
Loxten. Sein Bruder Max war der erste am Unfallort. „Ich habe sofort zu ihm gesagt: Mein Knie ist kaputt", erinnert sich Philipp Harnacke schmerzhaft an jenen 5. Oktober. Es lief die 10. Minute im Heimspiel der Sportfreunde Loxten gegen den TuS Möllbergen, als der 22 Jahre alte Rückraumspieler zu Boden ging. Was für die rund 450 Zuschauer in der Sparkassen-Arena zuerst wie ein missglückter Torwurf aussah, entpuppte sich für Philipp Harnacke als der schwärzeste Moment seiner noch jungen Karriere.
Mehrfach hatte sich der einzige Neuzugang der »Frösche« schon das Innenband gerissen, diesmal aber fühlte sich die Verletzung anders an. Schlimmer. „Da ist definitiv mehr passiert", wusste Philipp Harnacke schon auf dem Spielfeld. Bei einer MRT-Untersuchung bestätigte sich die böse Vorahnung: Beide Kreuzbänder und das Außenband im rechten Knie waren durch, das Gelenk ausgekugelt, ein Muskelstrang abgetrennt. Und auch mental war der Student zunächst am Boden. Rund ein Jahr Pause prophezeiten ihm die Ärzte. „Aber als ich im Krankenhaus lag, konnte ich mir nicht vorstellen, überhaupt jemals wieder Handball zu spielen", blickt er zurück.
Doch Philipp Harnacke hatte Glück im Unglück. Loxtens Mannschaftsarzt Dr. Rüdiger Mai vermittelte ihn an einen Spezialisten in Hamburg, der schon zahlreiche Profisportler wie Windsurf-Weltmeister Philip Köster und diverse HSV-Kicker wieder auf die Beine gebracht hatte. Sieben Stunden am Stück lag Harnacke auf dem Operationstisch. Um Bänder und Sehnen wieder zusammenzuflicken, wurde ihm auch körpereigenes Gewebe aus dem gesunden Bein entnommen.
„Die erste Zeit danach war sehr schwer", gesteht er. Doch weil Philipp Harnacke sich selbst als „optimistischen Menschen" bezeichnet, geht sein Blick längst wieder nach vorne. Zwar ist er nach wie vor auf Krücken und eine Orthese angewiesen, Schmerzmittel aber braucht er nicht mehr. In der nächsten Woche steht noch eine Untersuchung in Hamburg an, danach möchte er mit dem Krafttraining beginnen und spätestens im neuen Jahr in der Reha „richtig Gas geben".
Denn der Handball ist und bleibt seine große Leidenschaft. „Damit bin ich groß geworden. Und wenn ich bei den Jungs bin, motiviert mich das noch mehr", sagt er. „Die Jungs", das sind seine Loxtener Mitspieler, die ihn nach seinem Wechsel vom Drittligisten Handball Lippe im Sommer „super schnell bei sich aufgenommen haben".
„Genau solche Spiele sind es doch, die man als Handballer erleben möchte"
Und so war es für den Friedrichsdorfer, der in Bielefeld Marketing-Management studiert, keine Frage, dass er beim Spitzenspiel in Hamm vor einer Woche ganz nah bei der Mannschaft sein wollte. Von der Kulisse, der Spannung und der Unterstützung der Loxtener Fans war Philipp Harnacke beeindruckt. „Genau solche Spiele sind es doch, die man als Handballer erleben möchte", weiß er, dass es sich lohnt, hart für sein Comeback zu arbeiten.
Obwohl die Gäste knapp (28:29) unterlagen, wertet der wurfgewaltige Rechtshänder den starken Auftritt als „Ausrufezeichen" an die Liga. „Wir haben auswärts bei einem der absoluten Favoriten gezeigt, dass wir zu Recht oben dabei sind und in Loxten gute Arbeit geleistet wird", sagt er und hat die nächsten beiden Punkte im Heimspiel gegen Ferndorf II natürlich fest eingeplant.
Sollte es am Ende der Saison tatsächlich mit dem Aufstieg klappen, sähe Philipp Harnacke die Sportfreunde eine Klasse höher nicht chancenlos. „Der Unterschied zwischen der Abstiegszone in der 3. Liga und der Oberligaspitze ist nicht groß", weiß er aus eigener Erfahrung. Mit einem gesunden Philipp Harnacke würde er noch ein gutes Stück kleiner werden.