„Bin mit meinem Leben im Reinen“: Arminia-Legende Uli Stein wird 70 | Haller Kreisblatt

Bielefeld. In den vergangenen Tagen hatte Uli Stein zahlreiche Anfragen erhalten. Er musste viele Anekdoten aus seinem spannenden Sportlerleben erzählen. Er ist immer noch ein gefragter Gesprächspartner für die Medien. Erst recht an diesem Mittwoch, wenn einer der besten deutschen Fußball-Torhüter aller Zeiten seinen 70. Geburtstag feiert. Herzlichen Glückwunsch! &bdquo;Nein, eine Fortsetzung meines 1993 erschienenen Buches Halbzeit werde ich nicht mehr schreiben.“ Uli Stein sorgt gleich zu Beginn für ein Ausrufezeichen. Klare Ansage. So kennt man ihn aus 645 Profispielen in der 1. und 2. Bundesliga. Dabei würde sich der Titel &bdquo;Nachspielzeit“ förmlich anbieten. Auch ein Uli Stein, der im Alter von 42 Jahren, fünf Monaten und 19 Tagen 1997 sein letztes Bundesligaspiel im Dress von Arminia Bielefeld ausgerechnet gegen den Hamburger SV bestritten hatte, musste mit Enttäuschungen leben und umgehen. &bdquo;Natürlich habe ich von mehr als nur sechs Länderspieleinsätzen geträumt“, räumt er ein. ,,Aber es gab einen Toni Schumacher“, zu dem er sich später noch einmal äußern wird. Kein Abschiedsspiel für Arminia Ein wenig Traurigkeit in seiner Stimme wird hörbar, wenn er über sein Ende als Profisportler nach 21 Jahren spricht. Bei Arminia Bielefeld, dem Hamburger SV und Eintracht Frankfurt war er der Rückhalt schlechthin. Die Mitspieler und die Klubs profitierten von seiner Klasse. Ein Abschiedsspiel hat er aber nie bekommen. Weder in Bielefeld noch in Hamburg und Frankfurt. Das schmerzt. Auch mit 70. Warm ums Herz dürfte es ihm aber werden, was ihm einige Mitstreiter von früher zum runden Geburtstag zu sagen haben. &bdquo;Er war der Beste, der zwischen den Pfosten stand. Ein Weltklassekeeper.“ Detlef Schnier (68.) schaffte mit Stein und Arminia Bielefeld in der Saison der Rekorde 1979/80 den Aufstieg in die Bundesliga. Öfter hat ihm Stein die Handschuhe an den Kopf geworfen, &bdquo;wenn ich beim Training einen Bock geschossen und Uli einen vermeidbaren Gegentreffer kassiert hatte. Er wollte immer gewinnen.“ Nach dem Training sei in der Kabine aber alles wieder gut gewesen, sagt Schnier. &bdquo;Wir haben zusammen ein Bier getrunken und Witze erzählt.“ Steins große Erfolge mit dem Hamburger SV Dieser unbedingte Siegeswille war auch für Bernd Wehmeyer (72) Steins Markenzeichen während der gesamten Karriere. &bdquo;Beim HSV musste ihn Kapitän Horst Hrubesch ab und an zur Räson bringen, wenn er zu übermotiviert zu Werke gegangen war“, erzählt sein ehemaliger Mitspieler. Zwei deutsche Meistertitel (1982/1983) sowie der Triumph im Endspiel des Europapokals der Landesmeister 1983 gegen Juventus Turin sind HSV-Erfolge, die immer mit den Namen Uli Stein und auch Bernd Wehmeyer in Verbindung bleiben werden. Peter Hobday (63) hat mit Stein sowohl bei Eintracht Frankfurt (1988 bis 1990) als auch Arminia Bielefeld (1995 bis 1997) in einem Team gespielt. Sein Eindruck &bdquo;Uli verfügte über ein brutal gutes Auge. Wegen seines außergewöhnlichen Timings konnte er auf Showeinlagen verzichten. Er war der mit Abstand beste Torhüter, den ich in meiner Karriere erlebt habe.“ Hobday erinnert aber auch an einen anderen Uli Stein, &bdquo;wenn er in höchster Konzentration im Tunnel stand und ihm gelegentlich die Sicherung durchbrannte.“ Von Ehrgeiz angefressen reagierte der streitbare Geist zu emotional und lieferte etliche negative Schlagzeilen. Im Dezember 1977 ließ er den Ball absichtlich ins Tor rollen, um die Bedeutung des Torhüters hervorzuheben. Im Juli 1987 erhielt Stein im Dress des HSV beim Supercup-Spiel gegen Bayern München nach einem Faustschlag gegen Bayern Münchens Stürmer Jürgen Wegmann die Rote Karte. Es folgten eine Sperre, die Beurlaubung beim HSV und schließlich die Trennung. &bdquo;Mir ist die Hand ausgerutscht. Ich kann mir diese Kurzschlussreaktion nicht erklären.“ Auch heute noch bedauert Stein dieses Fehlverhalten. &bdquo;Suppenkasper“-Affäre bei WM 1986 In einem Gespräch vor nicht allzu langer Zeit mit einem guten Bekannten, so Stein, sei er auf eine mögliche Erklärung für seinen übersteigerten Ehrgeiz gestoßen. Die strenge Erziehung seines Vaters, &bdquo;der uns mit Militärdrill piesackte, hat mich und meine sechs Geschwister geprägt“. Der Vater, der in seinen Zeugnissen ausschließlich Einser stehen hatte – nur in Musik eine 2 aufwies –, baute einen Druck auf, &bdquo;dem wir nicht gewachsen waren“. Prägend für sein gesamtes Leben sei ein Vorfall während der Halbzeitpause eines Jugendspiels gewesen. &bdquo;Wir führten mit 8:1. Mein Vater stürmte auf mich zu und gab mir eine Backpfeife. Seine Begründung, der Gegentreffer sei haltbar gewesen.“ Als Uli Stein 13 war, verließ der Vater die Familie. Es folgte die Scheidung. &bdquo;Wir haben von der Sozialhilfe gelebt. Es bestand die Gefahr, abzurutschen. Aber unsere Mutter hat uns alle durchgebracht. Diese Verhältnisse haben uns gestärkt“, erklärt Stein und berichtet, dass ein Anwalt, ein Arzt und eine Lehrerin unter seinen Geschwistern zu finden sind. Dass er 1986 während der WM in Mexiko Franz Beckenbauer als &bdquo;Suppenkasper“ bezeichnet hatte, ist seit Jahrzehnten fester Bestandteil einer jeden Story über Uli Stein. Er musste umgehend die Heimreise antreten. &bdquo;Diese Geschichte gehört zu meinem Leben. Ich kann sie nicht mehr ändern.“ Er habe diese Äußerung in einem lustigen Ton im Kreise einiger Mitspieler beim Mittagessen getätigt. Er sei verpfiffen worden, lautet seine Version. Sein nächster Satz ist brisant. &bdquo;Den Namen des Spielers kenne ich. Das Thema ist für mich aber schon lange vom Tisch.“ Letztes Punktspiel für den VfB Fichte Bielefeld Horst Köppel (76) war damals Co-Trainer von Franz Beckenbauer und hat diesen Skandal hautnah miterlebt. &bdquo;Für Franz war es nicht lustig. Er war beleidigt“, sagt Köppel. Gleichwohl räumt er Stein ein, eine schwere Zeit im Nationalteam gehabt zu haben. &bdquo;Uli hat immer auf seine Chance gewartet, sie aber nur äußerst selten bekommen. Schumacher war von zwei überragenden Torhütern der bessere.“ Stein widerspricht zum Teil: &bdquo;In Mexiko war ich der stärkere Keeper, da Toni mit erheblichen Knieproblemen zu kämpfen hatte und nur bedingt trainieren konnte.“ Sein allerletztes Punktspiel bestritt Uli Stein mit 49 Jahren am 13. Dezember 2003 in der Oberliga für den VfB Fichte Bielefeld auf der Rußheide. Spektakulärer hätte der Abschied für ihn im Spiel gegen Emsdetten nicht sein können. Als Freundschaftsdienst für VfB-Trainer Mario Ermisch hatte er sich für drei Einsätze überreden lassen. Die beiden etatmäßigen Keeper hatten sich schwerwiegende Verletzungen zugezogen. In Unterzahl nach drei Roten Karten rettete Stein trotz Leistenverletzung dem VfB ein 1:1. &bdquo;Perfekter geht es nicht“, sagt Uli Stein. Über ihn gibt es noch viel mehr zu erzählen: sein Engagement als Torwarttrainer von Berti Vogts in Aserbaidschan und Nigeria. Oder sein Ansinnen, fast Präsident von Arminia Bielefeld geworden zu sein. Oder von einer Mixtur aus Schlangen- und Ameisengift, die er in Frankfurt von einem Heilpraktiker erhalten hatte. Die Schwellung in seinem Fuß war umgehend verschwunden. Stoff für ein Fortsetzungsbuch wäre also reichlich vorhanden. Uli Stein liefert selbst das Schlusswort zum 70. Geburtstag. &bdquo;Ich bin mit meinem gesamten Leben im Reinen.“

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