Arminia-Fans schwitzen mit: Die Nebenwirkungen der neuen, langen Nachspielzeiten | Haller Kreisblatt

Bielefeld. Der Ball ist nicht rund, sondern kugelförmig und ein Spiel dauert längst nicht mehr 90 Minuten. All die schönen Fußballweisheiten, die Papa oder sogar Opa uns mit auf den Lebensweg gegeben haben, stimmen inzwischen nicht mehr. Das ist so frustrierend wie ein Gegentor in der Nachspielzeit. Apropos Nachspielzeit. Zwei Minuten oder mal drei, das gab es bis zur vergangenen Saison oben drauf. Wurde vom vierten Offiziellen am Spielfeldrand kurz vor der 90. Minute eine Fünf hochgehalten, ging schon ein Raunen durchs Stadion. In dieser Saison ist alles anders. Die neue Regelung der Nachspielzeiten soll dazu dienen, die Spielzeit realitätsnäher abzubilden. Mehr netto vom brutto sozusagen. Zehn oder zwölf Minuten Mehrarbeit sind seither keine Seltenheit für die Profis auf dem Feld. Ein Beschluss mit Nebenwirkungen. Zunächst einmal müssen die bei engen Spielständen traditionell sehr nervösen Fans lernen, sich in Geduld zu üben. Die Stadionuhr läuft nämlich ab der 45. und der 90. Minute nicht weiter. Das ist keine Schikane, sondern klares Regelwerk. Auf der Stadionuhr darf die Nachspielzeit nicht mitlaufen Achtung, Juristendeutsch! Im Abschnitt III, Paragraf 9 der Spielordnung der Lizenzligen der Deutschen Fußball Liga (DFL) mit dem Untertitel &bdquo;Richtlinien zur Spielordnung“ ist definiert: &bdquo;Zeitanzeiger mit besonderem Laufwerk (2 x 45 Minuten) können in Betrieb genommen werden. Der Zeitanzeiger muss in der Stellung 45.00 Minuten beziehungsweise 90.00 Minuten gestoppt werden.“ Bedeutet: Auf der Anzeige im Stadion darf die Nachspielzeit gar nicht mitlaufen. Die eingeblendete Uhr im Fernsehen tickt dagegen weiter. Während der TV-Zuschauer mit einem Blick an den oberen Bildschirmrand genau identifizieren kann, wie lange sein Team noch zu überstehen hat, tappt der Fan auf der Tribüne spätestens dann im Dunkel, wenn er sich beim Sekundenzählen im Kopf mehrfach hat ablenken lassen. Nach der 90. hört die zeitliche Orientierung schnell auf. Nach Informationen dieser Redaktion wird das Thema bei der DFL derzeit diskutiert. Für Arminia läppert es sich: Zehn Minuten gegen Düsseldorf, rund sechs Minuten in Kiel, elf Minuten gegen Dresden, neun Minuten in Braunschweig, aus denen am Ende elf wurden, sieben Minuten gegen Magdeburg und zuletzt noch einmal sieben Minuten gegen Greuther Fürth. Nach sechs Spielen hat der DSC Arminia Bielefeld bereits mehr als eine Halbzeit – ganze 52 Minuten – Extrazeit absolviert. Bei 540 regulären Spielminuten kamen fast zehn Prozent obendrauf. Dabei sind die Zusatzminuten der ersten Hälften noch gar nicht eingerechnet. Bei zwölf Minuten Nachspielzeit verliert man die Orientierung Auch für die Spieler hört die Orientierung in der Phase &bdquo;Neunzig plus x“ damit irgendwann auf. Arminias Dauer-Renner Jonny Grodowski meint: &bdquo;Es ist schwierig, das zu überblicken. Man fragt dann draußen oder den Schiedsrichter. Wenn es zwölf Minuten Nachspielzeit gibt, weiß man natürlich nach sieben Minuten nicht, dass noch fünf sind. Es ist schon anders als in den vergangenen Jahren.“ Der Publikumsliebling merkt aber augenzwinkernd auch an, dass er nach der 90. meist schon draußen sitze. Trotzdem: Profifußballer gehen ans Leistungslimit. Da kann es ein Unterschied sein, nach der 85. noch sechs, sieben Minuten stürmen zu müssen oder eine Viertelstunde. &bdquo;Wenn man hin- und hergesprintet ist und mal durchatmen muss, guckt man auf die Uhr, wie lange noch zu spielen ist“, verrät Arminias Thaddäus Momuluh, der sich ansonsten in sein Schicksal fügt: &bdquo;Man wartet, bis der Schiedsrichter abpfeift. Dann ist es vorbei.“ Vorteil für die fittesten Mannschaften Die Zeit nach der regulären Spielzeit wird jedenfalls immer öfter zum spielentscheidenden Faktor. 17 der bisherigen 149 Saisontreffer der 2. Liga (rund elf Prozent) fielen nach der 90. Minute. In der vergangenen Drittliga-Spielzeit waren die Arminen die Könige der Extrazeit. Sieben Mal netzte der DSC ein, nachdem die Stadionuhr schon lange angehalten hatte – besser war kein Team. Die Vermutung liegt nahe, dass die neuen, längeren Nachspielzeiten den laufstärksten Mannschaften wie den Arminen also zugutekommen. Übrigens eine alte Weisheit, das betonen sie beim DSC ja seit der großartigen vergangenen Serie immer wieder, gilt bei den Bielefeldern ohne Zeitbeschränkung: &bdquo;Elf Freunde müsst ihr sein!“

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