlug einen Umgangston an, den Kirchner noch heute "unmenschlich" nennt. "Er konnte mich nicht leiden. Auch, weil ich studierte. Als es wieder gekracht hat, habe ich gesagt: Jetzt reicht es, ich höre auf." 1970 war das, Arminia war gerade zum ersten Mal in die Bundesliga aufgestiegen. Doch das spielte für Kirchner keine Rolle. Er empfand keine Freude mehr. Und so endete die Karriere dieses Stürmers, den man ohne Übertreibung als eines der begabtesten DSC-Eigengewächse aller Zeiten bezeichnen darf. Mit nur 26 Jahren. Architekt statt Fußball-Profi Statt eines der eintreffenden Angebote anderer Vereine anzunehmen, konzentrierte Kirchner sich auf sein Studium. Er schloss es ab, wurde wie sein Vater Architekt und fand eine gute Anstellung bei der Stadt Bielefeld. Noch heute lebt er in Bielefeld, bis zur Alm sind es für ihn nur ein paar Fußminuten. Doch seit seinem plötzlichen Abschied ist er nur noch selten dort gewesen. Obwohl er nie für einen anderen Klub als Arminia gespielt hat, verspürt Kirchner wegen der unschönen Trennung noch immer eine innere Distanz. Dafür besteht guter Kontakt zu einigen früheren Mitspielern. Beispielsweise zu Rolf Donnermann, mit dem er gelegentlich Alten- und Pflegeeinrichtungen besucht. "Rolli" Donnermann spielt Akkordeon, Kirchner erzählt: Mit Musik und nostalgischen Arminia-Geschichten helfen die beiden, alten und demenzkranken Bewohnern Emotionen und Erinnerungen zurückzubringen. In diesen Tagen freut sich Bernd Kirchner auch auf einen weiteren Termin. Kurz vor Weihnachten treffen sich einige frühere Arminia-Spieler traditionell in einem Bielefelder Café und lassen die guten alten Zeiten aufleben. Gut möglich, dass dann auch wieder vom Seppl-Herberger-Telegramm die Rede sein wird. Bernd Kirchners Arminia-Traumelf: Gerd Siese - Dieter Schulz, Rudi Giersch, Rolf Donnermann, Detlef Kemena - Dietmar Erler, Werner Ruchel, Jürgen Diekmann - Horst Möntmann, Peter Dammann, Bernd Kirchner - Trainer: Hellmut Meidt

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