Nach tragischem Sportunfall: Johnny wünscht sich ein Weihnachten in Werther

Jean-Chris Lawson lebt in einer Pflegeeinrichtung in Theesen. Dort wird der 20-Jährige, der 2017 bei einem Hallenfußballturnier schwer verunglückte, mit seiner Familie in diesem Jahr auch die Feiertage verbringen.

Jean-Chris Lawson und seine Freunde Yannick Philipp, Thomas Gaesing und Liam Marshal (von links), mit denen er oft über WhatsApp schreibt. Das Foto entstand vor der missglückten Operation vor knapp drei Jahren. Es ist Johnnys Wunsch, diese Szene in der Zeitung zu sehen, anstatt ein aktuelles Bild von ihm. Foto: privat | © Johnny Dähne

25.12.2019 | 01.01.2020, 12:50

Werther/Theesen. „Wie geht es dir?" Eine Frage, die oft und gerne als Einleitung für eine Unterhaltung genutzt wird. Dabei ist nicht immer klar, ob der Gegenüber ein wirkliches Interesse am Gesundheitszustand seines Gesprächspartners hat, oder nur einen Smalltalk beginnen möchte. Jean-Chris Lawson stellt man diese Frage nicht nebenbei. Sie ist ein zentraler Bestandteil seines Lebens, das nach einem Sportunfall 2017 eine dramatische Wendung erfuhr.

Im Erdgeschoss des weißen Klinkerbaus im Bielefelder Vorort Theesen steuert Jean-Chris Lawson, der von Freunden und Bekannten nur „Johnny" gerufen wird, seinen Rollstuhl per Mundsteuerung gekonnt vor den Gesprächstisch. Neben seinem Vater Messan ist auch Matthias Nowak von Johnnys Fußballverein BV Werther dabei, der sich seit dem tragischen Sportunfall für ihn einsetzt.

Große Fortschritte in den vergangenen Monaten

Rückblick: Am 7. Januar 2017 war Jean-Chris Lawson bei einem A-Junioren-Hallenturnier in Melle als Spieler der JSG Werther/Langenheide nach einem Torabschluss mit dem Kopf gegen eine Wand geprallt. Dabei erlitt er einen Bruch des zweiten Halswirbels sowie eine Gehirnblutung. Bei der anschließenden Operation traten so schwerwiegende Komplikationen auf, dass Lawson seine aktive Atem-, Bewegungs- und Sprechfunktion verlor.

Nach dem missglückten Eingriff, der bis heute Gegenstand eines juristischen Verfahrens ist, musste er mehrere Monate in einer Bochumer Spezialklinik behandelt werden. Derzeit befindet sich Jean-Chris Lawson auf dem Weg der Besserung: Er muss »nur« noch zwölf Stunden am Tag fremdbeatmet werden, zudem kann er wieder sprechen. Die Lähmung ab dem zweiten Halswirbel aber ist geblieben.

An der Terrassentür des Flurs steht ein beleuchteter Weihnachtsbaum, in seinem geräumigen Zimmer deutet ein Adventskalender auf das Fest hin. Wie es ihm jetzt gehe? „Ganz gut", sagt Johnny und grinst. Er freut sich über die großen Fortschritte in den vergangenen Monaten, die es ihm in naher Zukunft ermöglichen sollen, wieder bei seiner Familie in Werther zu leben. Der Umzug innerhalb der Stadt in eine barrierefreie Wohnung ist schon vollzogen, der Vermieter hat sogar eine Rampe für den Rollstuhl anfertigen lassen.

Das Einzige, was fehlt, ist eine 24-Stunden-Pflegekraft. „Es wäre fantastisch, wenn sich jemand finden sollte", erklärt Matthias Nowak. Es wäre der nächste Schritt einer Welle der Solidarität, die Jean-Chris Lawson und seine Familie erfahren haben. Seit Bekanntwerden des Unfalls gab es viele Spender, die geholfen haben. Das Konto ist immer noch aktuell, weil der Umzug und alle Anschaffungen, die nicht von der Krankenkasse übernommen werden, eigenständig bezahlt werden müssen. „Wir haben gemerkt, dass der Altkreis bei so einer Geschichte zusammen hält", erläutert Matthias Nowak.

Viele Menschen – darunter Prominente wie Margit Tönnies, die Ehefrau von Schalkes Präsident Clemens Tönnies, und Profis von Arminia Bielefeld – nahmen Anteil an Johnnys Schicksal und besuchten ihn in Theesen. „Roberto Massimo kenne ich noch von früher", sagt Jean-Chris, der bis zu seiner Verletzung ebenso wie Massimo als pfeilschneller Stürmer galt. Den meisten Kontakt hat Lawson allerdings zu drei Freunden aus seiner Jugendzeit: Mit Thomas Gaesing, Liam Marshal und Yannick Philipp ist er per WhatsApp verbunden. „Wir schreiben über alles Mögliche. Vor allem aber über Fußball", erklärt Johnny.

„Es macht keinen Spaß, aber es führt zum Ziel"

Über seinen Laptop, der mit einem passenden Mundstück verbunden ist, tickert er mit dem Trio. Dabei unterscheidet er sich in einem Punkt klar von seinen Jungs: Jean-Chris Lawson ist großer Fan des FC Chelsea. „Mein Lieblingsspieler ist Didier Drogba. Er trägt auch meine Lieblingsnummer, die elf", erläutert er, was ihm an dem ehemaligen ivorischen Starstürmer besonders gefällt. Ein Zeugnis seiner großen Verbundenheit zu den West-Londonern ist das gerahmte Chelsea-Trikot an der Wand inklusive sämtlicher Original-Unterschriften des Profikaders.

Professionell sind auch die Bedingungen, unter denen Jean-Chris Lawson selbst arbeitet. Drei Mal die Woche wird er von einem Physiotherapeuten bewegt, hinzu kommen zwei Mal Sprachunterricht. „Es macht keinen Spaß, aber es führt zum Ziel", erklärt Johnny schmunzelnd zu den Logopädie-Stunden.

An seinem größten Wunsch kann er indes nur indirekt mitwirken: Nächstes Jahr im Kreise seiner Eltern und seiner drei Schwestern Weihnachten feiern – und das nicht in Theesen, sondern in Werther.